E.T.A. Hoffmann war ein künstlerisches Multitalent. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist er an einer hohen Querschnittslähmung gestorben. Bis zu seinem Ende war er hellwach.

Im dritten Akt der romantischen Oper "Undine" von E.T.A. Hoffmann, Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann, (1776-1822) küsst die Nixe den untreuen Ritter Huldbrand, wodurch dieser sein Leben aushaucht und selbst zum Wassergeist wird. "Undines Fluch" bringt nach einer alten Sage untreuen Gatten den Tod und bis heute wird ein seltenes angeborenes Hypoventilationssyndrom, bei dem die zentrale Atemregulation im Schlaf ausfällt, als Undine-Syndrom bezeichnet. Es ist ein tragischer Zufall, dass der lebenshungrige Hoffmann 46-jährig wahrscheinlich an einer Atemlähmung infolge einer aufsteigenden Querschnittslähmung gestorben ist - nur sechs Jahre nach der überaus erfolgreichen Premiere seiner Zauberoper im alten Schauspielhaus Berlin.

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Schriftsteller, Komponist, Karikaturist und Zeichner

Er war ein Multitalent: "Meister Floh" und "Kater Murr" sind bekannte Figuren des Schriftstellers E.T.A. Hoffmann. Zugleich wirkte er als Kapellmeister, Dirigent, Komponist von Kirchen- und Bühnenmusiken, Klavierstücken und einer Sinfonie sowie als Zeichner und Karikaturist. Wegen seiner Begeisterung für Mozart ließ er sich Amadeus nennen (daher das A wie Amadeus, obwohl er eigentlich Ernst Theodor Wilhelm geheißen hat). Sein Brotberuf war Jurist. In seinen letzten Lebensjahren diente er dem Königreich Preußen als Kammergerichtsrat in Berlin, was Hoffmann finanziell absicherte.

Hoffmanns unerwartet rascher körperlicher Verfall beendete in drastischer Weise ein Leben, das zu diesem Zeitpunkt ungemein glücklich war. Der häufige Alkoholkonsum, etwa im legendären Berliner Weinhaus "Lutter & Wegner", ist in der Vergangenheit ebenso in Verbindung mit Hoffmanns frühem Tod gebracht worden wie Syphilis oder eine amyotrophen Lateralsklerose (ALS). Der Berliner Neurologe Prof. Roland Schiffter hat diese Annahmen verworfen. Er verweist in seiner Pathografie auf die relativ gut bekannten Umstände des finalen Krankheitsverlaufs zwischen Januar und Juni 1822.

"Noch keine Spur von Bewegung"

Im Dezember 1821 oder Januar 1822, die Angaben dazu sind widersprüchlich, erkrankt Hoffmann schwer. Der junge Jurastudent Heinrich Heine soll Hoffmann ("das kleine bewegliche Männchen mit den ewig vibrierenden Gesichtsmuskeln") noch im Dezember im Café Royal gesichtet haben und berichtete später, über ein "schlimmes Nasenübel" Hoffmanns. An seinen Freund und ersten Biografen Julius Eduard Hitzig schreibt Hoffmann in einem mit "Frühjahr 1822" datierten Brief, er fühle sich "noch gar matt und elend" und dürfe nicht zur Ader gelassen werden. Später berichtet er über unruhige, aber schmerzlose Nächte sowie einer "Geschwulst", die "von meinen Füßen fällt, aber noch keine Spur von Bewegung." Hoffmann habe also Schmerzen gehabt sowie eine Schwellung oder ein Ödem mit Lähmungen der Füße, schlussfolgert Roland Schiffter in seiner Pathografie. In einem Brief vom 1. Mai 1822 spricht Hoffmann von "namenlosen Leiden, welche mich schon seit viertehalb Monaten nicht von dem Siechbette frei lassen." Er sei an Händen und Füßen gelähmt.

Demnach wäre Hoffmann bereits seit Dezember 1821 bettlägerig, während er sich im Herbst nach eigenem Bekunden noch "in völliger Kraft der Gesundheit" befunden hat, war zunächst an den Füßen gelähmt und entwickelte dann eine aufsteigende Lähmung. Bereits am 26. Januar 1822 ist davon die Rede, er sei "an den Flügeln gelähmt", also Hände und Arme waren betroffen. Zwei Tage zuvor hatte er seinen 46. Geburtstag und Hitzig berichtet, dass der Gefeierte "den ganzen Abend in seinem Lehnstuhl gefesselt" gesessen habe, wo er doch sonst in Gesellschaft mit "unermüdlicher Beweglichkeit den Tisch umkreiste", um seine Gesellschaft mit Wein zu versorgen und die Unterhaltung anzufachen. Im Februar 1822 hatte sein Arzt Dr. Heinrich Meyer ein Attest ausgestellt, mit der Angabe, Hoffmann sei seit Wochen kränklich, seit 14 Tagen krank und leide an "Praecordialbeschwerden mit Fieber", weshalb er ihn zu Ader gelassen habe.

Im März 1822 setzte Hoffmann vorsorglich sein Testament auf, hofft aber stets darauf, wieder gesund zu werden. "Nein, nein, leben, leben, nur leben - unter welcher Bedingung es auch sein möge!", soll er ausgerufen haben, als sein Freund Theodor Gottlieb von Hippel beiläufig Schiller mit dem Satz zitierte: "Das Leben ist der Güter höchstes nicht."

Starke Schmerzen und Beteiligung innerer Organe

Die fortschreitende Querschnittssymptomatik mit wahrscheinlich spastischen Lähmungen - Hitzig spricht von "Rückenmarksdarre (tabes dorsalis)" - und die zeitgleich aufsteigenden, zunehmenden Sensibilitätsstörungen gehen mit qualvollen Schmerzen einher, offenbar vor allem Rückenschmerzen, berichtet Schiffter nach Analyse des zur Verfügung stehenden Quellenmaterials: "Es muss ein Prozess abgelaufen sein, der gleichzeitig die Knochenhaut von Wirbelkörpern, eventuell die Rückenmarkshäute und vielleicht auch sensible Rückenmarksnerven infiltriert und dadurch zu Schmerzen gereizt hat." Hinzu kamen wahrscheinlich auch Störungen der Stuhlkontrolle und des Magens, es ist immer mal wieder von Verstopfungen und Durchfällen, von Appetitlosigkeit und Versagen des Magens die Rede oder davon, dass "Teile des inneren Organismus" (Hitzig) von den Lähmungen mitbetroffen seien. Außerdem wurden starke Schmerzen beim Schlucken beschrieben.

Vier Wochen vor seinem Tod wird versucht, mit glühenden Brenneisen, die beidseits der Wirbelsäule aufgebracht werden, die "Lebenskraft wieder zu erwecken". Ein martialischer Heilversuch gemäß der brownianschen Lehre, deren Anhänger auch Hoffmann war, wonach das Leben durch innere und äußere Reize erregt und aufrechterhalten werden könne. Schließlich ist Hoffmann "erstarrt bis zum Halse", so Hitzig. Vier Tage vor dem Todeszeitpunkt war die Querschnittlähmung plötzlich sensibel komplett, Hoffmann verspürte keine Schmerzen mehr und deutete das als Zeichen der Besserung. Die Atmung war in Ruhelage im Bett offenbar ungestört, das Zwerchfell war also nicht betroffen, was für eine Läsion in Höhe C4/5 spricht. Hoffmann glaubt sich nun völlig genesen. Er wolle es sich "schon gefallen lassen, dass er an Händen und Füßen gelähmt bleibe, wenn er nur die Fähigkeit behielte, fort und fort dictando zu arbeiten", berichtet Hitzig.

Ursache der Atemlähmung bleibt unklar

Am frühen Morgen des 25. Juni 1822 fangen die Wunden am Rücken heftig zu bluten an. Hoffmann lässt sich im Bett mit dem Gesicht zur Wand drehen und verfällt in "Todesröcheln". Schiffter vermutet, dass sich in diesem Moment die Rückenmarksläsion weiter nach oben ausgebreitet hat, so dass es rasch zur Atemlähmung kam.

Darüber, was die aufsteigende Lähmung bei E.T.A. Hoffmann ausgelöst hat, kann nur spekuliert werden. Schiffter vermutet einen bösartigen Tumor zwischen Pharynx und Halswirbelsäule, der sich auf Wirbelkörper und Rückenmark ausgebreitet hat. Alle anderen Differenzialdiagnosen wie alkoholische Polyneuropathie, Guillain-Barré-Syndrom, Syphilis oder ALS seien mit der beschriebenen Symptomatik nicht erklärbar. Die Möglichkeit einer infektiös induzierten Spondylodiszitis mit Abszessbildung an der Halswirbelsäule wird nicht diskutiert. Was auch immer es gewesen ist: Nichts, was die Medizin der Romantik bieten konnte, hätte ihn gerettet.

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