Eine Fehleinschätzung kann bei Patienten mit akut exazerbierter COPD fatal sein. Wie kanadische Forscher berichten, gibt es immer wieder COPD-Patienten, die wegen Atemnot in die Notaufnahme kommen, von dort nach kurzer Abklärung direkt nach Hause geschickt werden — und dann binnen kurzer Zeit versterben. Dies zu verhindern, war das Anliegen von Dr. Ian G. Stiell und Kollegen von der Universitätsklinik Ottawa.

Die Wissenschaftler trugen hierzu Daten aus sechs kanadischen Lehrkrankenhäusern zusammen. 945 Patienten im Alter von durchschnittlich etwa 73 Jahren gingen in die Bewertung ein. Sie alle hatten sich wegen Atemnot im Gefolge einer akuten COPD-Exazerbation in einer Notaufnahme vorgestellt. Um in die Studie aufgenommen zu werden, mussten die Patienten langjährige Raucher sein (mindestens 15 Packungsjahre) und eine zumindest mäßige Atemwegsobstruktion in der Vorgeschichte aufweisen.

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Bei Luftnot werden derzeit noch zu viele Patienten wieder nach Hause geschickt.

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10-Punkte-Score zeigt erhöhtes Risiko an

74 Patienten (8%) entwickelten nach ihrem Aufenthalt in der Notaufnahme ein akutes Ereignis. Dazu zählten Tod, Intensivbetreuung, Intubation, nicht invasive Beatmung oder auch ein Herzinfarkt. Für die Forscher alarmierend: 36 Zwischenfälle waren bei Patienten aufgetreten, die man von der Notaufnahme aus direkt nach Hause entlassen hatte. Zwei Patienten waren kurz darauf verstorben, 34 mussten innerhalb von 14 Tagen stationär aufgenommen werden. Insgesamt hatten die Notfallmediziner 591 Patienten von ihrer Abteilung aus direkt wieder heimgeschickt. Aus den klinischen Untersuchungsergebnissen sowie der Vorgeschichte der betroffenen Patienten entwickelten Stiell und Kollegen nun ein Punktesystem, an dem man das Risiko für einen COPD-assoziierten Zwischenfall ablesen soll. Die Skala besteht aus zehn Risikofaktoren, die unterschiedlich gewichtet werden. So erhält ein Patient beispielsweise zwei Punkte für eine Intubation aufgrund einer Atemwegserkrankung, einen Punkt für einen bestehenden koronaren Bypass, jeweils zwei Punkte für eine Herzfrequenz von mehr als 110/min bei Ankunft in der Notaufnahme oder einer arteriellen Sauerstoffsättigung (SaO2) von weniger als 90%. Drei Punkte zusätzlich werden z. B. für einen Hämoglobinwert unter 100 g/l vergeben, zwei Punkte für Anzeichen einer akuten Ischämie im EKG und ein Punkt für eine Harnstoffkonzentration von mindestens 12 mmol/l.

Insgesamt reicht die neu kreierte „Ottawa COPD Risk Scale“ von 0 bis 16 Punkten. Ein geringes Risiko liegt nach Berechnung der Forscher bei 0 Punkten vor, ein bis zwei Punkte entsprechen einem mittleren Risiko (≥ 4%), drei bis vier Punkte einem hohen (≥ 12,5%) und alle Punktzahlen darüber einem sehr hohen Risiko (≥ 32,9%) eines akuten Zwischenfalls.

Die Forscher spielten mehrere Modelle mit verschiedenen Schwellenwerten durch, ab denen man sich für die stationäre Aufnahme entscheidet. Läge die Schwelle bereits beim Punktwert 1, hätte man 57,6% der Patienten aufnehmen müssen. Bei 2 läge der Anteil bei 43,2%, bei 3 wäre nur noch jeder fünfte Patient in die Klinik gekommen. Tatsächlich betrug die Aufnahmerate bei den Studienteilnehmern 37,5%.

Gefährdete Patienten mit der Skala herausfiltern

„Schon ein relativ bescheidener Anstieg bei den Einweisungen, beispielsweise auf etwa 50%, würde das Patientenmanagement deutlich sicherer machen“, schreiben die Autoren. Die Skala könne helfen, die richtigen Patienten herauszufiltern, nämlich die mit dem höchsten Risiko für einen schweren Verlauf. Es stehe zu überlegen, ob man diese gleich in Einrichtungen überweisen sollte, die auf COPD spezialisiert sind.