Eine ärztliche Praxisvertretung, die nicht an die Stelle des Inhabers tritt und nach fixem Stundensatz entlohnt wird, ist abhängig beschäftigt und damit sozialversicherungspflichtig, urteilt das Bundessozialgericht.

Das Bundessozialgericht (BSG) konstatiert Sozialversicherungspflicht einer ärztlichen Urlaubs- oder Krankheitsvertretung in Gemeinschaftspraxen. Damit bestätigten die Kasseler Richter eine Rechtsprechung, wie sie vergleichbar bereits in früheren Sozialgerichtsurteilen, etwa zu Honorarärzten in medizinischen Versorgungszentren, stattfand.

Danach ist eine externe ärztliche Vertretung in aller Regel eng in die Arbeitsorganisation einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) eingegliedert und trägt darüber hinaus auch kein eigenes unternehmerisches Risiko. Eine BAG ist damit zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für externe Vertretungsärzte verpflichtet, was Bürokratie und Sozialversicherungskosten erhöht.

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Bei Krankheits- und Urlaubsvertretungen sollte geprüft werden, ob die ärztliche Vertretung sozialversicherungspflichtig ist.

Pauschaler Stundenlohn

Im Streitfall ging es um eine spezialisierte gastroenterologische BAG, die eng mit einer angestellten Oberärztin einer Klinik zusammenarbeitete. Als die angestellte Oberärztin in Elternzeit ging, übernahm sie von da an für ihre niedergelassenen Kollegen deren Urlaubs- und Krankheitsvertretung. In Vertretung führte sie endoskopische Untersuchungen durch, gab Therapieempfehlungen und schrieb Befundberichte. Sie hatte eine eigene Berufshaftpflichtversicherung. Je Vertretungsstunde erhielt sie pauschal 180 €.

An Stelle des Praxisinhabers getreten?

Die Deutsche Rentenversicherung Bund sah darin eine abhängige Beschäftigung. Die Gemeinschaftspraxis müsse hierfür Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Die Oberärztin sei im Vertretungsfall nicht "an die Stelle des Praxisinhabers" getreten. Und: Bei Ausfall eines ärztlichen Kollegen könnten die verbleibenden Inhaber der Vertretung Weisungen erteilen.

Dem widersprachen Oberärztin und Gemeinschaftspraxis. "Niemand würde auf die Idee kommen, einer gestandenen Oberärztin Anweisungen zu geben", so einer der geladenen Praxisinhaber vor Gericht. Sie sei bei ihrer Vertretung selbstständig tätig, entscheide autark über Therapien und Behandlungen und habe die volle Budgetverantwortung. Bei medizinischen Behandlungsfehlern müsse sie Regress leisten.

Das BSG urteilte hingegen, dass die Urlaubs- und Krankheitsvertretungen eine abhängige Beschäftigung darstellten. Zwar übe die Ärztin einen "Dienst höherer Art" aus, der typischerweise nur rudimentär Weisungen anderer Personen unterliege, doch auch bei angestellten Chefärzten bestehe eine eingeschränkte Weisungsgebundenheit. Und diese seien gleichwohl abhängig beschäftigt.

BSG: Unternehmerrisiko fehlt

Hier überwögen die Indizien für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. So sei die ärztliche Vertretung eng in die Praxisorganisation eingegliedert gewesen. Sie behandelte in den Praxisräumen und arbeitete arbeitsteilig mit dem Personal zusammen. Sie nutzte zudem die Betriebsmittel der Praxis. Die Oberärztin sei während ihrer Vertretung auch nicht in die Rechtsstellung des ausgefallenen BAG-Partners eingetreten.

Die Behandlungen rechnete sie nicht selbst mit der Krankenversicherung ab, sondern erhielt von der BAG eine festgelegte Stundenvergütung. Es fehle damit ein "nennenswertes Unternehmerrisiko", das für eine selbstständige Tätigkeit sprechen würde, so das BSG.

Bundessozialgericht, Az.: B 12 R 1/21 R