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„Die medikamentöse antihypertensive Therapie ist auf allen Ebenen der Prävention eine der erfolgreichsten medizinischen Maßnahmen überhaupt, und speziell in Deutschland wurde die Behandlungssituation deutlich verbessert.“ Mit dieser Antwort auf die Frage, wo wir mit der antihypertensiven Therapie stehen, verdeutlicht der Hypertensiologe Prof. Martin Middeke, München, in der Zeitschrift „Der Internist“ den hohen Stellenwert der Hochdruckbehandlung.

Verträglichere Wirkstoffe — bessere Compliance

Mit der Entwicklung immer verträglicherer Medikamente hat sich auch die Therapieadhärenz der Patienten deutlich verbessert. Zur initialen Monotherapie werden derzeit fünf Wirkstoffgruppen empfohlen und als gleichwertig eingestuft: ACE-Hemmer, AT1-Rezeptor-Blocker, Betablocker, Diuretika und Kalziumantagonisten. Welcher Wirkstoff für die initiale Therapie gewählt wird, sollte individuell entschieden werden. Dabei empfiehlt es sich immer, so Middeke, mit niedriger Dosierung einer lang wirksamen Substanz zu beginnen und die Dosis über drei bis vier Wochen langsam zu steigern. Erst dann erreichen die modernen Antihypertensiva ihre volle Wirkstärke.

Kombitherapie von Anfang an möglich

Kombinationstherapien wurden früher erst eingesetzt, wenn sich der erwünschte Erfolg mit einer Monotherapie nicht einstellte. Heute werden sie alternativ auch schon von Anfang an empfohlen.Man geht davon aus, dass die Kombitherapie der multifaktoriellen Genese der primären Hypertonie am ehesten gerecht wird. Denn mit ihr sind die zahlreichen Wechselwirkungen zwischen Salz- und Wasserhaushalt, Renin-Angiotensin-Aldosteron-System, sympathikoadrenergem System und Gefäßreagibilität besser beeinflussbar als mit einer Einzelsubstanz.

Antihypertensive Substanzen zeigen keine lineare Beziehung zwischen Dosis und Wirkung bzw. Nebenwirkung. Vielmehr nehmen die Nebenwirkungen mit steigender Dosis überproportional zu, während die Dosis-Wirkungs-Kurven der erwünschten Wirkungen im unteren Dosisbereich steil ansteigen und im oberen abflachen. Durch Additionseffekte wird bei niedriger Dosierung der Kombinationspartner im Vergleich zu einer hoch dosierten Monotherapie eine überproportional hohe Wirkung erreicht, während sich unerwünschte Effekte geringer bemerkbar machen.

Da die Compliance der Patienten wesentlich von der Zahl der verordneten Medikamente abhängt, werden Fixkombinationen empfohlen. Unter den Zweierkombinationen haben sich laut Middeke Diuretika in Kombination mit ACE-Hemmern, AT1-Rezeptor-Blockern oder Betablockern bewährt. Als fixe Dreifachkombination sind in Deutschland AT1-Blocker plus Diuretikum plus Kalziumantagonist zugelassen (Olmesartan bzw. Valsartan plus Amlodipin plus Hydrochlorothiazid). Kann auch mit der Dreifachkombination der erwünschte Zielblutdruck nicht erreicht werden, kommen darüber hinaus Betablocker oder ein Antihypertensivum der zweiten Wahl infrage, wobei Doxazosin und Spironolacton aufgrund der Studienlage zu bevorzugen seien, so Middeke.

International keine Einigkeit bei den Wirkstoffen

Die in den europäischen Leitlinien mit den anderen vier Substanzen gleichgestellten Betablocker werden von amerikanischen und britischen Fachgesellschaften heute nicht mehr als antihypertensive Erstlinientherapie empfohlen. Basis dieser Empfehlungen sind allerdings laut Middeke alte „Interventionsstudien mit dem nicht selektiven Betablocker Propranolol und dem (alten) selektiven Betablocker Atenolol“. In den Studien hatte sich hier eine Unterlegenheit bei der Primärprävention des Schlaganfalls gezeigt.

Middeke betont allerdings, dass heute ausschließlich moderne selektive Betablocker eingesetzt werden sollen. Einen besonderen Stellenwert unter ihnen habe das vasodilatierende Nebivolol. Dieser Betablocker der dritten Generation hemmt nicht nur hochselektiv β-1-Rezeptoren, sondern aktiviert auch das endotheliale NO-System. Der Wirkstoff senkt den Blutdruck über 24 h und beeinflusst weder Gewicht noch Lipid- und Glukosestoffwechsel, Sexualfunktion oder körperliche Leistungsfähigkeit. Insgesamt könne auf die Betablockade im Rahmen der antihypertensiven Therapie im klinischen Alltag nicht verzichtet werden.

Eine duale Blockade des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems wird von der europäischen Hypertoniegesellschaft wegen hoher Nebenwirkungsraten nicht mehr empfohlen. Middeke beklagt bei den zugrunde liegenden Studien allerdings ein ungeeignetes Patientenkollektiv und fordert Untersuchungen mit Probanden mit schwer einstellbarer oder resistenter Hypertonie.

Neue Wirkstoffe in der Pipeline

Neue Hoffnungen setzt man auf eine Substanz mit dem Kürzel LCZ696, die zwei antihypertensive Wirkprinzipien vereint. Einerseits blockiert Valsartan das Renin-Angiotensin-System, andererseits hemmt der Neprilysininhibitor Sacubitril den Abbau natriuretischer Peptide. Damit ergänzen sich eine vasodilatierende Wirkung mit vermehrter Wasser- und Natriumausscheidung und die Reduktion des Blutvolumens. Nachdem erste Studien Vorteile gegenüber den Einzelsubstanzen Valsartan und Enalapril gezeigt haben, muss vor allem das Nebenwirkungsrisiko weiter untersucht werden.

Antihypertensive Chronotherapie

Vor allem bei Risikopatienten mit nächtlicher Hypertonie (Non-Dipper) oder einer Inversion des Blutdruckrhythmus (Inverted Dipper) sind die nächtliche Blutdrucksenkung und die Wiederherstellung eines normalen zirkadianen Rhythmus wichtige Therapieziele. Hierzu zählen Diabetiker mit Hochdruck, Patienten mit hypertensiven Organschäden wie Niereninsuffizienz und Hochdruckherz sowie Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe. Ein weiteres Ziel ist die Vermeidung eines übermäßigen Blutdruckanstiegs am Morgen.

Bei den meisten Menschen mit primärem Hochdruck liegt ein normaler zirkadianer Rhythmus vor. Bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer Hypertonie lässt sich mit einer Mono- oder Kombinationstherapie am Morgen eine Blutdrucknormalisierung über 24 h erreichen. Auch wenn die nächtliche Blutdruckabsenkung abgeschwächt oder aufgehoben ist, kann zunächst ein Therapieversuch mit einer lang wirksamen Substanz, die nach dem Aufstehen eingenommen wird, unternommen werden. Sinkt der Blutdruck nachts nicht ausreichend, kann die zusätzliche Gabe von Kalziumantagonisten, Alphablockern oder Clonidin am Abend sinnvoll sein. Bei Patienten mit Inversion des zirkadianen Blutdruckrhythmus ist die zusätzliche abendliche Therapie zur ausreichenden Blutdrucksenkung in der Nacht unumgänglich. Vor allem für ältere Hypertoniker ist der nächtliche Blutdruck von Bedeutung: Einer australischen Studie zufolge zeigte nur dieser einen signifikanten Zusammenhang mit kardiovaskulären Ereignissen und Todesfällen, nicht aber der Tages- oder der Praxisblutdruck. Allerdings darf der nächtliche Blutdruck auch nicht zu stark abfallen. Sinkt er um mehr als 20% (Extreme Dipper), steigt bei älteren Patienten das Risiko nächtlicher myokardialer oder zerebraler Mangeldurchblutung. Für diese Patienten kann es sinnvoll sein, für den Tag eine Substanz mit nur mittellanger Wirksamkeit zu wählen.