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© Georgios Kollidas / Fotolia

Im September 2012 haben Archäologen die Überreste Richards III. unter einem Parkplatz in Leicester gefunden, dem Areal eines früheren Franziskanerklosters. Durch einen DNA-Abgleich mit Nachkommen sowie mit archäologischen und historischen Analysen konnte gesichert werden, dass es sich um das Skelett Richards III. handelt. Was Anthropologen und Bioarchäologen seither über ihn herausgefunden haben, korrigiert in gewisser Weise das Bild, das Shakespeare und das die Nachfolger Richards auf dem englischen Thron von ihrem verhassten Vorgänger gezeichnet haben, nämlich das Bild eines buckligen, humpelnden Krüppels mit teuflischem Charakter, einer „gräulichen Kröte, eines Schurkenkönigs.“

Richard III. (1452–1485) war der letzte König aus dem Hause Plantagenet, einer der wichtigsten Dynastien des hochmittelalterlichen Westeuropas, und der letzte englische Herrscher, der bei einer Schlacht ums Leben kam. In der Schlacht von Bosworth vor 530 Jahren, als die Heere Richards und Heinrich Tudors, dem späteren Heinrich VII. von England, aufeinanderstießen, war Richard III. 32 Jahre alt. Sein Tod war brutal, wie die noch sichtbaren Verletzungen seines Skeletts zeigen. Doch dazu später.

Was ist dran am angeblich buckligen König? Es existiert heute kein Bildnis Richards III. mehr, das zu Lebzeiten gemalt worden ist, erst später sind Bilder angefertigt worden.

1490 beschrieb der Historiker John Rous den König als eher zart gebauten Mann, dessen rechte Schulter höher gewesen sei als die linke. Die gefundenen Überreste in Leicester offenbaren, dass Richard III. tatsächlich einen fast femininen Körperbau und eine Skoliose hatte. Genauere Untersuchungen der Wirbelkörper, der Facettengelenke, computertomographische Analysen sowie die 3D-Rekonstruktion der kompletten Wirbelsäule ergaben, dass es sich um keine kongenitale Skoliose, sondern um eine idiopathische Adoleszentenskoliose gehandelt haben muss — eine gut ausbalancierte Deformation, da Hals- und Lendenwirbelsäule weitgehend lotrecht waren. Betroffen war die Brustwirbelsäule mit typischer rechtskonvexer Verkrümmung.

Allenfalls leicht verdrehte Haltung

Bei einem Cobb-Winkel von zu Lebzeiten wahrscheinlich etwa 70–80° war diese Skoliose zwar ausgeprägt, hat aber in aufrechter Haltung wahrscheinlich nicht zu einem stark sichtbaren Rippenbuckel geführt, allenfalls zu einer leicht verdrehten Haltung, vermutet der Anthropologe Dr. Piers Mitchel von der Universität Cambridge. Ein geschickter Schneider oder eine individuell angepasste Rüstung haben mit hoher Wahrscheinlichkeit die Deformität verdecken können. Zweifellos dürfte der Oberkörper Richards gedrungen und verkürzt ausgesehen haben, für eine eingeschränkte Herz- und Lungenfunktion gibt es jedoch keine Hinweise, ebenso wenig auf sonstige funktionelle Beeinträchtigungen, etwa der Extremitäten. Gut möglich ist dagegen, dass Richard unter chronischen Rückenschmerzen gelitten hat.

Verkrümmung seit 10. Lebensjahr

Die Wissenschaftler um Dr. Jo Appleby und Professor Guy Rutty von der Universität Leicester gehen davon aus, dass die Wirbelsäulenverkrümmung nach dem zehnten Lebensjahr begonnen hat sich auszuprägen. Ob eine Traktionsbehandlung bei Richard erfolgte, ist nicht überliefert. Mitchell vermutet, dass der Cobb-Winkel zum Ende der Adoleszenz etwa 50° betragen habe und sich bis zu Richards Tod auf etwa 70 bis 75° verschlechtert hat. Bei normaler Wirbelsäule wäre Richard etwa 1,70 Meter groß gewesen. Aufgrund der Skoliose müssen etwa fünf bis acht Zentimeter von dieser Körpergröße abgezogen werden. Den Kampf mit dem Schwert dürfte die Deformität nicht verhindert haben, ohne sie wäre Richard jedoch wohl ein besserer Kämpfer gewesen.

Ob ihn das am 22. August 1485 gerettet hätte? Tatsache ist, dass er an diesem Tag geradezu hingerichtet worden ist: Die Skelettanalyse ergab elf Verletzungen ohne Zeichen von Heilungstendenzen.

So findet sich ein 10 mm großes Loch am rechten Oberkieferknochen in Verbindung mit einer Frakturlinie, beides verursacht wahrscheinlich durch den Stoß mit einem Dolch. Auch am Unterkiefer sind mehrere Schnittmarken im Knochen feststellbar. Betrachtet man den Schädel von unten, ist ein großer Teil des Okzipitalknochens mit einer scharfen Waffe abgetrennt worden. Hinzu kommt eine Penetrationsverletzung in unmittelbarer Nähe des Foramen magnum. Bei Sondierung dieser Verletzung gelangte Appleby direkt auf eine weitere Verletzung auf der gegenüberliegenden Innenseite des Schädels. Der Angreifer muss demzufolge eine lange spitze Waffe von hinten in den Schädel und durch das Gehirn gerammt haben — eine tödliche Verletzung, die nur bei nach vorn geneigtem Kopf erfolgt sein kann, während das Opfer sich in kniender Position oder in Bauchlage befand.

Anhaltende Attacke durch Angreifer

Schließlich identifizierten die Wissenschaftler noch Beckenverletzungen, die darauf hindeuten, dass eine Waffe mit scharfer Klinge von hinten durch das rechte Gesäß in den Unterbauch gestoßen worden ist. All diese Verletzungen weisen auf eine anhaltende Attacke eines Angreifers oder mehrerer Angreifer hin.

Üblicherweise war ein König durch seine Rüstung gut geschützt. Die Verletzungen verdeutlichen, dass zumindest Teile der Rüstung entfernt worden sein müssen. So trug er offenbar keinen Helm oder hatte ihn im Kampf verloren. Es ist beschrieben worden, dass Richards Leiche entkleidet, über ein Pferd geworfen und geschändet worden ist — gut möglich, dass manche Verletzungen daher rühren. Andererseits waren keine Abwehrverletzungen an Armen oder Händen feststellbar, diese waren offensichtlich geschützt.

Appleby und ihre Mitarbeiter gehen zusammenfassend davon aus, dass zwei am unteren Schädel feststellbare Verletzungen zum Tod geführt haben müssen und die schwere Beckenverletzung sowie weitere Gesichtsverletzungen post mortem zugefügt worden sind.

Beim Auffinden des Skeletts Richards III. waren keinerlei Kleidungsreste oder Hinweise auf einen Sarg gefunden worden. Daraus und aus historischen Berichten geht hervor, dass der Leichnam unbekleidet in einem für ihn zu kleinen Grab auf dem damaligen Klosterfriedhof verscharrt worden ist.

Adoleszentenskoliose

Die adoleszente Form der idiopathischen Skoliose beginnt während der Pubertät. Betroffen sind vorwiegend Mädchen. Skoliosen der Brustwirbelsäule sind fast ausnahmslos rechtskonvex und in der Regel mit Lordosen assoziiert. Adoleszentenskoliosen weisen immer eine Rotation auf: die dorsalen Wirbelkörperanteile sind gegen die Konkavseite der Krümmung rotiert. Es wird angenommen, dass diese Skoliosen durch ein Missverhältnis zwischen dem Wachstum der dorsalen und dem der ventralen Wirbelkörperanteile entstehen. Das verminderte dorsale Wachstum zwingt die Wirbelkörper zum Ausweichen nach lateral und zur Rotation.

Cobb-Winkel

Nach dem US-Amerikanischen Orthopäden John Robert Cobb (1903–1967) benannter Skoliosewinkel, der die Seitausbiegung auf a.-p.-Röntgenaufnahmen der Wirbelsäule beschreibt: Zunächst wird eine Linie durch die beiden am stärksten gegeneinander verkippten Wirbelkörperdeck-/grundplatten gezogen. Diese Linien (oder die Senkrechten auf diesen Linien) schneiden sich in einem bestimmten Winkel — dieser Wert entspricht dem Skoliose- oder Cobb-Winkel.