Für niedergelassene Ärzte sind steigende Patientenzahlen oft kein Grund zur Freude. Nicht nur, weil Praxischef und -personal manchmal bis zum Anschlag arbeiten müssen. Sondern auch, weil die Honorarregelungen überdurchschnittlich große Praxen regelrecht bestrafen: In KV-Bezirken etwa, in denen die RLV-Systematik beibehalten wurde, geschieht dies mit der „fallzahlbedingten Abstaffelung“.

Nur für Fälle bis 150% des Fachgruppendurchschnitts erhalten Vertragsärzte den vollen Fallwert, darüber hinaus wird dieser dann stufenweise um zunächst 25%, dann um 50% und schließlich um 75% gemindert.

Zäher Kampf vor Gericht

Das empfindet zum Beispiel eine Hausärztin aus der KV Nordrhein als ungerecht. Seit fast sechs Jahren kämpft sie vor Gericht darum, dass ihre Praxis eine Ausnahmeregelung von der Abstaffelung bekommt. Der Grund: Innerhalb von drei Jahren musste sie immer mehr Patienten behandeln, weil zunächst zwei Kollegen in der Umgebung in den Ruhestand gingen und dann auch noch ihr Praxispartner plötzlich starb. Die Fallzahlen der Hausärztin liegen mittlerweile konstant zwischen 1450 und 1750 Fälle. Zwar wurde der Ärztin nach dem Tod ihres Praxispartners dessen Punktzahlvolumen übertragen. Mit Einführung der RLV-Systematik weigerte sich die KV aber, der Ärztin eine Ausnahme von der Abstaffelung zuzugestehen. Die Folge: Bei Einlegung des Widerspruchs gegen den ablehnenden KV-Bescheid bekam die Praxischefin in rund 500 Fällen Leistungen nicht zum vollen Wert vergütet; dies machte je nach Quartal bis zu 8000 Euro aus.

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Wird die RLV-Systematik beibehalten, kommt es zur Abstaffelung.

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Das Sozialgericht Düsseldorf lehnte die Klage der Allgemeinärztin ab. Zwar sei unter besonderen Umständen eine Ausnahme von der Abstaffelung zu gewähren. In Anlehnung an die Regelungen zu den überproportionalen Honorareinbußen und zur Konvergenzphase machte der Richter aber zur Bedingung, dass für eine Abstaffelungs-Ausnahme Honorareinbußen von 15% beziehungsweise Fallwertverluste von mehr als 10% vorliegen müssen. Eine Auslegung durch das Gericht, die der Dortmunder Arztrechtler Dr. Tobias Scholl-Eickmann kritisiert: Die vom Sozialgericht aufgestellten Bedingungen für eine Ausnahme fänden sich weder im Honorarverteilungsvertrag noch in den Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses.

Doppelter Widerspruch nötig

Für Scholl-Eickmann ist die Haltung der KV Nordrhein schon deshalb unverständlich, weil diese einer anderen Praxis die Fallzahl, ab der abgestaffelt wird, bei vergleichbarer Ausgangslage um 50% erhöht habe. Und auch die KV Westfalen-Lippe komme Ärzten bei stark gestiegenen Fallzahlen oft entgegen und bemühe sich um sachgerechte Lösungen.

Das Landessozialgericht hat in der Berufungsverhandlung, die vor Kurzem stattfand, angedeutet, dass die KV Nordrhein den Antrag der Ärztin wohl nicht in ausreichender Weise geprüft hat und mit Blick auf die besonderen Umstände des Falls den Abschluss eines Vergleichs nahegelegt. Dr. Scholl-Eickmann rät Ärzten in solchen Fällen, Widerspruch nicht nur gegen den Abrechnungsbescheid, sondern auch gegen das RLV oder Individualbudget aller betroffenen Quartale einzulegen. Gleichzeitig sollte der Antrag gestellt werden, das RLV oder Budget zu erhöhen. Dabei sind die maßgeblichen Gründe dafür zu nennen. Anderenfalls, so der Anwalt, drohe selbst in berechtigten Fällen ein Anspruchsverlust.