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Seit Jahren hält die Debatte um eine Teil-Legalisierung von Cannabis für Schwerkranke bereits an — nun könnte sie bald ein Ende haben. Denn die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, hat in einem Interview mit der Zeitung „Die Welt“ angekündigt, den Cannabis-Gebrauch für bestimmte medizinische Indikationen zu erleichtern. „Mein Ziel ist, dass in Zukunft mehr Menschen als bisher Cannabis als Medizin bekommen können“, sagte die CSU-Politikerin. „Für diese Patienten müssen die Kosten von den Krankenkassen erstattet werden.“ Noch in diesem Jahr solle das Gesetz durch den Bundestag gebracht werden. Tatsächlich arbeite das Gesundheitsministerium „unter Hochdruck“ an einer Regelung, bestätigte das Büro von Mortler auf Anfrage von Springer Medizin / Ärzte Zeitung. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe betonte: „Wir wollen, dass schwerkranke Menschen, denen nur durch Medizinalhanf geholfen werden kann, gut versorgt werden. Deshalb werden wir die rechtlichen Bedingungen, unter denen dies erfolgt, zeitnah anpassen.“

Im Visier der Ermittler

In anderen Ländern hat sich die Regelung bereits bewährt. Hierzulande können chronisch Kranke, die Cannabis zur Schmerzlinderung brauchen, noch ins Visier von Ermittlern geraten. Denn Cannabis-Präparate sind für ausgewählte Schmerzkranke auf Basis einer Ausnahmegenehmigung des BfArM zwar in den Apotheken erhältlich, jedoch teuer. Weil die Kosten in der Regel nicht von den Krankenkassen übernommen werden, entscheiden sich einige für den Eigenanbau — auch wenn sie damit die Gefahr eines Verfahrens eingehen. Damit soll laut Mortler nun Schluss sein. Ihre Ankündigung findet in der Politik Anklang: „Wir begrüßen und unterstützen die längst überfälligen Änderungen, die nun in Aussicht gestellt wurden“, teilten Hilde Mattheis, Sprecherin für Gesundheit der SPD-Bundestagsfraktion, und der Bundestagsabgeordnete Burkhard Blienert (SPD) mit. „Hiermit wird der Weg zu einer sachorientierten und ideologiefreien Debatte ermöglicht.“

Tatsächlich hatte eine repräsentative Umfrage von Infratest im Auftrag des Deutschen Hanfverbands (DHV) im Oktober 2014 gezeigt, dass dies auch die Mehrheit der Bevölkerung befürwortet: 82% der 1012 Befragten gaben an, dass der Zugang zur Droge zumindest für Patienten, deren Beschwerden dadurch gelindert werden können, ermöglicht werden sollte. „Cannabis auf Rezept und von der Kasse bezahlt ist für bestimmte Patientengruppen sicher sinnvoll“, sagte Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. „Außerdem ist eine klare Regelung besser als wenn sich jetzt jeder im Einzelfall gerichtlich das Recht auf Anbau im eigenen Garten erstreitet.“ Erst im Vorjahr hatte das Verwaltungsgericht Köln drei chronischen Schmerzpatienten erlaubt, in ihren Wohnungen Cannabis anzubauen, da entsprechende Medikamente für sie unerschwinglich seien. Kritiker warnten daraufhin vor einer scheibchenweisen Legalisierung der Droge.

12 Millionen Schmerzpatienten

In Deutschland gibt es der Deutschen Schmerzgesellschaft zufolge zwölf Millionen Menschen mit chronischen Schmerzen — 239 haben seit Anfang 2014 eine Ausnahmeerlaubnis beantragt, um Cannabis zu medizinischen Zwecken zu nutzen, teilte BMG-Staatssekretärin Ingrid Fischbach jüngst mit. Neben Schmerzpatienten zählen zu den betroffenen Indikationen Spastik bei MS, Tourette-Syndrom, depressive Störungen sowie ADHS. „Cannabis kann dabei nie als Medikament der ersten Wahl gelten“, betont Prof. Dr. Joachim Nadstawek, Vorsitzender des Berufsverbands der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland (BVSD). Wie beim Einsatz von Opioiden müsse eine Indikation vorliegen. Der BVSD befürworte die Neuregelung aber ausdrücklich.