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Nicht nur ist sein Alter Ego, Henry „Hank“ Chinaski, ein Außenseiter, verspottet als „Sauerkrautfresser“, dessen Eltern bemüht sind, ihre Armut und Arbeitslosigkeit zu verbergen, die ihm verbieten mit den Nachbarskindern zu spielen, dessen Vater ihn mehrmals wöchentlich grundlos mit dem Lederriemen verprügelt. Bukowski bekommt im Alter von etwa 13 Jahren eine schwere Akne, so schwer, dass er später ein Jahr lang nicht zur Schule gehen kann. Vor allem Gesicht, Schultern, Brust und Rücken sind betroffen.

Die Akne wurde stetig schlimmer

1934 hatte der 14-jährige Schüler an der Chelsey Highschool die Wahl zwischen Sport und militärischem Training. „Ich hatte Pickel auf den Schultern, und wenn es ‚Gewehr über!‘ hieß und ich mir das Ding auf die Schulter knallte, platzte manchmal ein Pickel auf und das Zeug drang mir durchs Hemd.“ Die Akne wurde stetig schlimmer: „Die Pickel in meinem Gesicht waren jetzt so groß wie Walnüsse. Ich schämte mich in Grund und Boden“, heißt es im Buch.

Es war üblich, die Akne mit aggressiven Schälpasten zu behandeln. Der Vater verlangte, dass die „braune stinkende Salbe“ länger auf den Läsionen verblieb, als im Beipackzettel empfohlen. Er nutzte die Akne, um seinen Sohn weiter zu demütigen und zu quälen. „Alles war verbrannt. Gesicht, Rücken, Brust. Ich konnte mich nicht mehr hinlegen und musste auf der Bettkante sitzen.“

Nach zwei Jahren erfolgloser Therapieversuche wird Bukowski im Los Angeles County General Hospital vorstellig. „Acne vulgaris. Der schlimmste Fall, den ich in meiner ganzen Praxis erlebt habe“, meint ein Arzt. Im Krankenhaus werden die Abszesse nun regelmäßig ohne Lokalanästhesie elektrokaustisch eröffnet. „Er [der Arzt — Anmerk. d. Red.] bohrte mir die elektrische Nadel in den Rücken. Die Schmerzen waren fürchterlich... Ich spürte, wie mir das Blut den Rücken herunterlief.“ Nach dem Rücken kommen stets Brust, Hals und schließlich das Gesicht an die Reihe, gefolgt von der UV-Bestrahlung.

Später nimmt eine Krankenschwester die ambulanten Behandlungen vor. Sie ist die Einzige, die dem Jungen gegenüber Mitgefühl zeigt. Er schwärmt ein wenig für sie. Mädchen erscheinen dem Pubertierenden unerreichbar, die Akne mache dies „ganz unmöglich.“

Die Behandlung bringt kaum etwas. „Ich sagte mir, dass ich bestenfalls für den Rest meines Lebens eine vernarbte Haut haben würde. Das war schon schlimm genug, aber was mich noch mehr störte, war die Tatsache, dass sie nicht wussten, was sie mit mir anstellen sollten... Ich kam mir vor wie ein Aussätziger.“

Ohne Zweifel die schwerste Form

Ohne Zweifel habe es sich um eine Acne conglobata, die schwerste Form der Acne vulgaris, gehandelt, meinen Prof. Friedrich Bahmer, Dermatologe in Bremen und Dr. Judith Bahmer, Psychodermatologin aus Coesfeld in einem Artikel für „Der Hautarzt“. Bei Acne conglobata entwickeln sich zusätzlich zu den typischen Komedonen und Pusteln große entzündliche Knoten, Abszesse und Fisteln, die entstellende Narben hinterlassen.

Es ist unklar, inwiefern womöglich der häufige Konsum von Milch eine die Akne verstärkende Rolle gespielt haben könnte. Denn Geld, auch für Nahrungsmittel, war in der Familie stets knapp, der Vater arbeitete als Milchlieferant. Milch enthält bioaktive Hormone wie IGF (Insulin Growth Factor)-1 und IGF-2. Vermehrter Milchkonsum führt bei Kindern zu einem bis zu 30%-igem IGF-1-Anstieg im Serum. Dies geht mit einer gesteigerten Sebumproduktion einher.

Auch Nahrungsmittel mit hohem glykämischen Index und tierische Fette stehen in einem Zusammenhang mit dem Auftreten von Akne. Als Bukowski in Los Angeles aufwächst, es ist die Zeit der Weltwirtschaftskrise, durften sich Fürsorge-berechtigte Familien in Läden eine gewisse Menge kostenloser Lebensmittel abholen. „Es waren größtenteils Konserven“, schreibt Bukowski. Sehr oft handelte es sich um Cornedbeef, Dosenwurst und Kartoffeln.

„Die Pubertät ist eine Periode transienter physiologischer Insulinresistenz“, meint der Dermatologe und Umweltmediziner Prof. Bodo Melnik aus Osnabrück. Unter normalen Bedingungen klingt diese Insulinresistenz wieder ab. Doch ausgeprägter Milchkonsum und hyperglykämische Nahrungsmittel verstärken die Insulinresistenz. Akne scheint geradezu ein Indikator dafür zu sein. Auch tierische Fette und damit hochkonzentrierte Arachidonsäurequellen verändern die Haut, denn Arachidonsäure wird in die Zellmembranen integriert und ist Ausgangspunkt für die Synthese proinflammatorischer Prostaglandine und Leukotriene.

„Vernarbtes Affengesicht“

Umgekehrt geht aus Studien hervor, dass kohlenhydratreduzierte, proteinreiche Diäten und die Restriktion von Milchprodukten sich positiv auf das Hautbild auswirken. Hinzu kommt der Kofaktor Rauchen, welcher Entzündungsprozesse verstärken kann.

Es ist also nicht ausgeschlossen, dass Bukowskis Ernährung und sein exzessiver Tabakgenuss die Akne beeinflusst haben. Diese wiederum verstärkte die soziale Isolation sowie die von ihm selbst im erwähnten Buch beschriebene aggressive Phase seiner Sexualentwicklung. Bukowski empfand sich selbst als hässlich, verglich sein Aussehen oft mit Tieren und sprach etwa von seinem „vernarbtes Affengesicht“. Im weiteren Leben merkte er allerdings, dass sein Gesicht dem Erfolg bei Frauen nicht unbedingt im Wege stand. Manchem gelten Aknenarben ja gar als Zeichen besonderer Maskulinität.

Ein Einzelgänger ist Bukowski dennoch geblieben. Das Schreiben half ihm, seine Probleme, die Schmerzen, sein Außenseiterdasein zu verarbeiten. Er hatte Übung darin, Unglück zu ertragen: „Das Wort ist der Zaubertrank, der uns davor bewahrt uns umzubringen. Es gibt nichts Besseres.“ Mit seiner schonungslosen Sprache hielt der „Dirty Old Man“ der Gesellschaft einen Spiegel vor. Hineinschauen wollten viele seiner Zeitgenossen in Amerika lieber nicht. In Europa und besonders in Deutschland dagegen gilt Bukowski bis heute als Kultautor.