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Die meisten COPD-Patienten erleiden im Lauf der Erkrankung mindestens eine akute Exazerbation (AECOPD). Schon im GOLD-Stadium II (50% ≤ FEV1 <80%) sind bis zu 20% der Patienten sogenannte „Häufig-Exazerbierer“, das heißt, sie machen pro Jahr mindestens zwei akute Exazerbationen durch. Dabei handelt es sich, nach der Definition der Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD), um „ein akutes Ereignis, das charakterisiert ist durch eine Verschlechterung der respiratorischen Symptomatik, die über das Ausmaß der üblichen Schwankungen hinausgeht und zu einer Änderung der Medikation führt“. Etwa die Hälfte der Fälle sind sogenannte Infektexazerbationen, die durch virale und/oder bakterielle Erreger ausgelöst werden. Sich verschlechternde Begleiterkrankungen und Umweltfaktoren wie Luftverschmutzung gelten als weitere Trigger.

Exazerbationen vermeiden heißt Langzeitfolgen verhindern

AECOPD haben, auch wenn sie durch Sauerstoff, schnell wirksame Bronchodilatatoren, systemische Kortikosteroide und ggf. Antibiotika unter Kontrolle gebracht werden können, langzeitige Folgen für die Patienten. Denn behandelte Exazerbationen in der Anamnese sind laut GOLD-Leitlinie „der stärkste Prädiktor“ für weitere Exazerbationen. Und jede akute Verschlechterung beschleunigt den Lungenfunktionsverlust, verschlechtert den Gesundheitszustand und erhöht die Mortalität. Weil Exazerbationen ein Indikator für eine schlechtere Prognose sind, werden sie bei der neuen Einteilung der COPD in die Schweregrade A bis D, neben Lungenfunktion und Symptomschwere, als weiteres Kriterium berücksichtigt. Wegen der häufig erforderlichen Krankenhausaufenthalte verursachen Exazerbationen einen Großteil der Gesundheitsausgaben für die COPD.

Die Vermeidung von Exazerbationen ist bei der Behandlung von COPD-Patienten daher vorrangig. Mit welchen Maßnahmen dieses Ziel zu erreichen ist, das haben Dr. Hans Jörg Baumann und Kollegen von der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf in „Der Pneumologe“ zusammengefasst.

Bronchodilatatoren: Für lang wirksame Betamimetika (LABA) wie für lang wirksame Anticholinergika (LAMA), die Basistherapeutika der COPD, ist eine Senkung der Exazerbationsrate belegt. Unter LABA geht die Rate auch mittelschwerer und schwerer AECOPD um etwa 20% zurück, unter den neuen 24-Stunden-LABA wahrscheinlich noch stärker. Unter LAMA traten etwa in der UPLIFT-Studie 14% weniger Exazerbationen auf. Die präventive Wirkung von LABA und LAMA wird vor allem auf die Verbesserung der Lungenfunktion durch die verminderte Überblähung zurückgeführt.

Inhalative Kortikosteroide (ICS): Sie sind laut GOLD nur bei Patienten mit mindestens zwei Exazerbationen pro Jahr indiziert (Stadien C und D). Der Grund: Sie senken zwar nachweislich die Exazerbationshäufigkeit um etwa 25%, aber sie sind auch mit einem erhöhten Risiko für Pneumonien belastet.

Inhalative Kombinationstherapien: Schon im Stadium B (niedriges Exazerbationsrisiko, aber deutliche Symptome) können LABA und LAMA kombiniert werden, ab dem Stadium C kann auch ein ICS dazukommen. Laut Baumann konnte „für verschiedene, aber nicht für alle Kombinationen aus LABA, LAMA und ICS“ ein Effekt auf die Exazerbationshäufigkeit gezeigt werden. Nachgewiesen ist die Wirkung z. B. für LABA plus ICS (TORCH-Studie) sowie für die Tripeltherapie aus LABA, LAMA und ICS. Unklar ist dagegen, ob auch die Ergänzung einer bestehenden Therapie mit LABA und LAMA um ein ICS die Rate an AECOPD weiter senkt.

Phosphodiesterase-Hemmer: Der alternativ zu ICS einsetzbare Phosphodiesterease-4-Hemmer Roflumilast wirkt ebenfalls antientzündlich. In randomisierten Studien wurde ein Rückgang vor allem von leichteren Exazerbationen festgestellt. Für das Uralt-Präparat Theophyllin, einen unspezifischen Phosphodiesterease-Hemmer, gibt es dagegen keine gesicherten Daten zu Exazerbationsraten.

Antibiotika: Da bakterielle Infektionen ein wichtiger Trigger für AECOPD sind, wurde in verschiedenen Studien die prophylaktische Gabe von oralen bzw. inhalativen Antibiotika untersucht. Als wirksam erwies sich z. B. eine gepulste Gabe von Moxifloxacin per os (über ein Jahr hinweg alle acht Wochen für jeweils fünf Tage): Die Patienten hatten damit 25% weniger Exazerbationen. Insgesamt ist die Studienlage zur Antibiotikaprophylaxe aber widersprüchlich. Laut Baumann und Kollegen kann daher keine generelle Empfehlung ausgesprochen werden, „für ausgewählte Patienten“ könne sie aber sinnvoll sein. Ein Nutzen ist vor allem von Makrolidantibiotika zu erwarten, die nicht nur bakterizid, sondern auch antinflammatorisch und immunmodulierend wirken. Nach einer Metaanalyse senken sie bei einer prophylaktischen Anwendung über drei bis zwölf Monate die Rate an AECOPD um 37%. Dieser Gewinn ist jedoch gegen das Risiko einer ototoxischen Wirkung und die Gefahr einer Makrolidresistenz abzuwägen.

Mukolytika: Laut einem Cochrane-Review können Mukolytika, dazu gehören z. B. N-Acetylcystein, Ambroxol oder Cineol, eine geringfügige, aber signifikante Reduktion der Exazerbationshäufigkeit bewirken. Der Effekt fällt in Studien jüngeren Datums allerdings schwächer aus als in älteren. In der Kombination mit modernen Medikamenten kommt die Wirkung daher möglicherweise nicht mehr zum Tragen.

Statine: Aufgrund einer retrospektiven Analyse wurde vermutet, die antientzündlich wirkenden Lipidsenker könnten auch AECOPD verhindern. Inzwischen gibt es jedoch eine randomisierte Studie, die diese Hypothese nicht bestätigt hat.

Impfungen: COPD-Patienten sollen jährlich gegen Influenza geimpft werden. Das senkt vor allem das Risiko für Krankenhausaufnahmen wegen Pneumonien und Influenzainfektionen, beugt aber auch Exazerbationen vor. Die empfohlene Pneumokokken-Schutzimpfung trägt ebenfalls zur AECOPD-Prävention bei.

Disease-Management-Programme: Die aktive Beteiligung des Patienten ist eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg aller therapeutischen Maßnahmen. So konnte z. B. mit einem Selbstmanagement-Konzept zwar nicht die Rate an Exazerbationen, dank frühzeitiger Behandlung aber die Zahl der dadurch verursachten Krankenhauseinweisungen reduziert werden.

Pulmonale Rehabilitation: Unabhängig vom Schweregrad ihrer COPD profitieren die Patienten von Trainingsprogrammen. Körperliche Leistungsfähigkeit, Lebensqualität und Lebenserwartung können damit gesteigert werden. Ob auch die Frequenz von Exazerbationen zurückgeht, ist laut Baumann und Kollegen nicht belegt. Allerdings lässt sich beobachten, dass COPD-Kranke, die sich mehr bewegen, z. B. indem sie regelmäßig spazieren gehen, seltener wegen Exazerbationen stationär behandelt werden. Bei Patienten, die bereits mit einer AECOPD im Krankenhaus sind, kann durch eine anschließende Lungen-Reha erneuten Krankenhausaufenthalten vorgebeugt werden.

Nikotinkarenz: Die wichtigste Maßnahme für COPD-Patienten führt nachweislich zu einer besseren Lungenfunktion und einer geringeren Mortalität. Für einen positiven Effekt auf die Häufigkeit von Exazerbationen gibt es jedoch nur indirekte Hinweise: Dänischen Registerstudien zufolge müssen COPD-Patienten, die aufs Rauchen verzichten, seltener stationär behandelt werden.

Langzeit-Sauerstofftherapie: Bei hypoxämischen COPD-Patienten wirkt eine Langzeit-Sauerstofftherapie (LTOT) lebensverlängernd. Möglicherweise besteht ein Zusammenhang mit der Vermeidung von Exazerbationen: Patienten mit unzureichender LTOT-Therapie haben ein erhöhtes Risiko, wegen COPD-Exazerbationen ins Krankenhaus zu kommen.

Nichtinvasive Beatmung (NIV): Bei ventilatorischer Insuffizienz ist der Nutzen der NIV mit höchstem Evidenzgrad belegt. Ob sie auch Exzerbationen vorbeugen kann, ist nicht bekannt.

Lungenvolumenreduktion (LVR): Bei der chirurgischen LVR werden Lungenbereiche entfernt, um die Überblähung zu reduzieren, damit die Atempumpe effektiver arbeiten kann. Bei ausgewählten schwerkranken Patienten wird dadurch auch die Überlebenszeit verlängert. Mit der Zunahme der Lungenfunktion kommt es außerdem zu einer Abnahme von Exazerbationen. Nach bisherigen Erfahrungen gilt das jedoch nicht für die endoskopische LVR. Hier wurde sogar eine Zunahme von Exazerbationen beobachtet.

Zahnhygiene: Bei schlechtem Zahnstatus und mangelnder Zahnpflege kann die Mundhöhle ein Reservoir für bakterielle Krankheitserreger sein. Mikroaspirationen, die auch physiologisch auftreten, könnten dann Exazerbationen auslösen. Darauf deutet zumindest eine Kohortenstudie mit COPD-Patienten hin. In einer kleinen Studie wirkte eine Zahnsanierung protektiv: Patienten, deren Parodontitis behandelt wurde, erlitten weniger Exazerbationen als unbehandelte.