Die therapeutischen Optionen, die bei Juckreiz infrage kommen, der durch Schädigung von Nervenfasern entsteht, wurden in einer aktuellen Publikation von US-amerikanischen Dermatologinnen und Dermatologen zusammengefasst.

Neuropathischer Juckreiz kann durch Nervenschäden infolge mechanischer, metabolischer, entzündlicher oder zytopathischer Verletzungen entstehen. Er geht häufig mit einer neuralen Hypersensitivität einher, die sich als Alloknesis (Juckreiz durch einen nicht pruritogenen Stimulus) oder Dysästhesie (z.B. Brennen, Stechen) als Reaktion auf harmlose mechanische Reize äußert. Meist entsteht der neuropathische Pruritus peripher.

Therapie der ersten Wahl

Bei neuropathischem Pruritus werden neuromodulatorische Therapieansätze herangezogen. Als Erstlinientherapie rät die Expertengruppe um Kelsey L. Auyeung von der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York zu topischen Therapeutika: Kälteanwendung verringert die Erregbarkeit und die Reizleitung der Nerven, weshalb Kampfer (3-11%) und Menthol (1-5%) Erleichterung verschaffen, indem sie die kälteempfindlichen TRPM8-Kanäle der Hautnerven aktivieren. Capsaicin dagegen aktiviert TRPV1, ein Protein, das auf juckreizspezifischen Neuronen exprimiert wird. Auch in der Leitlinie "Diagnostik und Therapie des chronischen Pruritus" der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) ist Capsaicin-Creme in aufsteigender Dosierung (0,025% bis 0,1%) vier- bis sechsmal pro Tag oder ein Capsaicin-Pflaster 8% über 30 bzw. 60 Minuten Therapie der ersten Wahl.

figure 1

© DimaBerlin / stock.adobe.com

Neuropathischer Juckreiz kann u.a. durch Nervenschäden infolge entzündlicher Verletzungen entstehen.

Anästhetika dagegen hemmen die Signalübertragung des Juckreizes durch reversible Blockade schneller spannungsabhängiger Natriumkanäle. Das Team um Auyeung empfiehlt Lidocain und Prilocain 2,5% sowie Pramoxin 1-2,5%. Anästhetika können topisch aufgetragen oder subkutan verabreicht werden. Bei Juckreiz auf der Kopfhaut wird ein Shampoo bevorzugt, das Menthol, Kampfer oder Lokalanästhetika enthält.

Zweit- und Drittlinientherapie

Systemtherapeutika stellen für Auyeung et al. Therapien zweiter Wahl dar, die bei generalisiertem oder schwerem Pruritus eingesetzt werden. Sie sollten mit niedrigen Dosen begonnen und bei Bedarf erhöht werden, wobei auf unerwünschte Wirkungen zu achten sei. Dabei sind die Neuromodulatoren Gabapentin (100-1200 mg TID) und Pregabalin (25-100 mg TID) eine Option, die auf die Juckreizübertragung durch GABA-Signale wirken. Gabapentin (max. 3.600 mg/d) und Pregabalin (max. 600 mg/d) sind auch die Systemtherapeutika der ersten Wahl in der DDG-Leitlinie.

Andere Antikonvulsiva, darunter Carbamazepin (200 mg BID), wirken durch Modulation spannungsabhängiger Natriumkanäle. Auch Oxcarbazepin (300-900 mg BID) stellt eine Option dar.

Zudem wird angenommen, dass Antidepressiva wie Amitriptylin (10-25 mg einmal täglich) aufgrund ihres Einflusses auf Serotonin juckreizhemmende Wirkungen haben. Antidepressiva sehen die Expertinnen und Experten der DDG-Leitlinie als Therapie der zweiten Wahl, entweder als Monotherapie oder additiv zu Gabapentinoiden. Sie schlagen Paroxetin bis zu 40 mg/d, Amitryptilin bis zu 75 mg/d oder Mirtazapin bis zu 45 mg/d vor.

Wirksamkeit begrenzt

In dritter Linie sehen die Dermatologinnen und Dermatologen um Auyeung mehrere Wirkstoffe, die die Opioid-Signalwege modulieren, darunter Naltrexon (50 mg einmal täglich), Butorphanol (1-4 mg einmal täglich), Nalbuphin (162 mg BID) und Naloxon (0,4 mg/24 h). Vor kurzem hat Difelikefalin in einer klinischen Phase-2-Studie seine Wirksamkeit bei neuropathischem Pruritus unter Beweis gestellt und könnte laut den Forschenden zukünftig eine größere Rolle spielen. Auch für die Therapie mit Botulinumtoxin A und Aprepitant (80 mg einmal täglich) gibt es bei einigen neuropathischen Juckreizzuständen Belege.

Auyeung und Kollegen betonen, dass neuropathischer Juckreiz im Allgemeinen schlecht auf entzündungshemmende Mittel (z.B. topische Steroide) anspricht. In der Leitlinie der DDG werden kurzzeitige topische Steroide lediglich bei zusätzlich vorhandenen Kratzläsionen empfohlen.

"Obwohl die oben genannten Behandlungen bei Juckreiz eingesetzt werden, ist ihre allgemeine Wirksamkeit begrenzt und nicht durch randomisierte klinische Studien belegt", geben Auyeung und ihr Team zu bedenken. Außerdem weisen sie darauf hin, dass viele Neuromodulatoren, wie Gabapentin, Nebenwirkungen, wie zum Beispiel Schläfrigkeit und Schwindel, zur Folge haben.

Auyeung KL et al. Clinical Management of Neuropathic Itch. JAMA Dermatol 2023