Niedrig dosiertes Morphin lindert deutlich die Beschwerden von COPD-Patienten mit moderater bis schwerer Atemnot - ohne den CO2-Partialdruck merklich zu erhöhen.

Bei Opioiden denken viele Ärzte an Atemdepression, doch niedrig dosiert sind solche Medikamente in der Lage, eine chronische Atemnot zu lindern, und werden daher häufig palliativ eingesetzt, berichten Experten um Dr. Cornelia Verberkt vom Ciro-Therapiezentrum in Horn in den Niederlanden. Zum Nutzen-Risiko-Verhältnis bei ausgeprägter COPD ist die Datenlage bisher uneinheitlich, einige Studien konnten keine Linderung der Atemnot erkennen, andere nur bei besonders schwer betroffenen Patienten. Immerhin haben bisherige Studien auch keine Hinweise auf respiratorische Nebenwirkungen ergeben, allerdings seien die Untersuchungen meist nur sehr klein gewesen und hätten relevante respiratorische Parameter nicht konsequent erfasst. In einer eigenen randomisiert-kontrollierten Untersuchung mit 111 Patienten kommen die Ärzte um Verberkt zu dem Schluss, dass die Behandlung tatsächlich COPD-Beschwerden deutlich lindert, und zwar ohne relevante respiratorische Nebenwirkungen.

figure 1

© Jeanette Dietl / stock.adobe.com (Symbolbild mit Fotomodell)

Bei Atemnot lassen sich die Beschwerden mit Morphin deutlich lindern.

An der Studie mit der Bezeichnung MORDYC* nahmen COPD-Kranke teil, die trotz optimaler Therapie eine moderate bis schwere Atemnot aufwiesen (mMRC-Grad* 2-4). 56% entwickelten Atemnot bei langsamem Gehen (Grad 2), 35% bei einer 100-Meter-Gehstrecke (Grad 3). 9% hatten eine so ausgeprägte Dyspnoe, dass sie das Haus nicht mehr verlassen konnten (Grad 4). Die Einsekundenkapazität (FEV1) erreichte im Mittel 36%, der Tiffeneau-Index (FEV1/FVC) 0,32, das Alter betrug im Schnitt 65 Jahre.

Vier Wochen lang retardiertes Morphin oder Placebo

Die Patienten erhielten vier Wochen lang entweder täglich zweimal 10 mg retardiertes Morphin oder Placebo, die Dosis konnte bei unzureichendem Ansprechen auf dreimal täglich erhöht werden. Als primäre Endpunkte wählten die Ärzte um Verberkt den CAT-Score* und den arteriellen CO2-Partialdruck (paCO2). Veränderungen von 2-3 Punkten beim CAT und 7,5 mmHg beim paCO2 wurden als klinisch relevant beurteilt.

Zu Beginn erreichten die Patienten einen CAT-Score von etwa 22 Punkten, nach vier Wochen ergab sich eine statistisch signifikante und klinisch relevante Veränderung von 2,2 Punkten zugunsten der Morphintherapie (p = 0,03). Vor allem beim Treppensteigen und Bergaufgehen schnitten die Morphinpatienten besser ab. Wurden nur solche mit schwerer Dyspnoe betrachtet (Grad 3 und 4), so erreichte die Differenz beim CAT nur 1,2 Punkte zugunsten der Morphinbehandlung - ein nicht signifikanter Unterschied.

Kaum respiratorische Unterschiede

Der paCO2 betrug zu Beginn 41 mmHg, hier gab es zum Studienende eine Differenz von 1,2 mmHg zugunsten von Placebo, der Unterschied war aber weder statistisch signifikant noch klinisch relevant. Mit 1,8 mmHg war die Differenz zugunsten von Placebo bei Patienten mit einer Grad-3- und -4-Dyspnoe noch etwas größer, aber ebenfalls nicht signifikant.

Die Atemfrequenz sank zum Studienende unter Morphin im Vergleich zu Placebo leicht, ansonsten gab es keine signifikanten Unterschiede bei respiratorischen Parametern wie FEV1, FEV1/FVC, Sauerstoffpartialdruck oder der Sechs-Minuten-Gehstrecke.

Wie zu erwarten, kam es unter Morphin etwas häufiger zur Obstipation, dagegen traten Müdigkeit, Übelkeit und Erbrechen in beiden Gruppen ähnlich häufig auf.

Deutliche Beschwerdelinderung

Mit niedrig dosiertem retardiertem Morphin lassen sich die Beschwerden bei Patienten mit moderater bis schwerer Atemnot deutlich lindern, ohne dass respiratorische oder anderweitig belastende Nebenwirkungen auftreten, so das Fazit der Forscher um Verberkt. Die Therapie sei daher sicher und die Furcht vor einer Atemdepression unbegründet. Ob sie auch bei Grad-3- und Grad-4-Dyspnoe noch wirke, müsse in größeren Studien gezeigt werden.

*Abkürzungen:

CAT: COPD Assessment Test, 0-40 Punkte

MORDYC: Morphine for Treatment of Dyspnea in Patients with COPD

mMRC: modified Medical Research Council, Grad 0-4

Verberkt CA et al. Effect of Sustained-Release Morphine for Refractory Breathlessness in Chronic Obstructive Pulmonary Disease on Health Status: A Randomized Clinical Trial. JAMA Intern Med. 2020;180(10):1306-1314