Der Schriftsteller Vladimir Nabokov hat in Briefen über schwere Beeinträchtigungen durch seine Psoriasis berichtet. Der Juckreiz machte ihn rasend und manchmal lebensmüde.

Die mit Psoriasis verbundenen Stigmatisierungen und psychischen Belastungen dringen erst in jüngster Zeit verstärkt ins Bewusstsein behandelnder Ärzte, verbunden mit der Aufforderung, psychische Aspekte der Erkrankung besser als bisher zu berücksichtigen.

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Es geht nicht allein um psychische Komorbiditäten wie Depressionen bis hin zu Suizidalität oder um assoziierte Angststörungen: Sichtbare Läsionen werden als großer Makel empfunden. Und das schränkt die Lebensqualität vieler Psoriasis-Patienten teils stark ein. Weiterhin ist die Bedeutung des anhaltenden Juckreizes nach Einschätzung von Dermatologen lange Zeit unterschätzt worden. Er wird von Patienten als oft stärker beeinträchtigend erlebt als die Hautrötung, Schuppenbildung, Nagelveränderungen oder die Gelenksteifigkeit bei Psoriasis-Arthritis.

Nabokovs Ehefrau rettete den Roman "Lolita"

Ein prominentes Beispiel für diese Zusammenhänge ist der russisch-amerikanische Schriftsteller Vladimir Nabokov (1899-1977). Er gilt als einer der einflussreichsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, berühmt vor allem für seinen Roman "Lolita". Er war aber auch Schmetterlingsexperte, als solcher arbeitete er in den 1940er Jahren im zoologischen Museum der Harvard University in Cambridge, Massachusetts. Später war er Literaturprofessor an der Cornell University in Ithaca, New York.

Nabokov litt schwer an seiner Psoriasis. Wie sehr ihn das belastet hat, geht aus den Briefen an seine Frau Véra Jewsejewna Slonim (1902-1991) hervor, mit der er 52 Jahre verheiratet war. Véra Slonim hat als Partnerin, Inspirationsquelle, Lektorin, Übersetzerin und Sekretärin maßgeblich zu Nabokovs Erfolg beigetragen. Unter anderem rettete sie das "Lolita"-Manuskript vor der Vernichtung durch Nabokov selbst.

Er leidet Folterqualen

Der russischsprachige Briefwechsel zwischen Nabokov und seiner Frau aus den Jahren 1923 bis 1977 ist vor einigen Jahren in englischer Übersetzung erschienen. Dr. Laurie Rousset und Dr. Bruno Halioua aus Paris haben diese Briefe nach Berichten über sein Hautleiden durchforstet und ihre Ergebnisse im Jahre 2019 im "British Journal of Dermatology" veröffentlicht.

Demnach erwähnte Nabokov erstmals im Juli 1936 die Schuppenflechte, die nach Sonnenexposition abgeheilt sei. Von Januar bis Mai 1937 hielt sich Nabokov in Paris auf, getrennt von seiner Frau und seinem Sohn, die noch in Berlin geblieben waren, dem Lebensort ihres ersten Exils, bis der zunehmende Antisemitismus der Nazis das Paar erst nach Frankreich und später in die USA auswandern ließ. Er leide Folterqualen, die ihn an den Rand des Suizids trieben, schrieb Nabokov an seine Frau. Der Juckreiz mache ihn rasend, er könne nicht schlafen und dies drücke erheblich seine Stimmung. "Manchmal glaube ich den Verstand zu verlieren", zitieren Rousset und Halioua aus einem Brief. Zwei Monate lang sei er das "monströse Jucken" keine einzige Minute losgeworden.

Nabokov beklagte die blutbeschmutzte Kleidung, was mit Schamgefühlen, insbesondere gegenüber der Haushälterin, verbunden war. Eine Behandlung mit "Injektionen" - worum auch immer es sich gehandelt haben mag - lehnte er aus Kostengründen ab, ebenso eine "neue Salbe", weil er befürchtete, damit die Bettbezüge zu verschmutzen.

Suizidale Gedanken

Stress stimuliert, wie wir heute wissen, die Sympathikus-Nebennierenrinden-Achse, was die Produktion proinflammatorischer Zytokine induziert. Dies kann zu Exazerbation sowohl von Psoriasis als auch von psychischen Störungen führen. Während der zeitweisen Trennung von Véra im Jahre 1937 hatte Nabokov eine kurze Affäre mit der russischen Emigrantin Irina Guadanini. Das führte zu einer schweren Ehekrise. Guadanini soll Nabokov zu "Lolita" (Erstausgabe 1955) inspiriert haben.

Rousset und Halioua vermuten, dass der heftige Psoriasisschub in dieser Zeit etwas mit Schamgefühlen wegen seiner Untreue zu tun gehabt haben könnte. Die Angst vor sozialer Stigmatisierung und die erheblich eingeschränkte Lebensqualität belasteten Nabokov so stark, dass er suizidale Gedanken hatte, die er seiner Frau auch mitgeteilt hat. Es sei aber nicht ausgeschlossen, so die Pariser Dermatologen, dass Nabokov die Psoriasis-Beschwerden gegenüber seiner Frau übertrieben dargestellt habe, um sie zu besänftigen. Jedenfalls hielt die Ehe.

Verstärkt nach Wohlbefinden und Lebensqualität fragen!

Später bekam Nabokov Fototherapien, auf die er offenbar gut angesprochen hat. Es dürfte sich um eine Behandlung mit "Finsenlicht" gehandelt haben, also mit konzentriertem Licht aus einer Kohlenbogenlampe (im Jahre 1903 hatte der Däne Niels Fyberg Finsen für die Fototherapie von Hautkrankheiten den Nobelpreis für Physiologie und Medizin erhalten). Außerdem erhielt Nabokov eine topische Therapie mit Kohlenteer mit dem Ziel, die Sonnensensitivität der Haut zu erhöhen. Kohlenteer war nach Angaben von Rousset und Halioua in Frankreich seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Standardtherapie bei Psoriasis. Nabokov hatte ein exzellentes Verhältnis zu seinem Arzt, der empathisch auf seinen Patienten einging. "Den Patienten Verständnis entgegenzubringen sowie das Gefühl, die Dinge unter Kontrolle zu haben, sind wichtige Komponenten der Behandlung", so die französischen Dermatologen in ihrem Bericht.

Subjektives Wohlbefinden und Depression bei Psoriasis haben sich zuletzt in einer großen deutschen Online-Befragung als mit der Erkrankungsschwere unabhängig voneinander assoziiert erwiesen (Infobox). Demnach reicht es nicht, auf Depressionen oder Ängste als häufige psychische Komorbiditäten bei Psoriasis zu fokussieren. Vielmehr müsse in der klinischen Praxis verstärkt nach Wohlbefinden und Lebensqualität gefragt werden, so die Dermatologen. Soll heißen: Sich mit und in seinem Körper wohlzufühlen bedeutet mehr, als lediglich nicht (psychisch) krank zu sein.

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