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Wenn sich das eigene Kind das Leben nimmt, gehört das für die Eltern wohl zu den schlimmsten aller denkbaren Ereignisse. Frühe Warnsignale zu erkennen wäre äußerst wichtig, um präventiv eingreifen zu können, allerdings sind entsprechende Fälle aufgrund ihrer Seltenheit bislang nur wenig untersucht. In Deutschland haben sich im Jahr 2013 laut Statistischem Bundesamt in der Altersgruppe zwischen 10 und 15 sechs Jungen und zwölf Mädchen suizidiert; Fälle von jüngeren Kindern gab es offenbar keine. In den USA schätzen die Centers for Disease Control and Prevention die Suizidrate bei den Fünf- bis Elfjährigen auf 0,17 pro 100.000. Sie steigt in der Altersgruppe der 12- bis 17-Jährigen auf 5,18 pro 100.000 an.

Kinder und Jugendliche zwischen 5 und 14

Arielle H. Sheftall von der Ohio State University und ihr Team haben Daten des National Violent Death Reporting System ausgewertet. Darin sind alle US-weit registrierten gewaltsamen Todesfälle erfasst. Die Forscher konzentrierten sich dabei auf Fälle von Suizid bei Kindern im Alter zwischen fünf und 14 Jahren, die sich zwischen 2003 und 2012 ereignet hatten. 693 Fälle konnten letztlich genauer untersucht werden; dabei handelte es sich um 87 Kinder (5 bis 11 Jahre) und 606 Jugendliche (12 bis 14 Jahre).

Insgesamt waren in 210 Fällen vorbestehende psychische Probleme bekannt. Die beiden Altersgruppen unterschieden sich dabei in einigen Punkten signifikant: So war bei den Kindern in 59,3% eine Aufmerksamkeitsstörung diagnostiziert; bei den Jugendlichen waren es nur 29,0%. Umgekehrt lag bei den Kindern deutlich seltener eine Depression oder Dysthymie vor. In der Gruppe der Kinder wurden in der Zeit vor dem Suizid deutlich häufiger Probleme mit Freunden oder Familienmitgliedern berichtet. Liebeskummer, der bei den Kindern naturgemäß keine Rolle spielte, hatte offenbar 16% der Teenager vor ihrem Tod belastet. Immerhin 30,2% der Jugendlichen hatten vor dem Suizid einen Abschiedsbrief hinterlassen.

Wie Sheftall und Kollegen herausfanden, ereigneten sich die meisten Suizide im häuslichen Umfeld und in den Nachmittags- und Abendstunden. Frappierend auch die Häufung beim männlichen gegenüber dem weiblichen Geschlecht (Grundschulalter: 85,1% vs. 14,9%; Teenie-Alter: 69,6% vs. 30,4%).

Tod durch Ersticken dominiert

Die Daten bestätigen eine erschreckende Entwicklung vor allem bei afroamerikanischen Kindern; ihr Anteil an den Suiziden im Grundschulalter lag bei 36,8%, im Jugendalter waren 11,6% farbig. Von den farbigen Kindern setzten die allermeisten (93,8%) ihrem Leben durch Erhängen oder anderweitiges Strangulieren bzw. Ersticken ein Ende; bei den nicht farbigen Kindern waren es 72,7%. Diese Todesarten waren auch unter den Heranwachsenden die meistgewählten: bei 82,4% der farbigen und 61,8% der nicht farbigen. Worin die Ursache für diese Unterschiede lag, konnten die Forscher nicht herausfinden. Obgleich bekannt sei, so Sheftall und ihr Team, dass Kinder aus schwarzen Familien bei Depressionen, suizidalen Gedanken und anderen seelischen Problemen weniger öffentliche Hilfestellung erhielten, hatten die Kinder afroamerikanischer Herkunft in der Studie nicht etwa häufiger Depressionen oder depressive Verstimmungen gezeigt als ihre hellhäutigen Altersgenossen.

Wohl ein US-Spezifikum ist der häufige gegen sich selbst gerichtete Einsatz von Schusswaffen: 13,8% der Kinder und 29,5% der Jugendlichen fanden dadurch den Tod. In 3,4% bzw. 4,8% war eine Vergiftung die Todesursache. Drogen wie Alkohol oder Marihuana wurden im Vorfeld zu einem relativ geringen Prozentsatz konsumiert, von Kindern erwartungsgemäß seltener als von Jugendlichen. Allerdings fanden die Forscher in beiden Altersgruppen einen überraschend hohen Anteil an Opiatverschreibungen.

Fokus auf Kinder mit ADHS

Präventive Ansätze sollten sich mehr auf Kinder mit ADHS fokussieren, schlagen Sheftall und Kollegen vor. Möglicherweise neigten diese Kinder verstärkt zu impulsiven Handlungen, die in einen Suizid münden könnten.

Eine Reihe von Interventionsprogrammen hat sich im Kindesalter bewährt. Die Autoren nennen das „Promoting Alternative Thinking Strategies“-Programm (PATHS), das „Good Behavior Game“, das „Signs of Suicide Prevention Program“ und das „Signs Matter. Early Detection Program“. Die Kinder sollen dadurch unter anderem ermutigt und befähigt werden, sich mitzuteilen, und erhalten Anleitungen zur Selbstkontrolle. Bei den Beteiligten, d. h. Eltern, Betreuern, Lehrern und Kinderärzten, soll die Aufmerksamkeit für das Problem Suizid geschärft werden, damit sie in der Lage sind, entsprechende Warnsignale zu erkennen.

Hilfsangebote speziell für Kinder- und Jugendliche findet man in Deutschland beispielsweise unter http://www.jugend.support/ oder http://www.fideo.de