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Kaum zu glauben. Gynäkologe Jens Schweizer aus dem niedersächsischen Georgsmarienhütte und viele Kollegen haben mitgezählt: Sie kamen auf genau 58 Termine im Monat, zu denen sich Patientinnen angemeldet hatten und ohne Erklärung nicht erschienen sind. In einer Umfrage hatte er sich deutschlandweit an seine Kollegen gewandt und sie gebeten, Strichlisten zu führen über die „geschwänzten“ Termine. 622 überwiegend gynäkologische Praxen aus ganz Deutschland haben an der Befragung teilgenommen.

Im Schnitt 58 verfallene Termine in einem Monat

Insgesamt zählten die teilnehmenden Ärzte innerhalb von frei gewählten vier Wochen sagenhafte 35.905 Termine, die nicht eingehalten, beziehungsweise nicht rechtzeitig abgesagt wurden. Das entspricht im Schnitt 58 verfallenen Terminen im Monat. Allerdings ist die Spanne gewaltig. Schweizers Auswertung, die Springer Medizin/Ärzte Zeitung vorliegt, zeigt: Die treusten Patientinnen hatte eine Praxis mit nur zwölf versäumten und nicht abgesagten Terminen in einem Monat. Das andere Ende der Skala markiert eine Praxis mit unglaublichen 192 ferngebliebenen Patientinnen im Laufe von vier Wochen. Das sind bei 22 Arbeitstagen im Monat mindestens acht Ausfälle am Tag.

Den finanziellen Verlust könne man nur schwer gegenrechnen, meint der Gynäkologe. Und selbst wenn, wie wäre das Geld rechtlich einwandfrei per Rechnung zu beanspruchen? Dr. Uwe Köster, Sprecher der KV Niedersachsen (KVN), jedenfalls sagt: „Der Anspruch des Arztes auf einen Honorarausfall wird in der Rechtsprechung sehr uneinheitlich beurteilt.“ Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) erklärt auf Anfrage, man könne das entgangene Honorar geltend machen. „Dies gilt aber nur in sogenannten Bestellpraxen, in der die Patienten termingenau behandelt werden und damit auch die Patienten grundsätzlich nicht warten müssen. In so geführten Praxen kommt sowohl ein Zahlungsanspruch aufgrund eines Annahmeverzuges gemäß § 615 BGB als auch ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 280, 252 BGB in Betracht“, teilt die KBV mit. Bei einem Annahmeverzug kann der Arzt grundsätzlich die vereinbarte Vergütung verlangen, muss aber auch ersparte Kosten etwa an Material gegenrechnen. „Die Möglichkeit, dass der Patient wegen der kurzfristigen Absage eines Termins in Annahmeverzug gerät, wird aber von einigen Gerichten auch verneint“.

Terminsprechstunde komplett abschaffen?

Viele Kollegen haben etwas anderes im Sinn, erklärt der Gynäkologe: „Sie wollen im Zweifel die Terminsprechstunde vollkommen abschaffen. Und dann können die Patienten kommen, wann sie wollen. Und wenn der Tag dann rum ist, dann geht eben nichts mehr, und wir schicken die Patienten wieder nach Hause nach dem Motto: neuer Tag, neues Glück.“