Die Palette medikamentöser Optionen bei CED wird in den kommenden Jahren vielfach ergänzt werden. Unklar bleibt bislang die optimale Therapiesequenz. Biomarker sind dringend erwünscht.

Für Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) sind nach Einschätzung von Prof. Britta Siegmund, Berlin, in den kommenden drei Jahren eine Reihe von Medikamentenzulassungen zu erwarten.

Diese werden von Gastroenterologen auch deshalb dringend benötigt, weil bei Notwendigkeit einer Biologika-Therapie, trotz primär hoher Ansprechraten auf TNF-alpha-Inhibitoren, bereits im ersten Behandlungsjahr nicht selten ein Therapieversagen eintritt. Zweitens verändere die medikamentöse Therapie mit Biologika auch die Krankheitsbiologie, erklärte die Gastroenterologin bei der Jahrespressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen (DGVS) im Mai 2021. Auch aus diesem Grunde brauche es Alternativen.

Was kommt nach anti-TNF?

Derzeit kommt für CED-Kranke mit unzureichend oder nicht wirksamer anti-TNF-Behandlung zum Beispiel die Anti-Integrin-Strategie infrage. Mit Vedolizumab, einem alpha-4-beta-7-Antikörper, und mit Ustekinumab, einem IL-12/IL-23-Antikörper, wird die Infiltration von Entzündungszellen in den Darm verhindert. Analog zur Dermatologie und Rheumatologie werden voraussichtlich mehrere IL-23-Antikörper die Zulassung für Morbus Crohn und Colitis ulcerosa erhalten, erklärte Siegmund.

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Neue Substanzklassen, Arznei-Kombis: Forscher testen neue Therapien für CED-Patienten.

Zulassung weiterer JAK-Inhibitoren in Kürze erwartet

In näherer Zukunft erwartet wird außerdem die Zulassung weiterer JAK (Januskinase)-Inhibitoren. JAKs sind intrazelluläre Tyrosinkinasen, die Entzündungssignale weiterleiten. Aktivierte JAK-Proteine rufen Entzündungsreaktionen hervor oder verstärken diese. Mit Tofacitinib steht derzeit bereits ein JAK-1/JAK-3-Hemmer für Colitis-ulcerosa-Patienten zur Verfügung. Ein wichtiger Vorteil: Es handelt sich um kleine Moleküle (small molecules), die in oraler Galenik hergestellt und verabreicht werden können. Die Wirkung tritt innerhalb von Tagen ein. Allerdings ist die Tofacitinib-Behandlung mit einem erhöhten thromboembolischen Risiko und einem erhöhten Herpes-zoster-Risiko assoziiert. Von spezifischen Inhibitoren, die lediglich JAK-1 hemmen wie Upadacitinib und Filgotinib, erhoffen sich Gastroenterologen eine verbesserte Verträglichkeit sowie außerdem die Zulassung auch für Morbus Crohn. Beide Substanzen befinden sich bereits in Phase-III-Studien.

Eine neue Substanzklasse sind Sphingosin-1-Phosphat (S1P)-Rezeptor-Modulatoren. Sie werden bislang nur bei Multipler Sklerose eingesetzt. S1P-Rezeptor-Modulatoren sind ebenfalls small molecules. Sie verhindern den Austritt von Entzündungszellen aus den Lymphknoten, es handelt sich also um eine funktionelle Inaktivierung der Lymphozyten. Für Ozanimod sind bei Kongressen bereits Phase-III-Daten für Colitis ulcerosa (CU) und Morbus Crohn vorgestellt worden. Etrasimod hat in einer Phase-II-Studie bei CU-Patienten zu deutlichen Verbesserungen im Vergleich zu Placebo geführt.

"Die Herausforderung der nächsten Jahre wird es sein, die Sequenz der Medikamente anhand von Klinik, Risikofaktoren, extraintestinalen Manifestationen und hoffentlich auch Biomarkern zu steuern", erklärte Siegmund. Die klinische Erfahrung zeigt, dass CED-Patienten auf die erste Therapie meist am besten ansprechen. Nach dem ersten Therapieversagen muss dann mit höherer Wahrscheinlichkeit mit dem Versagen weiterer Medikamente gerechnet werden. Siegmund: "Es wäre eleganter, primär zu definieren, welcher Signalweg bei welchen Patienten eine Rolle spielt, um von vornherein das für den Patienten am besten geeignete Medikament anwenden zu können."

Kombitherapien als Option

Seit Jahren empfohlen und praktiziert wird die Kombinationstherapie von TNF-Hemmer und einem Immunsuppressivum wie Azathioprin. Damit soll verhindert werden, dass das Ansprechen auf die TNF-alpha-Inhibition nachlässt und dass sich Antikörper gegen den TNF-alpha-Hemmer bilden.

Ansonsten werden Kombinationstherapien vor allem von extraintestinalen Manifestationen bei CED getrieben, etwa Spondyloarthropathien, Arthritiden, Uveitis oder primär sklerosierende Cholangitis. "Dreißig Jahre nach der Diagnose hat jeder zweite CED-Patient eine extraintestinale Manifestation", sagte Prof. Raja Atreya, Erlangen, beim diesjährigen Internistenkongress. Hierbei gilt es, geschickt die antiinflammatorischen Therapieoptionen für die Krankheitsmanifestationen aufeinander abzustimmen.