Die Herzinsuffizienz sei die „vielleicht größte gesundheitsökonomische Herausforderung des Jahrhunderts“, mutmaßen Dr. Carolin Feldmann, Prof. Dr. Georg Ertl und Prof. Dr. Christiane Angermann von der Universitätsklinik Würzburg in der Zeitschrift „Der Internist“. Die Pumpschwäche — die gemeinsame Endstrecke der meisten Herz-Kreislauf-Erkrankungen — weist seit Jahren eine steigende Prävalenz auf. Im Gegensatz zum akuten Koronarsyndrom ist die Mortalität nicht rückläufig, sondern nimmt kontinuierlich zu. Damit verursacht die Herzinsuffizienz einen steten Anstieg von Krankenhauseinweisungen und Gesundheitsausgaben. Etwa 2–3% des Gesundheitsbudgets werden derzeit auf die Herzschwäche verwandt. „Vor diesem Hintergrund bedarf es dringend eines ganzheitlichen Versorgungsansatzes, der Komorbiditäten und individuelle Patientenbedürfnisse berücksichtigt“, mahnen die Experten vom Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz in Würzburg. Nur durch ein Zusammenwirken von leitliniengerechter Herzinsuffizienztherapie und ganzheitlicher Patientenbetreuung könnten Mortalität, Morbidität, Leistungsfähigkeit und Lebensqualität der Patienten verbessert werden.

Basistherapie aus ACE-Hemmer und Betablocker

Bei der Therapie der chronischen systolischen Herzinsuffizienz hat es in den letzten Jahren einige Neuerungen gegeben. In die aktuelle Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) aus dem Jahr 2012 sind Medikamente neu bzw. mit neuer Indikation hinzugekommen, und auch der Kandidatenkreis für aggregatbasierte Therapien ist größer geworden.

Die Basistherapie der symptomatischen systolischen Herzinsuffizienz besteht unverändert aus einem ACE-Hemmer und, sofern nicht kontraindiziert oder unverträglich, einem Betablocker. Beide Substanzklassen bessern nicht nur die Symptome und die Belastbarkeit, sondern senken auch das Risiko für Krankenhauseinweisungen und die Mortalität. Angiotensin-Rezeptor-Blocker (ARB) werden nur dann empfohlen, wenn ACE-Hemmer nicht eingesetzt werden können.

Diuretika bleiben ebenfalls eine Schlüsseltherapie. Eine prognoseverbessernde Wirkung ist für sie zwar nicht belegt, sie mildern aber Luftnot und Ödeme. Ziel ist, mit der minimal erforderlichen Dosis die Euvolämie — das „Trockengewicht“ des Patienten — wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten.

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Damit das Herz nicht schlapp macht, müssen auch Komorbiditäten behandelt werden.

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Neu in der Leitlinie: If-Kanalblocker

Aldosteron-Antagonisten haben eine Indikationserweiterung erfahren: Nicht nur Postinfarktpatienten mit eingeschränkter Ejektionsfraktion (EF), auch Patienten mit Herzinsuffizienz anderer Genese sollen einen Aldosteron-Blocker erhalten, sofern sie unter der Kombination aus ACE-Hemmer (oder ARB) und Betablocker weiter symptomatisch sind (NYHA-Klasse II–IV) und die EF maximal 35% erreicht. Durch die Zusatztherapie kann das Risiko für Herzinsuffizienz-bedingte Krankenhausaufnahmen und vorzeitigen Tod gesenkt werden.

Neu in der Leitlinie ist Ivabradin. Der If-Kanal-Inhibitor sollte in Erwägung gezogen werden bei Patienten mit Sinusrhythmus, einer EF von maximal 35% und einer Ruhe-Herzfrequenz von mindestens 70 pro Minute, die trotz einer Dreifachtherapie mit ACE-Hemmer, Betablocker und Mineralokortikoidrezeptor-Antagonist noch Symptome aufweisen. Durch die Zusatztherapie wird die krankheitsspezifische Hospitalisierungsrate gesenkt. Falls die Patienten auch mit Ivabradin symptomatisch bleiben, kann eventuell der Einsatz von Digoxin oder Hydralazin-Isosorbiddinitrat geprüft werden.

Aggregat-basierte Therapien breiter einsetzbar

Eine Indikationsausweitung auf weniger symptomatische Patienten hat auch bei der kardialen Resynchronisationstherapie (CRT) stattgefunden. Die CRT ist angezeigt zur Besserung von Symptomen und Prognose, wenn Patienten mit Sinusrhythmus mit verbreitertem QRS-Komplex trotz optimaler Pharmakotherapie Symptome und eine reduzierte EF haben. Bei ausgewählten Patienten kann zur Prävention des plötzlichen Herztodes auch ein implantierbarer Cardioverter/Defibrillator (ICD) zum Einsatz kommen.

Die Indikation zur koronaren Revaskularisation ist nach der aktuellen Leitlinie ebenfalls großzügiger zu stellen: Sie wird empfohlen für Patienten mit linksventrikulärer Dysfunktion, die an Angina pectoris leiden und eine Hauptstammstenose oder auch eine Zwei- oder Dreigefäßerkrankung haben. Ob die Wiedereröffnung per Bypass oder per PTCA erfolgt, wird im Einzelfall entschieden.

Komplexe Interaktionen

„Zur Therapie der Herzinsuffizienz gehören die Vorbeugung, Identifizierung und Behandlung von Komorbiditäten“, betonen die Würzburger Kardiologen. Das Herzinsuffizienz-Syndrom sei nämlich eine „Systemerkrankung“. Neben altersabhängigen Gesundheitsproblemen kommen zur Herzschwäche oft charakteristische Begleiterkrankungen und Komplikationen hinzu, die die Lebenserwartung und -qualität gravierend beeinträchtigen. Registerdaten des Interdisziplinären Netzwerks Herzinsuffizienz (INH) ist zu entnehmen, dass nicht nur kardiovaskuläre, sondern auch extrakardiale Risikofaktoren und Erkrankungen weit verbreitet sind.

Solche Komorbiditäten sind laut Leitlinie aus vier Gründen besonders wichtig:

  1. 1.

    Sie können die Behandlungsoptionen bei Herzinsuffizienz einschränken (z. B. die Auftitration eines ACE-Hemmers bei Niereninsuffizienz).

  2. 2.

    Medikamente gegen die Begleiterkrankungen können die Herzinsuffizienz verstärken (z. B. NSAR bei Arthritis).

  3. 3.

    Polypharmakotherapie erhöht das Risiko für Interaktionen.

  4. 4.

    Die meisten Komorbiditäten verschlechtern die Prognose von Herzinsuffizienz-Patienten.

Therapie-Empfehlungen bei Komorbiditäten

Bluthochdruck fördert die Entstehung einer Herzinsuffizienz; eine antihypertensive Behandlung mindert das Risiko. Bei Patienten mit linksventrikulärer Dysfunktion sollte allerdings auf negativ inotrope Kalziumantagonisten wie Diltiazem und Verapamil verzichtet werden.

Gestörte Glukosetoleranz: Auch das gemeinsame Auftreten von Herzinsuffizienz und gestörter Glukosetoleranz bzw. manifestem Diabetes — eine häufige und prognostisch ungünstige Kombination — hat Konsequenzen für die medikamentöse Therapie: Betablocker können den Glukosestoffwechsel nachteilig beeinflussen; das Antidiabetikum Pioglitazon begünstigt Natrium- und Wasserretention und ist daher bei Herzinsuffizienz kontraindiziert.

Nierenfunktionsstörung: Bei Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz besteht meistens auch eine Nierenfunktionsstörung. Zwar können ACE-Hemmer, ARB und Aldosteron-Antagonisten die Nierenfunktion etwas vermindern — laut Leitlinie ist das aber in der Regel kein Grund, die Medikamente abzusetzen.

COPD: Eine ebenfalls häufige und oft nicht leicht abzugrenzende Komorbidität der Herzinsuffizienz ist die COPD. Angst vorm Betablocker ist den Würzburger Kardiologen zufolge meist unbegründet. Die Mehrzahl der COPD-Patienten toleriere Betablocker, allerdings seien kardioselektive Wirkstoffe vorzuziehen.

Eisenmangel: Nicht nur eine Anämie, auch ein funktioneller Eisenmangel mindert Lebensqualität und Überlebenserwartung von Herzinsuffizienz-Patienten. Bei Eisenmangel werden NYHA-Klasse und Leistungsfähigkeit durch Eisen-Carboxymaltose i.v. verbessert. Die Leitlinie empfiehlt daher, eine intravenöse Eisentherapie in Erwägung zu ziehen.

Depressionen sind bei herzinsuffizienten Patienten etwa vier- bis fünfmal häufiger als bei Gesunden. Ob SSRI den Verlauf der Herzinsuffizienz günstig beeinflussen, wird derzeit untersucht. Trizyklische Antidepressiva sollten wegen ihrer kardiovaskulären Nebenwirkungen nicht zum Einsatz kommen.

Defizit bei Versorgungsstrukturen

Die beste Therapie nützt wenig, wenn die Patienten sie nicht befolgen. Mangelnde Adhärenz infolge unzureichender Information und geringer Motivation ist nach Ansicht der Würzburger Kardiologen auch bei der Herzinsuffizienz ein großes Problem. Die Patienten müssten daher so beraten werden, dass sie Wirkungsweise und Notwendigkeit ihrer Therapie verstehen. Laut Leitlinie sollen sie Herzinsuffizienz-Symptome selbst überwachen, z. B. durch tägliche Gewichtskontrollen, und wissen, wie sie die Diuretikadosis anpassen bzw. wann sie mit dem Arzt Kontakt aufnehmen müssen. Sofern die Patienten stabil sind, sollten sie regelmäßiges aerobes Ausdauertraining betreiben.

Um das alles umzusetzen, werden nach Ansicht der Würzburger Ärzte dringend ganzheitliche Versorgungsstrukturen benötigt. „Übergeordnete Ziele sind eine effektivere Implementierung der Leitlinien und die Förderung von Krankheitskompetenz, Selbstverantwortung und gesundheitsförderlichem Lebensstil.“ Vor allem beim Wechsel aus dem stationären in den häuslichen Bereich sei eine „nahtlose“ Versorgung entscheidend für einen nachhaltigen Behandlungserfolg. Das demonstriert auch eine Studie der Uni Würzburg: NYHA-Klasse und Mortalität sechs Monate nach einem Krankenhausaufenthalt waren deutlich niedriger, wenn statt der üblichen Versorgung ein multidisziplinäres, von Pflegepersonal koordiniertes Betreuungsprogramm zum Zuge kam.