Sollen Ärztinnen und Ärzte Verwandte und Freunde selbst versorgen oder dies anderen überlassen?

figure 1

© fizkes / Stock.adobe.com (Symbolbild mit Fotomodellen)

Ärzte werden oft von Verwandten oder Bekannten um medizinische Versorgung gebeten, Leitlinien raten davon ab. Auch die bisherige Forschung äußert Bedenken. Forschende um Francisca Beigel, Hannover, haben 76 Publikationen dazu analysiert [1].

Das spricht dafür und dagegen

Ein oft genannter Grund für die Behandlung Angehöriger ist, ihnen die bestmögliche Versorgung anzubieten und sie vor Fehlern ärztlicher Kollegen zu schützen. Ihnen den Zugang zu medizinischer Versorgung zu erleichtern, wird auch als Argument angeführt. Ein großes Vertrauen in die Fähigkeiten der bekannten Person, personalisierte Versorgung, bevorzugte Behandlung, geleisteter Mehraufwand sowie Kosteneinsparung werden ebenfalls genannt.

Zu den negativen Aspekten zählen das Risiko, die Schweigepflicht zu verletzen, das Fehlen einer Einverständniserklärung und die Gefährdung der Patientenautonomie. Zudem kann ein erheblicher Rollenkonflikt daraus entstehen, gleichzeitig verantwortlicher Arzt und Freund zu sein.

Auch negative Effekte auf die persönliche Beziehung sind möglich. Genauso könne die medizinische Versorgung leiden, etwa in Form inkonsistenter Untersuchungen sowie übermäßiger oder unzureichender Therapie. Das am meisten genannte Argument gegen die Behandlung von Angehörigen ist mangelnde Objektivität. Weitere Bedenken sind, dass rechtliche Schritte gegen den Arzt eingeleitet werden könnten. Zudem könnten durch das Bevorzugen Bekannter andere benachteiligt werden.

Spezielle Umstände

Es werden allerdings auch Bedingungen erwähnt, unter denen das Behandeln von Verwandten und Freunden als angemessen erachtet wird. Dazu zählen Notfälle, Situationen, in denen keine anderen Ärzte verfügbar sind, und das Behandeln kleinerer Beschwerden.

Während viele Publikationen eine neutrale Position einnehmen, äußert ein weiterer großer Teil Bedenken bezüglich der Versorgung von Familie und Freunden. Mehrere Autoren kritisieren eine zu geringe Hilfestellung durch ethische Leitlinien.

"Die Sichtung der vorhandenen Literatur legt nahe, dass aufgrund der sehr kontextspezifischen Umstände eine allgemeingültige Antwort kaum zu finden sein wird", resümieren Beigel und Co.

Beigel F., Mertz M., Salloch S. Family Practice, 2023