Unter Sedativa und Hypnotika werden eine ganze Reihe Substanzen zusammengefasst. Aufgrund ihrer besseren Wirksamkeit und viel geringeren Toxizität haben Benzodiazepine und Non-Benzodiazepin-Hypnotika (Z-Drugs) früher eingesetzte Substanzen wie Chloralhydrat, Clomethiazol, Meprobamat und Barbiturate verdrängt.

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Werden Benzodiazepine über einen zu langen Zeitraum eingenommen, kann sich eine erhebliche Toleranz einstellen.

Benzodiazepine: Pharmakologie

Benzodiazepine werden überwiegend oral aufgenommen, manche werden intravenös oder intramuskulär gegeben. Sie werden in der Leber metabolisiert und über die Nieren ausgeschieden (pharmakologische Grundlagen: siehe [1, 4, 5]). Einige Benzodiazepine werden dealkyliert über Cytrochrom P 450, demethyliert und hydroxiliert (z. B. Diazepam) und schließlich glucuronidiert. Andere Benzodiazepine (Oxazepam, Lorazepam, Lormetazepam, Temazepam usw.) werden sofort glucuronidiert und über die Nieren ausgeschieden. Letztere haben kürzere Halbwertszeiten (HWZ). Insgesamt haben viele Benzodiazepine pharmakologisch aktive Metabolite oder sind Pro-Drugs.

GABA-Neurotransmission

Alle Benzodiazepine wirken über den ionotopen GABA-A-Rezeptor. Nach Aktivierung durch GABA erfolgt eine Hyperpolarisation durch den Einstrom von Chloridionen in die Zellen [1, 5]. Damit wird die Aktivierung der Nervenzelle vermindert. GABA ist der mit Abstand wichtigste inhibitorische Neurotransmitter im Zentralnervensystem (ZNS). Die Benzodiazepine wirken über eine spezifische Bindungsstelle (Benzodiazepinrezeptor) auf die GABA-Rezeptoreigenschaften: Die Affinität zu GABA erhöht sich, und damit auch die Frequenz der Kanalöffnung für die Chloridionen. Man kann Benzodiazepine als positiv allo-sterische Modulatoren verstehen. Ihre therapeutische Breite ist ungewöhnlich groß.

Der Benzodiazepinrezeptor hat 16 Untereinheiten. Die sedierenden und antikonvulsiven Eigenschaften werden durch die Untereinheit α1, die muskelrelaxierende und anxiolytische Wirkung durch α2 vermittelt.

Wirkung der Benzodiazepine

Alle Benzodiazepine wirken auf die ein oder andere Weise anxiolytisch, sedierend, schlafanstoßend und muskelrelaxierend. Sie wirken kurz (24 Stunden; u. a. Bromazepam, Chlordiazepoxid, Diazepam, Nitrazepam und Prazepam). Klinisch werden Benzodiazepin-Anxiolytika und -Hypnotika unterschieden. Zu den Benzodiazepin-Anxiolytika zählen

  • Lorazepam (HWZ 9-19 Stunden),

  • Oxazepam (HWZ 4-15 Stunden),

  • Alprazolam (HWZ 10-14 Stunden),

  • Bromazepam (HWZ 15-28 Stunden),

  • Trazepam (HWZ 1-3 Stunden), Hauptmetabolit Desmethyldiazepam (HWZ 80-103 Stunden),

  • Midazepam (HWZ 2,5 Stunden), Desmethyldiazepam (HWZ 80-103 Stunden),

  • Dikaliumclorazepam (HWZ 2-2,5 Stunden), Metabolite: Desmethylclorazepam und Oxazepam (HWZ 4-15 Stunden),

  • Clonazepam (HWZ 32-42 Stunden), Metabolit: Desmethylclonazepam (HWZ 71-82 Stunden),

  • Chlordiazepoxid (HWZ 6-38 Stunden), Metabolite wie Desmethyldiazepam (HWZ bis 103 Stunden),

  • Diazepam (HWZ 30-56 Stunden), Metabolite: Desmethyldiazepam, Oxazepam (bis 103 Stunden).

Zu den Hypnotika zählen Flurazepam (HWZ 48-96 Stunden), Flunitrazepam (HWZ 20-30 Stunden), Midazolam (2-3 Stunden, Nitrazepam (HWZ 15-40 Stunden), Temazepam (HWZ 10-20 Stunden). Diazepam ist ein Anxiolytikum, wirkt aber auch sehr sedierend.

Lorazepam und Oxazepam haben keine pharmakologisch aktiven Metaboliten. Die anderen Benzodiazepine haben teils außergewöhnlich lange HWZ und sind lange im Körper nachweisbar. Grundsätzlich sind bei Leber- und Niereninsuffizienz daher vor allem Lorazepam und Oxazepam indiziert, da sie nicht verzögert ausgeschieden werden.

Benzodiazepine sind kaum organtoxisch, es gibt aber Hinweise, dass Langzeitkonsum zu kognitiven Störungen und eventuell Demenzen führen kann [6, 7, 8]. Bei Älteren sind Sedierung, muskuläre Hypotonie, Ataxie und Sturzneigung gefürchtete Komplikationen. Gerade bei ihnen kann es auch zu paradoxen Wirkungen kommen, wie Agitiertheit, Erregung oder Schlaflosigkeit. Wegen der veränderten Verstoffwechselung und der deutlich verlängerten HWZ ist auch eine Entzugsbehandlung sehr langsam vorzunehmen, und die Indikation zur Benzodiazepingabe ist zurückhaltend zu stellen. Deswegen sind bei Älteren im Entzug eher Substanzen mit kürzerer HWZ einzusetzen, um das Risiko zu hoher Benzodiazepinspiegel zu vermeiden.

Einsatzgebiete von Benzodiazepinen und Z-Drugs

Benzodiazepine werden seit den frühen 1960er-Jahren eingesetzt - zum Teil wurden sie auch damals schon zum "recreational use" gebraucht, wie die Rolling Stones wussten ("Mother´s little Helpers", 1966):

"Mother needs something today to calm her down

And though she's not really ill

There's a little yellow pill

She goes running for the shelter of a mother's little helper

And it helps her on her way, gets her through her busy day".

Benzodiazepine haben ein breites Einsatzgebiet. Anxiolytika und Tranquilizer werden bei Angststörungen, innerer Unruhe, Agitation, aber auch zur Behandlung von Entzugssyndromen (Alkohol) und Delirien verwendet. Sie sind auch antiepileptisch wirksam []. Außerdem werden Benzodiazepine zur Prämedikation in der Anästhesie und vor diagnostischen oder therapeutischen Eingriffen eingesetzt (z. B. Midazolam). Sie werden auch häufig als Komedikation bei Depressionen verordnet. Metaanalysen zufolge ist diese Kombination aber nur zu Beginn der Depressionsbehandlung sinnvoll []. Im Langzeitverlauf unterscheiden sich die Therapieergebnisse bei Patienten mit und ohne Benzodiazepinbehandlung nicht []. Benzodiazepine wirken nicht analgetisch, werden jedoch oft bei psychosomatischen Störungen (chronischen Schmerzsyndromen) eingesetzt. Eine Indikation gibt es aber nur beim seltenen "burning mouth syndrome" und beim "stiff person syndrome" [].

Ob verschiedene Benzodiazepine ein unterschiedliches Missbrauchspotenzial haben, ist kontrovers. Diskutiert wurde zum Beispiel ein höheres Missbrauchspotenzial von Anxiolytika wie Alprazolam. Lader et al. [13] sehen es bei kurzwirksamen Benzodiazepinen. Letztlich ist dies unklar. Herausragend ist aber das Suchtpotenzial des starken Hypnotikums Flunitrazepam, das früher in der Drogenszene eine große Rolle spielte.

Z-Drugs hingegen werden nur gegen Schlafstörungen eingesetzt. Auch sie wirken über GABAerge Rezeptoren [14]. Zolpidem ist ein Agonist am GABA-A-Rezeptor, mit hoher Affinität zur α1-Untereinheit des GABA-A-Benzodiazepinrezeptors [5]. Zaleplon wurde vom Markt genommen. Außerdem sind Zopiclon und Eszoplicon als Hypnotika verfügbar. Ebenso wie Benzodiazepine werden Z-Drugs nur zur Kurzzeitbehandlung empfohlen. Wie auch andere Hypnotika bergen sie ein Risiko für kognitive Beeinträchtigungen, Stürze und Unfälle.

Zur Neurobiologie der Benzodiazepinsucht liegen interessante Befunde vor. So wurde gezeigt, dass Benzodiazepine, ähnlich wie andere Drogen, indirekt zu einer Dopaminausschüttung im mesolimbischen Belohnungssystem führen [15]. Die Aktivierung von GABA-Rezeptoren führt zu einer Dopaminausschüttung im mesolimbischen Bereich [16]. Eine Reihe von Untersuchungen ergab, dass die α1-Untereinheit des GABA-A-Rezeptors für die Entwicklung einer physiologischen Abhängigkeit von Benzodiazepinen eine entscheidende Rolle spielt.

Nebenwirkungen der Benzodiazepine

Benzodiazepine sind sehr sichere, wenig toxische Medikamente. Tödliche Monointoxikationen sind sehr selten. Problematisch ist speziell für Hypnotika ein Hangover am nächsten Morgen. Gerade bei Älteren geht dies mit einem Risiko für Stürze und Unfälle einher. Auch die Fahrtauglichkeit ist beeinträchtigt. Ein Kognitionsabbau bei Benzodiazepinlangzeitmedikation wird diskutiert. Es gibt einige Befunde in diese Richtung [6].

Definition der Medikamentenabhängigkeit

Für schädlichen Gebrauch oder Missbrauch und Abhängigkeit von Benzodiazepinen gelten dieselben diagnostischen Grundlagen wie für andere Suchterkrankungen. In ICD-10 wie auch ICD-11 werden schädlicher Gebrauch und Abhängigkeit unterschieden [1, 17]. Die ICD-11 definiert "harmful use" über das Vorliegen psychischer oder körperlicher Folgeschäden oder "harm to the health of others" und hält am Konstrukt Abhängigkeit fest, auch wenn weniger Kriterien explizit genannt werden. Dagegen hat das DSM-5 [18] die kategoriale Unterscheidung von Missbrauch und Abhängigkeit aufgegeben und ein dimensionales Konzept für Suchterkrankungen eingeführt. Elf Kernsymptome wurden definiert, die man in ähnlicher Form auch aus der ICD-10 kennt. Sind zwei oder drei der diagnostischen Symptome erfüllt, wird von einer milden, bei vier bis fünf von einer moderaten, bei sechs oder mehr von einer schweren Substanzgebrauchsstörung gesprochen.

Sowohl ICD-11 als auch DSM-5 legen für legale wie illegale Süchte dieselben diagnostischen Kriterien zugrunde. Toleranzentwicklung, Kontrollverlust oder Suchtverlangen (Craving) gibt es bei all den verschiedenen Störungen, die weiteren psychosozialen Folgeschäden und Verhaltensmerkmale unterscheiden sich bei Medikamentenabhängigkeit allerdings erheblich.

Benzodiazepinabhängigkeit

Auseinanderzuhalten sind Rebound-Symptome (Wiederauftreten von Symptomen) und Entzugssymptome. In der S3-Leitlinie "Medikamentenbezogene Störungen" werden eine Reihe von spezifischen und unspezifischen Symptomen definiert, die für eine Abhängigkeitsentwicklung von Medikamenten sprechen (siehe Infobox 1). Typische psychische und Verhaltensmerkmale von Benzodiazepinmissbrauch sind von Ashton et al. [19, 20, 21] und Lader et al. [22, 23, 24] skizziert worden (siehe Infobox 2).

Prävention

Therapierichtlinien empfehlen nur eine allenfalls mehrwöchige Behandlung mit Benzodiazepinen oder Z-Drugs [1]. Das Risiko für Toleranzentwicklungen, Dosissteigerungen, physische und psychische Abhängigkeit ist sonst hoch. Zur Prävention gilt die 5-K-Regel [25]:

  • klare Indikation,

  • kleinstmögliche Dosis,

  • kürzest möglicher Zeitraum,

  • kein abruptes Absetzen (langsames Ausschleichen),

  • Kontraindikationen beachten.

Epidemiologie

Die Studienlage zur Häufigkeit von Missbrauch und Abhängigkeit von verschreibungspflichtigen Medikamenten ist begrenzt. In Deutschland wurde die Zahl der Betroffenen auf 1,2-1,5 Millionen Menschen geschätzt [1, 4, 26, 27]. International sind die verfügbaren Datenquellen ergiebiger. So ist von 1999-2014 der Konsum von Benzodiazepin- und Non-Benzodiazepin-Hypnotika in den USA deutlich gestiegen [28], vor allem aufgrund häufigerer Langzeitanwendungen. In den USA nehmen 12,5 % der Erwachsenen im Jahr Benzodiazepine ein, 2,1 % missbrauchen sie. 1,5 % haben eine Benzodiazepinkonsumstörung. Komorbid liegen oft ein weiterer Substanzkonsum, Suizidalität, psychische Störungen (Angst, Depression) vor. Eine Studie aus Japan zeigt, dass 10 % der Patienten mit Erstverschreibungen von Hypnotika diese auch nach zwölf Monaten noch einnehmen [29].

Die Verschreibung von Benzodiazepinen zu Lasten der Krankenkassen ist in den letzten Jahren deutlich gesunken - bei gleichzeitigem Anstieg der Rezeptierungen mit Privatrezepten, was okkulte Missbrauchsfälle suggeriert. Die Verschreibungen von Z-Drugs hat zugenommen [30], auch international. Besonders häufig und problematisch ist ein Benzodiazepingebrauch über lange Zeit bei Patienten mit chronischen Schmerzerkrankungen. Benzodiazepine sind keine Analgetika! Daten aus Frankreich zeigen, dass zirka 30 % der Hypnotika-verschreibungen und 20 % für Anxiolytika nicht leitliniengerecht sind [31].

Ein systematisches Review berichtet für die USA eine Missbrauchs- und Abhängigkeitsrate von Benzodiazepinen und Tranquilizern von 2,2 % [32]. International wurden entsprechend Raten von 2,2 % gefunden [33]. Es ist umstritten, ob das Missbrauchspotenzial von Z-Drugs kleiner als das von Benzodiazepinen ist. Letztlich kommt es auch hier zu Sucht und Hochdosisabhängigkeiten.

Risikofaktoren

Es ist durchgehend gezeigt worden, dass im Gegensatz zu anderen Suchtformen Frauen deutlich überrepräsentiert sind, außerdem Ältere [34, 35]. Angst und Depression sind weitere Risikofaktoren, zudem Schlafstörungen und andere Suchterkrankungen [36, 37]. Das gilt besonders bei Opiatabhängigkeit [38, 39, 40], wo es häufig zu tödlichen Mischintoxikationen kommt [41]. Auch die Haltequote in der Substitutionsbehandlung bei gleichzeitigem Benzodiazepinkonsum ist kleiner [42]. Alkohol plus Benzodiazepine sind Risikofaktoren für tödliche Opiatintoxikationen, die Food and Drug Administration (FDA) hat davor gewarnt.

Diagnostik der Benzodiazepinabhängigkeit

Für die Diagnosesicherung ist eine sorgfältige (Fremd-)Anamnese wichtig (siehe Infobox 3). Toxikologische Urinkontrollen können den Missbrauch auch anderer Substanzen verifizieren. Die quantitative Bestimmung der Plasmakonzentration bei Benzodiazepinabhängigkeit ist nicht üblich. Haaranalysen sind nur bei forensisch relevanten Fragestellungen angezeigt.

Das klinische Bild ist vielgestaltig und ähnelt dem bei anderen Hypnotika und Sedativa. Toleranzentwicklungen und Dosissteigerungen sind sehr häufig und markant, wobei es aber auch zu einer sogenannten Niedrigdosisabhängigkeit (low dose dependence), also einer Abhängigkeit ohne Dosis- und Toleranzsteigerung kommen kann. Die ursprüngliche Indikation verliert an Bedeutung, Angst vor Entzugserscheinungen tritt hinzu, Hypnotika werden etwa schon morgens oder über den Tag genommen, um funktionsfähig zu bleiben, oder um Entzugssymptomen vorzubeugen.

Klinische Folgen und Korrelate von Benzodiazepinmissbrauch oder -abhängigkeit sind Suizidalität, zum Teil Dissozialität und Kriminalität, geringe Lebensqualität, schlechte Compliance und ungünstiger Verlauf von Suchterkrankungen [33].

Das Benzodiazepinentzugssyndrom ist auf eine verminderte Funktion (Downregulation) des GABAergen Systems und einer vermehrten Freisetzung exzitatorischer Neurotransmitter zurückzuführen. Pathognomonische Befunde gibt es nicht, aber eine Reihe von typischen Symptomen, wie zum Beispiel Überempfindlichkeit für Licht, Geräusche und Berührungen. Überhaupt sind Wahrnehmungs- und Perzeptionsstörungen typisch für den Benzodiazepinentzug. Sehr häufig sind Unruhe, Angst, Hyposomnie, Agitation, Stimmungsschwankungen und Depressionen. Bei hohen Dosen und plötzlichem Entzug kann es zu epileptischen Anfällen kommen. Deutlich seltener sind Psychosen und Delire. Ältere Patienten sind durch Verletzungen, Stürze und kognitiven Abbau besonders gefährdet. Auch für Z-Drugs sind Entzugserscheinungen beschrieben worden. Die wichtigsten Symptome sind in Infobox 4 zusammengefasst.

Differenzialdiagnosen

Die Differenzialdiagnosen umfassen zahlreiche neurologische und somatische Erkrankungen, darunter

  • Entzug von Alkohol, Drogen, Medikamenten,

  • Epilepsie,

  • Hirntraumata, Enzephalitis,

  • Delirien anderer Genese (metabolisch, toxisch),

  • affektive Erkrankungen,

  • andere psychiatrische Erkrankungen (Angst, bipolare Störung, Schizophrenie),

  • je nach klinischem Erscheinungsbild Herzinfarkt, Schlaganfall usw.

Behandlung der Benzodiazepinabhängigkeit

Es gibt zu dem Thema eine Reihe von Reviews, Metaanalysen, evidenzbasierten Leitlinien [1, 2, 4, 25, 43, 44, 45] und Cochrane-Analysen [43]. Es ist offensichtlich, dass abruptes Absetzen von Benzodiazepinen, speziell nach Langzeitgabe und bei hohen Dosen, zu schweren Entzugssymptomen führen kann. Gefährlich sind insbesondere epileptische Anfälle, Entzugspsychosen und suizidale Krisen. In jedem Fall ist das schrittweise Absetzen von Benzodiazepinen ("tapering off") über Wochen bis Monate entscheidend. Bei zu raschem Absetzen sind die Entzugssymptome subjektiv oft unerträglich. Dagegen verläuft ein zu langsamer, betont vorsichtiger Entzug für den Patienten gefühlt endlos, und die Compliance sinkt. Es ist sinnvoll, eine bestimmte Behandlungsdauer (z. B. sechs Wochen) initial abzusprechen, damit die Entzugsbehandlung nicht zum Lebensinhalt, einem "morbid focus" des Patienten wird [13]. Oft wird eine 25 %ige Reduktion alle ein bis zwei Wochen empfohlen. Ob Benzodiazepine mit längerer HWZ im Entzug Vorteile bieten, ist bisher ungeklärt [2]. Die S3-Leitlinie empfiehlt eher den Umstieg auf kurz- bis langwirksame Benzodiazepine. Beim Entzug von mehreren Substanzen ist die Umstellung auf eine langwirkende Substanz, zum Beispiel Diazepam, als Monomedikation besonders sinnvoll. Dagegen ist bei älteren Patienten, gegebenenfalls mit eingeschränkter Leber- und Nierenfunktion, die Gabe kurz- bis langwirksamer Benzodiazepine zu bevorzugen.

Für die Entzugsbehandlung der Benzodiazepinabhängigkeit sind keine Medikamente zugelassen. In ihrer Übersicht fanden Welsh et al. [46] kaum Anhaltspunkte für die Wirksamkeit von bestimmten Substanzen beim Benzodiazepinentzug. Bei Schlafstörungen werden sedierende Antidepressiva, etwa Trizyklika, oder auch Antihistaminika empfohlen [47]. Mindestens ebenso wichtig ist eine gute Schlafhygiene. Empfohlen werden beispielsweise Trazodon, Doxepin, Mirtazapin und Trimipramin in niedriger Dosis. Allerdings zeigte eine Cochrane-Analyse zur Effizienz von Antidepressiva bei Insomnie (23 Studien) nur einen begrenzten Effekt [48]. Antidepressiva werden auch zur Behandlung begleitender Angst und Depression eingesetzt [49].

Deutlich dürftiger ist die Datenbasis für Carbamazepin [50] oder Gabapentin, das selbst ein gewisses Missbrauchspotenzial hat, allerdings deutlich geringer als etwa Pregabalin [25]. Pregabalin wurde im Benzodiazepinentzug in Dosen von 150 bis 600 mg gegeben [51]. Für den GABA-B-Agonisten Baclofen liegen bislang nur vereinzelt Befunde vor [52]. Wenig zuversichtlich stimmen auch die Befunde für Melatonin oder melatonerge Substanzen [53]. Auch Betablocker [54] oder Valporat [55] sind allenfalls Second-line-Medikamente. Valproat, Carbamazepin und Pregabalin nennt auch die S3-Leitlinie.

Für Benzodiazepinintoxikationen steht der Antagonist Flumazenil als rasch wirksames intravenöses Antidot zur Verfügung. Flumazenil wurde auch zur "rapid detoxification" als Dauerinfusion bei Benzodiazepinabhängigkeit eingesetzt [56, 57, 58]. Gegen diese sehr experimentellen Anwendungen gibt es Sicherheitsbedenken, etwa aufgrund des Risikos epileptischer Anfälle.

Psychotherapie

Am Anfang stehen immer die Diagnostik und das Verständnis des Bedingungsgefüges, das zu der Medikamentenabhängigkeit geführt hat. Der erste Schritt ist, das (Sucht-)Problem zu erkennen und, wenn nötig mehrfach, anzusprechen sowie Behandlungsoptionen vorzuschlagen [20]. Recht gut belegt ist die Wirksamkeit von Brief Interventions [59, 60]. Sie erfolgen beim Hausarzt, in Ambulanzen, oder im Krankenhaus. Letztlich ist auch die Apotheke als "therapeutische Endstrecke" ein guter Ort für solche Interventionen. Das Spektrum reicht vom persönlichen Ratschlag über schriftliches Material (Flyer) zu den Hintergründen, Folgen und Risiken des Konsums bis zur Vermittlung weiterführender Therapien. Adressen von Beratungsstellen oder Therapeuten sind hilfreich. Viele Interventionen erfolgen im Primary-Care-Bereich. Die Effizienz solcher Interventionen ist gut belegt [61], auch durch Metaanalysen [60, 62]. Je individueller der therapeutische Ansatz, desto aussichtsreicher ist er. Wichtig sind psychoedukative Elemente mit Hinweisen über die gesundheitlichen und sozialen Folgen sowie die Effizienz eines schrittweisen Absetzens.

Psychosoziale Therapien

Die Psychotherapie bei Abhängigkeit von Hypnotika und Tranquilizern basiert auf den Grundlagen der Therapie anderer Suchterkrankungen [1]. In vielen Fällen liegt eine komorbide psychische Störung vor, die fachgerecht zu behandeln ist. Auch der Behandlungskontext und weitere Setting-Effekte sind wichtig. Die meisten Patienten werden nicht im eigentlichen Suchthilfesystem, sondern eher beim Hausarzt, Psychiater oder in psychosomatischen Kliniken behandelt.

Die Anzahl kontrollierter Studien dazu ist begrenzt [63, 64, 65, 66, 67, 68, 69]. Zudem finden sich unter der Diagnose Benzodiazepinabhängigkeit sehr heterogene Patienten. Insgesamt ist Psychotherapie bei Patienten mit Benzodiazepinabhängigkeit jedoch wirksam. Zentrale Therapieelemente sind Psychoedukation, Motivationale Therapien, Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) und Rückfallprävention.

Psychoedukation

Wichtige Pfeiler der Psychotherapie sind das Wissen und das Verständnis bezüglich der Grunderkrankung, wegen der die Benzodiazepine verordnet wurden, deren alternative Behandlungsmöglichkeiten und vor allem über Wirkungen und Risiken von Benzodiazepinen [66]. Die Wirksamkeit von Psychoeduktion bei Medikamentenabhängigkeit ist belegt.

Motivationale Therapien

Wissensvermittlung und Aufklärung reichen aber nicht. Dem transtheoretischen Model von Prochaska und DiClemente [70] folgend, wurde das Motivational Interviewing als Basismethode in der Suchttherapie entwickelt [71]. Das Für und Wider bestimmter Verhaltensweisen wird thematisiert, der Therapeut nimmt eine empathische Grundhaltung ein. Für die Therapie von Medikamentenabhängigen liegen nur wenige Befunde vor.

Kognitive Verhaltenstherapie

KVT ist eine Basismethode in der Therapie von Suchterkrankungen und intensiv untersucht [68, 72, 73]. Bei Benzodiazepinabhängigkeit kommt beispielsweise der Analyse der Funktion des eingenommenen Medikaments, Umgang/Coping mit Stress, negativen Emotionen oder psychovegetativen Beschwerden eine große Rolle zu. Selbstwirksamkeitsstrategien ("Ich schaffe es auch, ohne zur Pille zu greifen") werden vermittelt, die Zuversicht, bei (auch nur antizipierten) Beschwerden auch ohne Medikament fertigzuwerden, gestärkt. Auch der Umgang mit Risikosituationen wird vermittelt. Morgan et al. konnten die Wirksamkeit von KVT bei Insomnien in einer randomisierten kontrollierten Studie zeigen [74].

Bei Benzodiazepinabhängigkeit wird KVT plus motivationale Therapie empfohlen. Außerdem spielen Therapien, die den Umgang mit Stress verbessern, eine große Rolle, darunter Entspannungsverfahren wie progressive Muskelrelaxation, autogenes Training, Atemtechniken, gegebenenfalls Biofeedback.

Ergebnisse der Therapieforschung

Eine Cochrane-Analyse [43] zeigte die Effizienz des "motivational enhancement" [71] gegenüber Standardtherapie und KVT während der Benzodiazepinreduktion. Eine weitere Metaanalyse zeigte die Wirksamkeit von Psychotherpie bei älteren Patienten mit Benzodiazepinentzug [75]. Psychoedukation plus Psychotherapie sind effizient. Leider liegen nur wenige Langzeituntersuchungen zum Therapieerfolg bei Benzodiazepinabhängigkeit vor [76, 77, 78].

Insgesamt ist die Prognose nach erfolgreichem Entzug bei Langzeitkonsum von Benzodiazepinen nicht schlecht. Ältere Untersuchungen von Rickels et al. [76] zeigten eine 73 %ige Abstinenzrate nach 2-5 Jahren. Andere Katamnesen haben deutlich ungünstigere Ergebnisse gezeigt, während Ashton [19] sogar eine 85 %ige Abstinenz berichtete. De Gier et al. [65] fanden nach "minimal interventions" eine Abstinenzrate von 59 %.

Bei der großen Gruppe älterer Patienten mit Benzodiazepinabhängigkeit ist ein besonders behutsames Vorgehen angezeigt [79, 80], die Indikation zum Entzug ist genau zu prüfen. Ein besonders behutsamer Abbau wird empfohlen.

Fazit für die Praxis

Benzodiazepine wirken über den inhibitorischen GABA-Rezeptor und werden klinisch vor allem als Anxiolytika und Hypnotika eingesetzt. Bei indikations- und leitliniengetreuer Anwendung sind Benzodiazepine und Z-Drugs sehr effektive und sichere Medikamente [81]. Ihre Risiken liegen im psychiatrischen Bereich. Eine Langzeitanwendung kann zu erheblicher Toleranz, Dosissteigerungen, physischer und psychischer Abhängigkeit, Kontrollverlust und Entzugssymptomen führen, weshalb die Prävention (genaue Indikationsstellung, kurze Behandlungsdauer, kleine Packungsgrößen) so wichtig ist.

Risikofaktoren für eine Suchtentwicklungen sind andere Suchterkrankungen, psychische und psychosomatische Erkrankungen wie Angst- und Schlafstörungen sowie chronische Schmerzerkrankungen. Zu den Risikogruppen zählen zudem medizinisches Personal, Frauen und ältere Menschen. Besonders oft bekommen jedoch ältere Patienten Benzodiazepine verschrieben, konträr zu allen Therapie- und Leitlinienempfehlungen.

Bei Benzodiazepinabhängigkeit ist ein langsamer, schrittweiser Entzug über mehrere Wochen, manchmal sogar Monate sinnvoll. Die Effizienz des "tapering off" ist gut belegt. Als Komplikationen des Entzugs können epileptische Anfälle, Psychosen und Delir auftreten. Das Entzugssyndrom basiert auf einer zentralen Übererregbarkeit und geht mit Depression, Agitation, innerer Unruhe sowie Perzeptions- und Schlafstörungen einher. Die weitere Therapie ist symptomorientiert und pragmatisch.

Die Behandlung von benzodiazepinabhängigen Patienten erfolgt meist eher in psychiatrischen Einrichtungen, oder überhaupt im Primary-Care- Bereich, als in Suchtfachkliniken. Im Rahmen der Psychotherapie spielen Psychoedukation, KVT, motivationale Therapien und Entspannungsverfahren sowie andere Therapien zur Stressbewältigung klinisch eine wichtige Rolle. Die Wirksamkeit von Kurzzeitinterventionen (Brief Interventions) bei Benzodiazepinabhängigkeit ist gesichert. Eine adjuvante Pharmakotherapie kann, trotz dünner Evidenzlage, helfen. Am ehesten sind Antidepressiva sinnvoll.

Die psychische Grunderkrankung, wenn vorhanden, ist fachgerecht zu behandeln. Vieles spricht für integrative Therapieansätze. Die wenigen Therapiestudien zeigen, dass die Prognose bei einmal erreichter Medikamentenfreiheit nicht schlecht ist.

Herausgeber der Rubrik CME Zertifizierte Fortbildung: Prof. Dr. med. J. Bogner, München, Prof. Dr. med. H.J. Heppner, Schwelm, Prof. Dr. med. K. Parhofer, München