Selbst nach relativ mild verlaufender Coronavirus-Erkrankung lassen sich deutliche Volumendefizite der grauen Substanz nachweisen - vor allem im limbischen und olfaktorischen System. Diese gehen zum Teil mit kognitiven Problemen einher.

Schwer verlaufende SARS-CoV-2-Infektionen verursachen nicht selten eine Schädigung von Hirnstrukturen, was jedoch primär auf die intensivmedizinische Therapie und die Schwere der Erkrankung zurückgeführt wird. Darüber hinaus klagen aber auch viele nicht stationär behandelte Patienten nach der Infektion oft lange Zeit über Fatigue, Aufmerksamkeitsprobleme und kognitive Einschränkungen. Woher diese kommen, ist noch unklar, eine Erklärung könnte sein, dass COVID auch bei nicht stationär behandelten Patienten häufig schwerer verläuft als andere Atemwegsinfekte und entzündliche Vorgänge das Gehirn noch eine gewisse Zeit beeinträchtigen. Dafür spricht, dass die zerebrale Bildgebung bislang kein klares und spezifisches Muster der Veränderungen bei Long-COVID-Patienten ergeben hat. Dies könnte aber auch daran liegen, dass in der Regel keine Bildgebungsbefunde aus der Zeit vor der Infektion vorliegen und daher keine intraindividuellen Vergleiche möglich sind, berichten Neurologen um Dr. Gwenaëlle Douaud, Oxford.

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Hirnschädigungen treten möglicherweise auch nach moderater Corona-Infektion auf.

Anhand der groß angelegten britischen Biobank-Datenbank konnten sie nun erstmals ein spezifisches COVID-Signal bei Personen nachweisen, die sowohl vor als auch nach einer SARS-CoV-2-Infektion per MRT untersucht worden waren.

Eine halbe Million Patientendaten

In die Biobank fließen biomedizinische Angaben zu rund einer halben Million Briten ein, darunter auch Bildgebungsbefunde. Die Forscher um Douaud fanden 401 Patienten mit einer bestätigten SARS-CoV-2-Infektion zwischen zwei Hirnscans. Sie verglichen nun die Unterschiede mit denen von 384 Personen, die nicht an COVID erkrankt waren, aber im selben Zeitraum ebenfalls zweimal einem Hirnscan unterzogen worden waren. Dabei achteten sie auf das gleiche Geschlecht, ein ähnliches Alter und eine vergleichbare Häufung von COVID-Risikofaktoren wie Hypertonie. Die Forscher berücksichtigten für ihre Analyse nur solche Personen mit einer unauffälligen ersten Bildgebung.

Im Schnitt waren die Teilnehmer beim ersten Scan knapp 60 Jahre alt, der zweite Scan erfolgte im Abstand von drei Jahren. In der COVID-Gruppe lag die Infektion im Mittel viereinhalb Monate zurück, 15 Infizierte mussten stationär, zwei intensivmedizinisch behandelt werden.

Die Forscher fanden in der COVID-Gruppe verglichen mit den nichtinfizierten Kontrollen einen signifikant stärkeren Rückgang der Dicke der grauen Substanz beidseitig im Parahippocampus, dem anterioren Gyrus cinguli, dem orbitofrontalen Kortex, der Insula und dem Gyrus supramarginalis. Die Diffusionsbildgebung deutete in der COVID-Gruppe auf eine Gewebeschädigung in den meisten dieser Strukturen, zudem auch in der Amygdala, hin. Gemeinsam ist diesen Arealen, dass sie funktionell mit dem primären olfaktorischen Kortex verbunden sind.

Moderate Veränderungen

Insgesamt wies die COVID-Gruppe einen stärkeren Hirnvolumenverlust auf als die Kontrollgruppe. Diese Veränderungen waren bei den hospitalisierten Patienten meist noch stärker ausgeprägt als bei den ambulant behandelten. Wurden die hospitalisierten Patienten ausgeschlossen, schwächte dies die Effektstäken entsprechend um rund ein Viertel ab, die meisten Differenzen blieben aber dennoch signifikant, das Muster zeigte sich also auch bei den ambulant behandelten Patienten.

Die Veränderungen selbst werden von den Forschern als moderat bezeichnet. So betrugen die zusätzlichen Volumenverluste im am stärksten betroffenen limbischen und olfaktorischen System maximal 2%.

Folgeuntersuchungen nötig

Während der beiden Untersuchungen wurden die Teilnehmer auch einer Reihe von Kognitionstests unterzogen. In der COVID-Gruppe nahm die kognitive Leistung etwas stärker ab als in der Kontrollgruppe, dies betraf vor allem die Exekutivfunktionen, nicht aber das Gedächtnis. Zum Teil können die Veränderungen Post-COVID-Symptome wie Antriebs- und Konzentrationsschwäche erklären - hier ist etwa der anteriore Gyrus cinguli von Bedeutung. Die Forscher um Douaud weisen jedoch darauf hin, dass es sich bei ihren Resultaten um Mittelwerte handelt - nicht alle Genesenen zeigen solche strukturellen Veränderungen.

Woher die Veränderungen kommen, bleibt weitgehend unklar. Weitere Biobank-Folgeuntersuchungen müssten nun zeigen, ob es sich hier um ein vorübergehendes oder dauerhaftes Phänomen handle, so die Wissenschaftler.

Douaud G et al. Nature 2022