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Der Patient muss über die Kosten von Laborleistungen in Textform informiert werden, wenn bekannt ist, dass die Versicherung die Kosten nicht vollständig übernimmt.

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Der Sachverhalt:

Die Klägerin ist ein privates Versicherungsunternehmen. Der Beklagte hat als niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin im Jahre 2010 bei einem Mitglied der Klägerin verschiedene ambulante Behandlungen durchgeführt und Laborleistungen bei einem Arzt für Laboratoriumsmedizin in Auftrag gegeben. Zudem begab sich der Patient in die ambulante Behandlung einer niedergelassenen Ärztin in einer Praxis für ganzheitliche Medizin. Die ärztlichen und labormedizinischen Leistungen wurden durch eine Abrechnungsstelle im Auftrag des beklagten Arztes und des Laborarztes mit insgesamt € 15.352,34 in Rechnung gestellt.

Versicherung lässt medizinische Notwendigkeit prüfen

Nachdem der Patient die Rechnungsbeträge ausgeglichen und diese bei der klägerischen Versicherung zur Erstattung eingereicht hatte, ließ die Versicherung die medizinische Notwendigkeit der abgerechneten Leistungen überprüfen. Die beiden in ihrem Auftrag erstatteten Privatgutachten kamen zu dem Ergebnis, dass der weit überwiegende Teil der in Rechnung gestellten Leistungen medizinisch nicht notwendig gewesen war.

Nachdem der Patient seine Rückforderungsansprüche aus den von ihm bezahlten Rechnungen an seine private Krankenversicherung abgetreten hatte, hat diese den die Leistungen veranlassenden Arzt für Allgemeinmedizin auf Rückerstattung verklagt.

Die Entscheidung des Gerichts:

Das OLG Köln hat den Klageanspruch im Wesentlichen für gerechtfertigt gehalten und lediglich einen Anspruch wegen der durch die Praxis für ganzheitliche Medizin erbrachten Leistungen verneint, weil insoweit die Klage nicht gegen den Facharzt für Allgemeinmedizin, sondern gegen die Praxis für ganzheitliche Medizin selbst hätte gerichtet werden müssen.

Nach dem durch die Versicherung vorgelegten Gutachten und das zusätzlich in der Vorinstanz durch das Landgericht eingeholte Sachverständigengutachten stand fest, dass die vom Beklagten abgerechneten Leistungen und die durch ihn veranlassten Laborleistungen angesichts des gesundheitlichen Zustandes des Patienten medizinisch im Wesentlichen nicht indiziert gewesen sind, indem der beklagte Arzt im größeren Umfang medizinisch nicht notwendige Therapien durchgeführt oder veranlasst hat.

Zu viel des Guten ...

Dazu gehörte u. a. bei dem Patienten zur Behandlung eines seit Jahren bestehenden chronischen Lendenwirbelsäulensyndroms und eines Hüftverschleißes Infusionstherapien mit naturheilkundlichen Mitteln, Vitaminen und Schmerzmitteln, die teils in Bezug auf die zugeführten Mittel (Vitamine, homöopathische und antihomotoxische Substanzen) und teils in der Art der Verabreichung (Infusion statt oraler Gabe) medizinisch nicht geboten waren. Zudem habe es an einem Nachweis eines klinisch relevanten Vitamin- und Elektrolytenmangels gefehlt und sei die Notwendigkeit einer Substitution von Zink, Calcium, Magnesium und Selen nicht erkennbar gewesen; ferner wurde die Anzahl intraartikulärer Injektionen, Injektionen in den Peridualraum, Infiltrationsanästhesien, Infiltrationsbehandlungen usw. nicht bzw. nicht in der erbrachten Häufigkeit als indiziert beurteilt. Danach war für das Gericht eindeutig, dass eine über das Maß der medizinisch notwendigen ärztlichen Versorgung hinausgehende Behandlung stattgefunden hatte, die gem. § 1 Abs. 2 GOÄ nur dann berechtigt gewesen wäre, wenn es sich um eine „Verlangensleistung“ gehandelt hätte (die dann aber auch gegenüber der Versicherung nicht zur Erstattung hätte vorgelegt werden dürfen).

Arzt muss Laborleistungen zurückerstatten

Darüber hinaus hat das OLG Köln den beklagten Allgemeinmediziner für verpflichtet gehalten, die von ihm veranlassten Laborleistungen der Versicherung zurückzuerstatten. Dabei hat das OLG Köln dahinstehen lassen, ob hinsichtlich der Laborleistungen ein eigenständiges Vertragsverhältnis zwischen dem veranlassenden Allgemeinmediziner und dem Patienten oder nur zwischen dem Patienten und dem Laborarzt zustande gekommen. Auch wenn die objektiven Umstände für ein eigenständiges Vertragsverhältnis zwischen Patient und Laborarzt gesprochen haben, war jedenfalls ein Anspruch gegen den die Laborleistungen veranlassenden Allgemeinarzt unter dem Gesichtspunkt einer originären Schadenersatzverpflichtung gegenüber dem Patienten begründet.

Das OLG Köln hat dem veranlassenden Allgemeinarzt insoweit vorgeworfen, seine Verpflichtung zur Aufklärung darüber verletzt zu haben, dass die beabsichtigte Behandlung über das Maß des medizinisch Notwendigen hinausgeht.

Schriftliche Aufklärung über Kosten ist Pflicht

Nach allgemeiner Meinung gehört zu den Pflichten des behandelnden Arztes, den Patienten vor unnötigen Kosten und unverhältnismäßigen finanziellen Belastungen zu bewahren, soweit der Arzt über bessere Kenntnisse und ein besseres Wissen verfügt. Dies ist nach der Rechtsprechung u. a. der Fall, wenn der behandelnde Arzt positive Kenntnis von der Unsicherheit der Kostenübernahme durch den Krankenversicherer hat oder wenn sich aus den Umständen zumindest hinreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten nicht gesichert ist. Diese Verpflichtung zur wirtschaftlichen Aufklärung trifft den Arzt nicht nur bei eigenen Leistungen, sondern auch bei den von ihm veranlassten Fremdleistungen — wie hier die durch Übersendung von Labormaterial veranlassten Laborleistungen eines Laborarztes. Diese Verpflichtung ist inzwischen ausdrücklich in § 630 c Abs. 3 BGB i.d.F. PatRG enthalten, wonach der Behandler den Patienten über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung in Textform informieren muss, wenn der Behandler weiß, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten nicht gesichert ist und sich nach den Umständen für ihn hinreichende Anhaltspunkte ergeben, sofern nicht ein gesetzlich geregelter Ausnahmetatbestand gegeben ist.

Diese Verpflichtung zur wirtschaftlichen Aufklärung traf den beklagten Allgemeinmediziner allerdings nicht hinsichtlich der Leistungen, die in der Praxis für ganzheitliche Medizin erbracht worden waren; die unterschiedliche Behandlung rechtfertigt sich daraus, dass der Patient an einen anderen Arzt überwiesen worden war, der den Patienten selbst zu untersuchen hatte und dem deswegen eine eigenständige Beurteilung der Erforderlichkeit von Untersuchungen und Behandlungen oblegen hatte.