Eine Demenz in derart jungen Jahren — das kennt man fast nur von der neuen Creutzfeldt-Jakob-Variante. Doch offenbar kann auch eine frontotemporale Demenz (FTD) sehr früh auftreten und wird dann lange nicht erkannt, weil kaum ein Arzt eine solche Erkrankung bei jungen Erwachsenen für möglich hält.

Entsprechend lange dauerte es, bis die Ärzte den Grund für die Verhaltensänderungen und den kognitiven Abbau bei einem jungen Familienvater erkannten, berichten Neurologen um Dr. Bruce Miller, Boston. Aufgefallen waren der Ehefrau die ersten Verhaltensänderungen. Ihr damals 28 Jahre alter Mann begann sich plötzlich zurückzuziehen, hatte Probleme, Termine einzuhalten, rasselte durch Prüfungen und vernachlässigte den Dresscode bei der Arbeit. Er entwickelte geradezu eine Obsession für Harry-Potter-Hörbücher, die er immer wieder von neuem abspielte.

Verdacht auf Depression

Die Ehefrau suchte zahlreiche Ärzte auf. Sie hatte den Verdacht, dass ein Verkehrsunfall im Alter von zwölf Jahren seinen Spuren hinterlassen hatte oder dass ihr Gatte an einem Hirntumor litt. Die Ärzte gingen jedoch zunächst von einer Depression aus.

Nach einer Trunkenheitsfahrt wurde sein Gehirn per CT untersucht, dabei fiel eine Enzephalomalazie im Temporallappen auf. Diese führten die Neurologen jedoch auf den Unfall in der Kindheit zurück. Etwa ein Jahr nach dem Beginn der Verhaltensänderungen wurde der Mann mehrfach psychiatrisch und neurologisch untersucht. Die Ärzte diagnostizierten einen leichten Parkinsonismus, Aufmerksamkeitsdefizite, eine Affektverflachung sowie Probleme mit den Exekutivfunktionen und dem Gedächtnis. Das MRT zeigte eine deutliche fokale Atrophie im linken vorderen Temporallappen sowie eine allgemeine diffuse Temporallappen-Atrophie, die nicht so richtig zu einem Schädeltrauma passen wollte. Sie ist eher für neurodegenerative Prozesse typisch.

Der Tod kam mit 33 Jahren

Nachdem die Ärzte zunächst diverse psychiatrische Ursachen vermutet hatten, gingen sie nun zunehmend von einer Demenz aus. Diese war eineinhalb Jahre nach Beginn soweit fortgeschritten, dass der Mann nicht mehr für sich selbst sorgen konnte und von Verwandten betreut wurde. Im Alter von 31 Jahren gelangte er schließlich in eine Neuro-Reha-Einrichtung. Zu diesem Zeitpunkt konnte er zwar noch seine Familie erkennen, sich aber nicht mehr unterhalten und war zeitweise inkontinent. Im Alter von 33 Jahren starb er.

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Der Patient entwickelte eine Obsession für den kleinen Zauberlehrling.

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Als der kognitive Abbau manifest wurde, vermuteten die Ärzte eine FTD. Dafür sprachen zum einen die psychiatrischen Symptome zu Beginn mit Verhaltensänderungen, Impulsivität und Gleichgültigkeit, anderseits deuteten auch die CT- und MRT-Befunde in diese Richtung.

Über einen Gentest konnten die Ärzte ihre FTD-Diagnose bestätigen: Offenkundig war eine Mutation im Codon 389 für das Tau-Protein die Ursache für die frühe FTD. Da die Eltern keine frühe Demenz entwickelt hatten, gehen die Ärzte um Miller von einer De-novo-Mutation aus. Sie raten, in ähnlichen Fällen aber auch andere Ursachen auszuschließen.