Damit Patienten bei ihrer Behandlung mitwirken, benötigen sie regelmäßige Rückmeldung von ihren Ärzten. Nun soll eine App Befunde und Befinden zusammenbringen - das persönliche Gespräch mit dem behandelnden Arzt bleibt dabei weiterhin unabdingbar.

Wenn Patienten ins Krankenhaus müssen, weil sie operiert werden, sind sie oft aufgeregt, schlafen schlecht oder machen sich Sorgen. Nicht immer trauen sie sich, den Ärzten von ihren Ängsten zu berichten. Daher wissen die Mediziner häufig nichts vom Befinden der Betroffenen. Zudem bleibt ihnen im Praxisalltag oft zu wenig Zeit, um regelmäßig nachzufragen.

Dabei könne eine gute Patientenkommunikation zur Adhärenz beitragen und den Heilungsprozess beschleunigen, ist der Psychologe und Pädagoge Dr. Thomas Anton Weis überzeugt. Um Verständnis und die Einsicht für bestimmte Maßnahmen zu wecken, sollten Mediziner Schmerzen und Ängste ihrer Patienten deshalb unbedingt ernst nehmen.

Weis beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten und der richtigen Gesprächsführung in der Praxis. "Subjektive Empfindungen wie Schmerzen, Stress und Angst spielen dort nur eine untergeordnete Rolle. Ärztinnen und und Ärzte schauen in erster Linie auf die Diagnose", sagt er.

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© Andy Dean / Fotolia (Symbolbild mit Fotomodellen)

Patienten können ihr Befinden digital in der PIATO-App dokumentieren und mit einem Arzt besprechen.

Ganzheitlicher Blick auf die Patienten

Gemeinsam mit der Klinikberaterin und Gesundheitsökonomin Dr. Ulrike Fessel-Denk hat der Psychologe die indikationsunabhängige App PIATO entwickelt. Die Anwendung nehme im Gegensatz zu gängigen Gesundheits-Apps den Patienten ganzheitlich in den Blick: Digitales Befindensmanagement und analoger Austausch gingen dabei Hand in Hand.

Ziel der App ist es, Befunde und Befinden zusammenzubringen und Behandler darin zu unterstützen, Patienten über deren Befinden zu aktiveren. Die App vermerkt nicht nur regelmäßig bestimmte Befunde und Vitalwerte, sondern zusätzlich auch Befinden wie Schmerzen und Ängste der Patienten. Durch die Dokumentation lernen Patienten, sich differenzierter zu äußern. Gerade wenn sich Schmerzen physisch nicht fassen ließen, sei dies durchaus aufschlussreich, erklärt Fessel-Denk.

Früher hätten Pflegekräfte täglich mit viel Zeitaufwand die Krankenzimmer abklappern müssen, um herauszufinden, wie es den Patienten gehe, sagt sie. "Nun liegt ein kompletter Schmerzverlauf vor, ohne dass Ärzte und Pflegepersonal dafür etwas tun müssen."

Entscheidend sei, dass ein Feedback durch Ärzte und Pflegekräfte erfolge und damit Impulse für die weitere Behandlung gesetzt würden, so Fessel-Denk. Die Mediziner haben die Möglichkeit, direkt in der App zu reagieren. Um den Patienten beispielsweise die Angst vor einem Eingriff zu nehmen, könnten sie auf verschiedene Materialien verweisen, wie Erklärvideos, Infotexte oder Anti-Stress-Übungen, die in der App hinterlegt sind. Alternativ können die Patienten auch in die Praxis kommen, wo dann das weitere Vorgehen besprochen wird.

Schwellenwerte als Richtschnur

Doch woher wissen Ärzte, wann ein digitales Feedback ausreicht oder ob ein persönliches Gespräch notwendig ist? "Es können Schwellenwerte festgelegt werden, die anzeigen, in welchem Fall die Ärzte handeln sollten", erläutert Fessel-Denk.

In der App liefert ein Schmerzbarometer Anhaltspunkte, wie stark die Beschwerden der Betroffenen sind. Dabei geben die Patienten über einen Schieberegler die Schmerzstärke an. "Liegt diese bei vier oder mehr, ist eine medikamentöse Behandlung angezeigt, damit der Schmerz nicht chronisch wird."

Weis und Fessel-Denk setzen bei ihrem Projekt auf vier Stufen: Die Ärzte aktivieren die Patienten zum Mitmachen, diese monitoren ihr Befinden, die Ärzte integrieren diese Befunde wiederum in ihre Praxissoftware. "Am Ende haben die Patienten ihre Kompetenzen und ihr Wissen erweitert, das hat einen positiven Einfluss auf den Heilungsprozess", betonen sie.

PIATO wird derzeit an zwei Kliniken erprobt, dabei testen rund 80 Patienten sowie eine Handvoll Ärzte und Pflegekräfte die App.