Nach Angaben des Statistischen Bundesamts sterben in Deutschland jährlich rund 7000 Menschen an einer Lungenembolie. Da eine Lungenembolie als Todesursache ohne Obduktion nur schwer feststellbar ist, vermuten Pneumologen um Prof. Dr. Adrian Gillissen von der Klinik für Lungen- und Bronchialmedizin in Kassel eine hohe Dunkelziffer. Autopsiestudien deuteten auf einen Anteil von etwa 1,3% bei den Todesfällen, schreiben sie in der Zeitschrift „PneumoNews“ (2015, 7:35–44).

Ein Problem der Diagnose ist die geringe Sensitivität und Spezifität der Symptome. „Patienten klagen über eine plötzlich beginnende Dyspnoe, Thoraxschmerzen, atemabhängigen Pleuraschmerz, Husten, Fieber, erleiden eine Synkope oder berichten über Hämoptysen. Bei bettlägerigen Patienten können diese Symptome fehlen“, schreiben die Kasseler Ärzte. In diesen Fällen empfehlen sie einen Risikoscore. So werden beim Genfer- oder Wells-Score z.B. Angaben zu früheren Lungenembolien und Thrombosen erhoben und Symptome ermittelt, die auf eine tiefe Beinvenenthrombose deuten.

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Der Nachweis einer Beinvenenthrombose im Ultraschall bei Lungenembolieverdacht ist ein sehr sicheres Zeichen, dass in der Lunge tatsächlich ein Thrombus sitzt.

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Liegt ein Notfall vor, müssen Ärzte zunächst Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen ausschließen (Herzklappenfehler, Herzbeuteltamponade, das akute Koronarsyndrom, Aortendissektion). „Am schnellsten gelingt dies mit der Echokardiografe“, so die Pneumologen. Liegt eine massive Embolie vor, können Ärzte die akute rechtsventrikuläre Dysfunktion als Ursache der klinischen Instabilität oft gut erkennen. Dann sollte die Therapie sofort beginnen. Durch die Druckzunahme in den Pulmonalarterien kommt es häufig zu einer Trikuspidalklappeninsuffizienz. „Hier wird der systolische Druckgradient an der Trikuspidalklappe messbar und durch die Addition des rechtsatrialen Drucks der systolische Pulmonalarteriendruck abschätzbar. Dann wird die Lungenembolie indirekt wahrscheinlich, sofern Differenzialdiagnosen ausgeschlossen sind.“

Was zeigt der D-Dimer-Test?

Deuten Wells- oder Genfer-Score auf eine geringe Emboliewahrscheinlichkeit, sollte ein D-Dimer-Test erfolgen. Ist dieser negativ, kann die Lungenembolie und tiefe Beinvenenthrombose zu über 95% ausgeschlossen werden. Die Spezifität bei Patienten über 80 Jahren, bei hospitalisierten Erkrankten sowie Schwangeren und Krebskranken ist jedoch niedrig.

Bei einem positiven D-Dimer-Test wird als nächster Schritt ein Thorax-CT oder eine Angiografie empfohlen. Die Perfusions- oder Ventilationsszintigrafie ist nach Ansicht der Ärzte um Gillissen eine Alternative bei Kontrastmittelunverträglichkeit, Schwangerschaft oder Niereninsuffizienz. Deuten die Scores auf eine hohe Emboliewahrscheinlichkeit, sollten Ärzte sofort zur Bildgebung übergehen und auf den D-Dimer-Test verzichten. Mit der Mehrschicht-Spiral-CT-Angiografie wird eine Spezifität und Sensitivität von rund 95% erreicht. Das genügt, um bei niedrigen Werten im Risikoscore eine Lungenembolie auszuschließen. Bei 70% aller Lungenembolien lässt sich durch eine Duplexsonografie ein Thrombus in den tiefen Beinvenen nachweisen. Umgekehrt ist der Nachweis einer Beinvenenthrombose im Ultraschall bei Lungenembolieverdacht ein sicheres Zeichen für einen Thrombus in der Lunge.

Tab. 1 Parameter und Wertigkeiten der zwei bekanntesten Lungenembolie-Scores

Thrombolyse bei fulminanter Lungenembolie

Für klinisch stabile Patienten kommen niedermolekulare Heparine, unfraktionierte Heparine oder Fondaparinux infrage. Die Antikoagulation senkt die Morbidität und Letalität deutlich. Niedermolekulare Heparine werden gewichtsadaptiert subkutan appliziert, in der Regel ist keine Gerinnungskontrolle nötig. Empfohlen wird aber vor allem bei schwerer Niereninsuffizienz eine Bestimmung der Anti-Faktor-Xa-Aktivität. Bei einer Kreatinin-Clearance von weniger als 30 ml/min sind niedermolekulare Heparine kontraindiziert. Hier ist unfraktioniertes Heparin die bessere Wahl. Eine sofortige Wirkung erzielen Ärzte mit einem I.v.-Heparinbolus von 5000 IE.

Intravenös verabreichtes Heparin wird über die Thromboplastinzeit (PTT) gesteuert. „Ziel ist eine PTT von > 60–80 s (= 2- bis 3-fache PTT-Zeit gegenüber dem oberen Normwert). In der Regel reichen Heparindosen von 800–1500 IE/h aus.“

Liegt eine fulminante Lungenembolie mit Hypotonie und Schocksymptomatik vor, ist eine rasche Rekanalisierung mit rt-PA, Urokinase oder Streptokinase nötig. Die gefährlichsten Nebenwirkungen dabei sind intrakranielle Blutungen. Bei Kontraindikationen (innere Blutungen oder zurückliegende intrakranielle Hämorrhagien) muss eine chirurgische oder mechanische Thrombektomie erwogen werden.

Nach der Thrombolyse raten die Pneumologen zu einer begleitenden Antikoagulation mit unfraktioniertem Heparin, sobald die PTT auf weniger als das Zweifache der Norm abgesunken ist. Für eine längerfristige Antikoagulation stehen neben Heparinen und Vitamin-K-Antagonisten (VKA) auch die neuen direkt wirksamen oralen Antikoagulanzien (DOAK) zu Verfügung. VKA wie Phenprocoumon werden gerinnungsgesteuert über einen INR-Wert von 2,0–3,0 eingestellt, die DOAK-Dosis orientiert sich an Faktoren wie Alter und Nierenfunktion. Vorteile der DOAK sind der schnelle Wirkbeginn und das einfachere Handling; ein Gerinnungsmonitoring ist nicht notwendig. Nachteile sind fehlende Antidots (Dabigatran ist die Ausnahme), um bei einer Blutung die Gerinnungshemmung aufzuheben.

Rezidivprophylaxe

Ist die Lungenembolie erstmalig aufgetreten, raten die Kasseler Ärzte zu einer Antikoagulation von mindestens drei Monaten. Danach ist das Rezidivrisiko ähnlich hoch wie nach einer Behandlung über sechs oder zwölf Monate. „Eine lebenslange Antikoagulation erhöht dagegen das Risiko einer schweren Blutungskomplikation um 1% pro Jahr“, berichten die Pneumologen. Die gleiche Therapiedauer empfehlen sie auch nach „provozierten“ Lungenembolien, nach Operationen, Traumata, Immobilisation oder Schwangerschaft. Zur lebenslangen Antikoagulation raten sie bei einer aktiven Krebserkrankung. Das Embolierisiko beträgt im ersten Jahr 20%. Auch bei Embolierezidiven sollte eine dauerhafte Antikoagulation erwogen werden.