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Die eigentlich für sieben Jahre geplante „Fahrt der Snark“, so der Titel des 1911 von Jack London (1876–1916) veröffentlichten Reiseberichts, stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Monat um Monat verzögerte sich der Bau der von ihm und seiner zweiten Frau Charmain entworfenen knapp 14 Meter langen Segeljacht. Das schwere Erdbeben von San Francisco am 18. April 1906 mit 3000 Toten, vielen Bränden und schweren Verwüstungen, gefährdeten das Projekt Weltumseglung materiell wie finanziell. Beim von Pleiten, Pech und Pannen geprägten Bau wurde der inzwischen als reich geltende Schriftsteller und Journalist finanziell skrupellos ausgenommen.

Dafür erhielt er ein zwar wunderschönes, jedoch in vieler Hinsicht verpfuschtes zweimastiges Segelboot, das man getrost als Todesfalle bezeichnen konnte: Bei der Fahrt nach Hawaii, wo der Bau vollendet werden sollte, stellte London fest, dass Deck und Borde leckten, durch die vier angeblich wasserdichten Abteilungen des Schiffes drang Wasser „wie Luft“, scheinbar stabile Eisenhebel der Pumpen brachen ab und der angeblich hermetisch abgedichtete Tank mit 1000 Gallonen Benzin für den 70-PS-Hilfsmotor war undicht. Während eines Sturms brach der Gänsehals an der Gaffel des Großsegels ab, ebenso der Außenklüverbaum, das Boot rollte bei Sturm im Wellental und es half kein Manöver, um das Schiff beizudrehen — eine äußerst gefährliche Situation. Londons Fazit: „Menschen haben uns betrogen und in einem Sieb auf See geschickt.“ Dieses Sieb wurde darüber hinaus von Menschen bedient, die zu Beginn der Reise keine Ahnung von Navigation hatten und allenfalls wenig von Seefahrt verstanden.

Mit dem Schiff in den Südpazifik

Erstaunlicherweise hielt das Jack London und seine Charmain nicht davon ab, zwei Jahre mit dem Schiff unterwegs zu sein und es bis in den Südpazifik zu schaffen. Erst eine Infektionskrankheit beendete vorzeitig das aus einer Laune und purer Lust am Abenteuer heraus entstandene Projekt: die Himbeerpocken, auch Bouba, Yaws oder Parangi genannt und in Fachkreisen besser bekannt als Frambösie. „Yaws ist eine vergessene Krankheit, die jedoch früher einmal 50 bis 100 Millionen Menschen weltweit befallen hat“, so Professor John J. Ross vom Brigham and Women’s Hospital in Boston, Massachusetts in einem Artikel über Londons Krankheiten. Die Frambösie ist der Syphilis verwandt, wird jedoch nicht venerisch übertragen. Auslöser ist Treponema pertenue. Die Spirochäten gelangen besonders bei Hautverletzungen, über Insektenstiche, aber auch durch Einatmen oder Verschlucken in den Körper.

Fünf große Ulzerationen an Knöcheln und Fußsohlen

Jack London war der erste der Crew, dessen von Moskitos zerstochene und zerkratzte Knöchel eine Eintrittspforte für die Erreger bildeten. Es entwickeln sich fünf große Ulzerationen an den Knöcheln und Fußsohlen. Das Laufen ist eine Tortur und die Schmerzen hindern ihn am Schlafen. Für London ist die Krankheit rätselhaft, er findet zunächst keine Informationen darüber und ist erschrocken: „Ein organisches und ätzendes Gift war am Werk“, erzählt er in seinem Buch. Er beschließt, dieses Gift mit Ätzsublimat (Quecksilberchlorid) zu vernichten. „Es war wie Feuer mit Feuer zu bekämpfen!“ Zunächst hat er damit Erfolg, doch dann entwickeln sich neue Läsionen an den Händen und Unterschenkeln. Er und die anderen Crew-Mitglieder versuchen es im Laufe der Zeit mit allem, was die Bordapotheke zu bieten hat: Arsenik, Wasserstoffperoxid, blaues Kupfersulfat, Iodoform, Limonensaft, Borsäure und vor allem Unmengen von Ätzsublimat. Doch der Erfolg bleibt aus.

„Ich fuhr nach Australien und ging in ein Krankenhaus, in dem ich fünf Wochen verbrachte. Elend krank verbrachte ich fünf Monate in Hotels“, schreibt London. „Die geheimnisvolle Krankheit, die meine Hände befallen hatte, war zu viel für die australischen Spezialisten. Sie war in der medizinischen Literatur unbekannt. Von keinem solchen Fall war jemals berichtet worden.“ Nun, ob das so stimmt, sei dahingestellt. Die Ärzte behandeln offenbar durchaus erfolgreich mit Arsentrioxid. Jedoch schwellen Londons Hände und Füße massiv an, die Haut schält sich ab. „Manchmal waren meine Fußnägel in vierundzwanzig Stunden so dick wie lang geworden. Nachdem man sie abgefeilt hatte, waren sie nach abermals vierundzwanzig Stunden wieder ebenso dick.“ Die australischen Ärzte sind sich einig, dass die Krankheit nicht parasitär sei, ergo müsse sie nervöser Natur sein, so Londons Bericht.

Er befürchtet, eine Art Lepra zu haben, seine silbrig erscheinende Haut werde „durch die ultraviolette Strahlung zerfetzt“, dabei zieht er eine Parallele zu den erst wenige Jahre zuvor entdeckten Röntgenstrahlen. „Anders als über die ‚Echte Lepra’ ist über diese geheimnisvolle Krankheit nichts bekannt... Man weiß nicht, wie sie entsteht. Man weiß nicht, was sie ist. Man weiß nicht, warum sie verschwindet“, schreibt London.

Per Kohledampfer zurück

Wahrscheinlich ist, dass er sich, zusätzlich zur Frambösie eine chronische Quecksilbervergiftung mit toxisch-allergischer Reaktion (Akrodynie) zugezogen hatte. Er und seine Frau brachen schweren Herzens die geplante Weltumseglung ab, die „Snark“ wurde zu einem Bruchteil des Kaufpreises versteigert und auf einem Kohledampfer ging es zurück nach Kalifornien, wo London sich allmählich wieder erholte. Allerdings hatte er danach zunehmend Angst vor Krankheiten, besonders vor Syphilis und vor der Rückkehr der Himbeerpocken.

Im Jahre 1911 erhielt er noch einmal eine Therapie mit Arsenik. Nur fünf Jahre später starb London im Alter von 40 Jahren unter bis heute nicht ganz geklärten Umständen, wenngleich gezeichnet von einer schweren Niereninsuffizienz, von Schmerzen und Morphinabhängigkeit.