Es gibt ein neues Konzept in der Asthma-Immunpathologie: Das „eosinophile“ Asthma (Asthma mit Nachweis einer Eosinophilenvermehrung im Blut und/oder im Sputum) kann auf zwei verschiedenen Wegen ausgelöst werden: entweder durch Allergene (sogenannte „Th2-Antwort“) oder Allergen-unabhängig durch Viren, Noxen oder andere Stimuli (vermittelt durch sogenannte „Innate lymphoid cells“ vom Typ 2, „ILC2“), berichtete Prof. Marek Lommatzsch, Abteilung für Pneumologie, Universitätsmedizin Rostock. Beide Asthmaformen werden aktuell unter dem Begriff „Typ 2-Asthma“ zusammengefasst, da sie sich in der inflammatorischen Endstrecke (den Zyokinen und Entzündungszellen) ähneln und daher auch ähnliche Angriffspunkte für bestimmte Biologika-Therapien bieten (z.B. Anti-IL-5-Therapie).

Wchtiges Therapieziel: Vermeidung von Nebenwirkungen

2015 wurde ein Update der GINA-Leitlinien publiziert, die praxisrelevante Änderungen mit sich bringen. Ein wesentlicher Punkt: Als Therapieziel wird neben der bestmöglichen Asthma-Kontrolle auch die Minimierung der Risiken für Exazerbationen, für Lungenfunktionsverlust und Nebenwirkungen der Medikamente formuliert. „Das bedeutet: Bei schwerem Asthma haben auf Stufe 5 die Biologika grundsätzlich Vorfahrt vor den oralen Steroiden, da sie deutlich weniger Nebenwirkungen verursachen“, berichtet Lomatzsch.

Erfragung der Asthma-Kontrolle wird einfacher

Zur Ermittlung der Asthma-Kontrolle hat sich das Schema vereinfacht. Künftig sind vier Fragen an den Patienten relevant. „Werden drei oder vier der folgenden Fragen vom Patienten bejaht, wird das Asthma als unkontrolliert bezeichnet“, so Lommatzsch.

  1. A.

    Mehr als 2x/Wo Symptome tagsüber?

  2. B.

    Irgendein nächtliches Erwachen wegen Asthma?

  3. C.

    Bedarfsinhalator > 2x/Woche eingesetzt?

  4. D.

    Irgendeine Aktivitätseinschränkung wegen Asthma?

Änderungen im 5-stufigen Therapie-Schema

„Das Asthmatherapie-Stufenschema bleibt dem Prinzip nach gleich, mit einer Basis von Allgemeinmaßnahmen (Trigger ausschalten, Gewicht reduzieren, Komorbiditäten behandeln) und den Therapiebausteinen Controller, Reliever, Zusatzoptionen“, so Lommatzsch. Neu ist:

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Zur Therapie des schweren Asthmas stehen jetzt zwei Biologika zur Verfügung

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Auf Stufe 1 dürfen bereits ICS eingesetzt werden.

Auf Stufe 2 sind ICS den Alternativen Montelukast oder Theophyllin bei Erwachsenen vorzuziehen.

Auf Stufe 3 ist die Fixkombination ICS/LABA erste Wahl geblieben, diese Fixkombination darf jetzt aber auch, sofern sie Formoterol enthält, als zusätzliche Bedarfstherapie (Reliever) eingesetzt werden (MART-Schema: Maintenance and Reliever Therapy). Eine ausschließliche Bedarfsanwendung von ICS/LABA-Fixkombinationen ist der regelmäßigen ICS/LABA-Anwendung allerdings unterlegen, dies zeigen aktuelle Daten (Papi et al., Lancet Respir Med 2015).

Die spezifische Immuntherapie ist eine Zusatzoption, bislang laut aktueller Immuntherapie-Leitlinie jedoch nur für Patienten mit kontrolliertem Asthma. Hier zeigen aktuelle Studien zur sublingualen Immuntherapie, dass diese Therapie in Zukunft auch für Patienten mit teils kontrolliertem Asthma in Frage kommen könnte.

Ab Stufe 4 kommt zusätzlich ein Anticholinergikum zum Einsatz. Zugelassen ist derzeit nur Tiotropium im Respimat. Reicht das nicht aus, kommen auf Stufe 5 primär Biologika, sekundär niedrig dosierte orale Steroide oder eine Thermoplastie (letztere nur im Rahmen von Studien oder Registern in spezialisierten Zentren) zum Einsatz.

Antiasthmatische Differenzialtherapie mit Biologika

Zur Therapie des schweren Asthmas stehen jetzt zwei Biologika zur Verfügung: Der IgE-Antikörper Omalizumab und der Interleukin-5-Antikörper Mepolizumab. Wann gibt man was? Lommatzsch setzt Anti-IgE bei Patienten mit erhöhten IgE-Werten ein, bei denen eine Allergie im Vordergrund steht, und die häufig exazerbieren. Voraussetzung ist, dass IgE im Serum überhaupt gemessen wird! Als Pluspunkte nannte Lommatzsch die langjährige Erfahrung und die vorliegenden umfangreichen Sicherheitsdaten.

Anti-IL5 ist eine Option für schlecht kontrollierte Asthmatiker ohne Allergienachweis, mit häufiger oraler Steroidtherapie, und hohen Eosinophilen-Werten im Blut. Voraussetzung ist hier ein Differenzialblutbild! Ein Pluspunkt ist der schnelle Wirkeintritt. „Beide Substanzen verursachen Nebenwirkungen auf Plazebo-Niveau“, so Lommatzsch.

Omalizumab wirkt antiallergisch und antiviral

„Zu Omalizumab gibt es spannende neue Daten“, sagte der Pneumologe. Zugelassen ist Anti-IgE bei schwerem allergischem Asthma. Es wirkt aber auch bei nicht-allergischem Asthma gut, reduziert hier Exazerbationsrate und Symptomatik. „Aufgrund der revolutionären PROSE-Studie ahnen wir nun, warum das so ist“ (Teach et al., J Allergy Clin Immunol 2015). Lommatzsch: „In den USA fängt Anfang September für fast alle Kinder die Schule an. Bei Asthmakranken Kindern kann man dann im Herbst regelmäßig Asthma-Exazerbationen beobachten. Dieses sogenannte „back-to-school asthma“ wird meist durch Virusinfektionen verursacht, mit welchen sich die Kinder nach den Ferien oft gegenseitig anstecken“.

Eine wichtige Rolle bei der Virusabwehr spielen die sogenannten plasmazytoiden Dendritischen Zellen, welche zur Virusabwehr Interferon-alpha ausschütten. „Diese Zellen produzieren bei Patienten mit Asthma weniger Interferon-alpha nach Virus-Stimulation, unter anderem weil sie durch an IgE-Rezeptoren gebundenes IgE an der Interferon-Produktion gehindert werden“, erläuterte Lommatzsch.

Anti-IgE schützt vor dem „back-to-school-asthma“

In der PROSE-Studie (PReventive Omalizumab oder Step up Therapie for severe fall Exazerbations) sind 486 Kinder mit meist kontrolliertem Asthma während der Sommerferien entweder prophylaktisch mit Omalizumab, mit erhöhten ICS-Dosierungen oder mit Plazebo behandelt worden.

Ergebnis: In der Plazebo-Gruppe und in der ICS-Boost-Gruppe kam es zum back-to-school-asthma, in der Omalizumab-Gruppe blieb dieses nahezu komplett aus.

Lommatzsch: „Es gibt offenbar zwei verschiedene Wirkungen von Omalizumab: Zum einen die bekannte antiallergische Wirkung durch Hemmung der IgE-vermittelten Mastzell-Degranulation. Zum anderen eine antivirale Wirkung durch Reduktion von IgE-Rezeptoren auf den plasmazytoiden Dendritischen Zellen.“

Entscheidend sind die Eosinophilen-Konzentrationen im Blut

Zum Anti-IL5: Mepolizumab ist angezeigt als Zusatzbehandlung bei schwerem refraktärem eosinophilem Asthma. Die Wirkung ist unabhängig von Allergien oder IgE. Entscheidend ist allein die Blut-Eosinophilie: Je höher die Eosinophilenzahlen, desto besser die Wirksamkeit.

Lommatzsch nannte als persönliche Empfehlung Blut-Eosinophilen-Grenzwerte von 300/μl (ohne orale Steroidtherapie) bzw. von 150/μl (unter oraler Steroidtherapie). Richtig eingesetzt, verbessert der Einsatz von IL5-Antikörpern die Lungenfunktion und senkt das Exazerbationsrisiko und den Prednisolon-Bedarf.