Kontinuierliche Glukosemesssysteme können bei Typ-1- und Typ-2- Diabetes die Zuckereinstellung verbessern. Dadurch scheinen klinische Notfälle und Krankenhauseinweisungen seltener zu werden - und das Bewusstsein für Hypoglykämien wird geschärft.

Bei der Jahrestagung der US-Diabetes-Gesellschaft ADA wurden gleich mehrere Studien vorgestellt, die untersucht haben, wie sich kontinuierliche Glukosemesssysteme (CGM) einschließlich der Gewebezuckermessung auf klinische und labormedizinische Endpunkte auswirken. Prof. Marcus Lind, Göteborg, Schweden, berichtete über die SILVER-Studie, eine Erweiterungsstudie der randomisierten GOLD-Studie, die bei insulinpflichtigen Typ-1-Diabetes-Patienten CGM mit der mehrmals täglichen Selbstmessung (SMBG) verglichen hatte.

CGM führt zu einer besseren HbA1c-Einstellung

Die randomisierte GOLD-Studie hatte im Crossover-Design gezeigt, dass CGM zu einer besseren HbA1c-Einstellung führt. Bei der offenen Erweiterung SILVER ging es jetzt um die Frage, ob der Effekt langfristig anhält. 107 von 138 Patienten, die die randomisierte Phase beendet hatten, nahmen teil. Vergleichsgruppe waren die ursprünglichen GOLD-Gruppen mit SMBG. Im Ergebnis zeigte die CGM auch auf die lange Sicht hoch signifikante Vorteile bei praktisch allen glykämischen Parametern.

So waren die Patienten nach 16 Monaten CGM weiterhin zu 51% im therapeutischen Fenster gegenüber 43% bei SMBG. Während 2,9% bzw. 0,6% der Zeit lag der Glukosewert unter 72 mg/dl bzw. unter 54 mg/dl, gegenüber 5,4% bzw. 2,1% bei SMBG. Auch bei den Überzuckerungen schnitt die CGM-Gruppe langfristig signifikant besser ab. Die Patienten waren zudem zufriedener mit ihrer Therapie. Lind leitet aus diesen Daten ab, dass Patienten von einem Wechsel auf CGM langfristig profitieren. Gleichzeitig gebe es aber eine Gruppe von Patienten, bei denen CGM alleine nicht den Durchbruch bringt. Das seien dann Kandidaten für die halbautomatische Insulingabe.

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Ein Lesegerät liest die Werte des am Oberarm befestigten Gewebssensors ab.

Seltener Ketoazidose mit Flash-Glukose-Messung

Gleich mehrere bei der ADA-Tagung vorgestellte Studien haben die kontinuierliche Messung der Gewebsglukose mit dem FreeStyle Libre System untersucht, bei dem ein Gewebssensor am Oberarm befestigt und mit einem Lesegerät abgelesen wird. Prof. Ronan Roussel, Paris, berichtete über die RELIEF-Studie mit französischen Abrechnungsdaten aus dem zweiten Halbjahr 2017. Etwas über 74.000 Patienten mit Typ-1 oder Typ-2-Diabetes gingen in die Analyse ein. Verglichen wurde das Jahr vor mit dem Jahr nach der Umstellung.

Dabei zeigte sich, dass über die Gesamtpopulationen hinweg die Häufigkeit von Klinikeinweisungen wegen Ketoazidosen deutlich zurückging, nämlich um 52% beim Typ-1-Diabetes und um 47% beim Typ-2-Diabetes. Besonders ausgeprägt war der Effekt bei den Patienten mit niedriger SMBG-Compliance, gemessen an der Zahl der abgerechneten Teststreifen: Bei Patienten, die kaum Selbstmessungen durchführten, verringerte sich die Rate an ketoazidosebedingten Hospitalisationen um 60% (Typ-1-Diabetes) bzw. 51% (Typ-2-Diabetes).

Auch weniger Hypoglykämien

Mit der anderen Seite des Spektrums, den Hypoglykämien, beschäftigte sich eine britische Registerstudie, die von Dr. Harshal Deshmukh, Hull, vorgestellt wurde. Es handelt sich um eine nationale Auswertung von Daten, die in der Primäranalyse zeigte, dass der Umstieg auf eine Gewebezuckermessung mit einer Absenkung des HbA1c und einer Verringerung der subjektiven Patientenbelastung einherging.

Die Wissenschaftler sahen sich dann die Zeit im therapeutischen Zielbereich ("time in range", TIR) an und verglichen Patienten mit einer TIR von mindestens 50% mit jenen, die nur eine TIR < 50% erreichten. Dabei gab es insbesondere bei einem Ausgangs-HbA1c von > 8,5% einen klaren Unterschied: Bei einer TIR von mindestens 50% sank der HbA1c-Wert im Mittel um 1,9%, gegenüber 1% bei niedriger TIR.

Auch gab es bei hoher TIR einen deutlich stärkeren Abfall des GOLD-Scores, mit dem sich auf einer Skala von 1 bis 7 quantifizieren lässt, wie gut oder schlecht Patienten drohende Hypoglykämien bemerken. Insgesamt sprächen die Ergebnisse dafür, dass die Gewebemessung nicht nur die Zuckereinstellung verbessert, sondern auch dazu führt, dass die Patienten eher Hypoglykämien erkennen und dass der wichtigste Faktor für diesen Erfolg eine Verlängerung der Zeit im therapeutischen Zielbereich sei, so Deshmukh.

Virtueller Kongress der American Diabetes Association (ADA 2020); Session "Glucose Monitoring and Sensing"