Auf der Suche nach alternativen oder ergänzenden Behandlungsmethoden bei chronischen Schmerzen sind auch klassische psychedelische Drogen in letzter Zeit in den Fokus gerückt. Die Ergebnisse einer aktuellen Studie legen nahe, dass Rauschmittel bei der Behandlung bestimmter Erkrankungen von Nutzen sein könnten.

Die klassischen Psychedelika scheinen zwar ein Potenzial für die Behandlung von chronischen Schmerzen zu haben, ihre tatsächliche Wirksamkeit und ihre Mechanismen sind jedoch noch unklar. Bei den Psychedelika handelt es sich um eine Klasse psychoaktiver Substanzen, die durch Agonismus serotonerger Rezeptoren tiefgreifende Veränderungen der Wahrnehmung, der Kognition und der Emotionen hervorrufen. Ihr Konsummuster wird klassischerweise in Voll- und Mikrodosis eingeteilt. Bei Letzterer werden über mehrere Tage oder Wochen hinweg wiederholt Dosen eingenommen, die so gering sind, dass sie keine wahrnehmbaren Bewusstseinsveränderungen hervorrufen.

Mauro Cavarra von der Abteilung für Neuropsychologie und Psychopharmakologie der Fakultät für Psychologie und Neurowissenschaften der Universität Maastricht und sein Team haben in einer Befragungsstudie die Wirkung verschiedener Rauschmittel auf fünf verschiedene chronische Schmerzzustände untersucht: Fibromyalgie, Arthritis, Migräne, Kopfschmerzen vom Spannungstyp und Ischiassyndrom. Die Studie wurde auch von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Beckley Foundation, die im englischen Oxford lokalisiert ist und sich mit der Erforschung von Psychedelika beschäftigt, ins Leben gerufen. Durch einen Aufruf auf deren Webseite wurden die Probandinnen und Probanden rekrutiert.

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Psilocybin ist eine häufig verwendete Substanz bei chronischen Schmerzen.

Studie mit insgesamt 170 Schmerzpatienten

Infrage kamen Teilnehmende, die mindestens 18 Jahre alt waren, bereits Erfahrungen mit Psychedelika gemacht hatten und unter chronischen Schmerzen litten oder gelitten hatten. Insgesamt 170 Personen nahmen an der Studie teil. Sie gaben per Fragebogen Auskunft über demografische Daten, ihren Rauschmittelkonsum, ihre chronischen Schmerzen, die Einnahme herkömmlicher Schmerzmedikamente sowie von Psychedelika. An konventionelleren Schmerztherapeutika nahmen die Befragten vor allem Opioide, Cannabis und frei verkäufliche Schmerzmittel bzw. nicht steroidale Antiphlogistika (NSAID) ein. 47 der 170 Studienteilnehmenden litten unter Fibromyalgie, 67 unter Arthritis, 63 unter Migräne, 47 unter Kopfschmerzen vom Spannungstyp und 65 unter dem Ischiassyndrom. Manche der Teilnehmenden litten unter mehreren chronischen Schmerzzuständen.

Bessere Schmerzlinderung mit Psychedelika

Mit Ausnahme von Ischiasschmerzen berichteten die Probanden, dass Psychedelika im Vergleich zu herkömmlichen Medikamenten bei allen untersuchten Erkrankungen eine bessere Schmerzlinderung bewirkten. Insbesondere waren psychedelische Drogen in Volldosis effektiver als herkömmliche Medikamente. Bei Migräne führten auch Mikrodosen zu einer signifikant besseren Linderung im Vergleich zu anderen Schmerzmedikamenten und erzielten eine vergleichbare Linderung in den übrigen drei Kategorien Fibromyalgie, Arthritis und Spannungskopfschmerz. Dabei dauerte die Wirkung einer Volldosis bis zu drei Tage lang an.

Häufig verwendete Substanzen waren Psilocybin, gefolgt von LSD. Deutlich weniger häufig wurden DMT (Dimethyltryptamin, Bestandteil einiger Pflanzen), Ayahuasca (ein psychedelisch wirkender Pflanzensud, vor allem aus der Liane Banisteriopsis caapi) sowie Meskalin (ein Alkaloid, das aus dem mittelamerikanischen Peyote-Kaktus stammt) eingenommen.

Da Volldosen im Vergleich zu den anderen konventionellen Behandlungen sowie Mikrodosen die Schmerzen effektiver lindern, schlussfolgert die Studiengruppe um Cavarra, dass diese Art der Anwendung einen therapeutischen Wert haben könnte. Zudem könnten die Volldosen im Gegensatz zu den meisten konventionellen schmerzstillenden Medikamenten wie NSAID oder Opioiden in der Regel sporadisch eingenommen werden, da mehrere der Befragten über eine Wirkungsdauer berichteten, die über den Tag der Verabreichung hinausging. Mit anderen Worten: Psychedelika könnten sowohl zur akuten Schmerzbehandlung als auch zur Prophylaxe eingesetzt werden, wie dies bei Migränepatienten beobachtet wurde, so die Studienautorinnen und -autoren.

Verallgemeinerung der erzielten Ergebnisse nur begrenzt möglich

Jedoch birgt die Studie auch viele Schwächen: Das Team um Cavarra gibt zu bedenken, dass es sich zunächst einmal um eine naturalistische Befragungsstudie handelt, die als solche rein retrospektive Selbsteinschätzungen einer Stichprobe von Personen liefert, die sich selbst freiwillig angemeldet hatten und sich selbst Psychedelika verabreichen. Dieses Studiendesign birgt das Risiko eines Bias, weshalb die Verallgemeinerung der erzielten Ergebnisse nur begrenzt möglich ist. In der Erhebung wurden weder der Kontext der Verabreichung noch andere potenziell relevante individuelle Variablen (z.B. Persönlichkeitsmerkmale) abgefragt, die als Einflussfaktoren fungiert haben könnten. Zusätzlich wurde nicht nach den Dosierungen oder Dosierungsschemata im Falle der Mikrodosierung gefragt, was erneut die Verallgemeinerung der Ergebnisse einschränkt.

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LSD lag im Ranking der häufig verwendeten Substanzen auf Platz 2.

Außerdem ist es in der Studie nicht möglich, die Auswirkungen von Psychedelika auf paroxysmale Schmerzen von denen auf anhaltende Schmerzen zu unterscheiden - zwei Kategorien von Zuständen, die eine unterschiedliche klinische Behandlung erfordern. Zudem wurde, was insbesondere für Migräne und Spannungskopfschmerz relevant ist, kein Maß für die Häufigkeit der Anfälle pro Woche oder pro Monat aufgenommen.

Nach Meinung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Cavarra sollten künftige Forschungsarbeiten darauf abzielen, diese Ergebnisse in einem kontrollierten Umfeld zu wiederholen und die möglichen kausalen Faktoren zu entschlüsseln, wobei vor allem die Sicherheit, die Auswirkungen der Dosis, die Art des Psychedelikums, die Häufigkeit der Verabreichung und die Potenz zu berücksichtigen seien.

Dr. Nicola Zink

Cavarra M et al. Potential analgesic effects of psychedelics on select chronic pain conditions: A survey study. Eur J Pain 2023; https://doi.org/10.1002/ejp.2171