In der modernen Medizin wird üblicherweise eine evidenzbasierte Therapie angestrebt. Doch was heißt schon evidenzbasiert? Studiendaten lassen sich oft auf die eine oder andere Art interpretieren, die absolute Wahrheit gibt es auch in der Wissenschaft nicht — so das Fazit beim ersten Symposium „CED kontrovers“ in Hamburg.
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Die Empfehlungen der Leitlinien stoßen im Klinikalltag oft an ihre Grenzen. Denn basiert eine Therapieempfehlung auf Evidenz, so bedeutet das, dass ihr Daten aus großen kontrollierten Studien zugrundeliegen. In solchen Studien aber gelten klar definierte Einschluss- und Ausschlusskriterien, was zur Folge hat, dass der „Alltags-Patient“ oft nicht abgebildet wird.
„Die Studienpatienten entsprechen kaum den Patienten, die wir Tag für Tag in der Praxis sehen“, betonte Prof. Dr. Klaus Herrlinger, Hamburg. Umso wichtiger ist es aus seiner Sicht, Studienergebnisse kritisch zu hinterfragen und zu diskutieren, was sie für den individuellen Patienten bedeuten.
Step up statt leitlinienbasiert
Anders als in vielen Leitlinien empfohlen, wird bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen deshalb im klinischen Alltag meist nach dem Step-up-Prinzip behandelt. So ist in der Regel unabhängig von den vorliegenden Studiendaten und den Vorgaben in den Leitlinien eine effektive Behandlung mit gut etablierten, einfach anzuwendenden und möglichst nebenwirkungsarmen Präparaten zu realisieren. Nur wenn dies nicht zum Erfolg führt, wird die Therapie eskaliert und dann auch ein potenziell höheres Nebenwirkungsrisiko in Kauf genommen. Deutlich machte Prof. Dr. Wolfgang Kruis, Köln, dieses Prinzip am Beispiel des Mesalazin (z. B. Salofalk®). Der Wirkstoff gilt als nicht ausreichend wirksam bei Patienten mit chronisch aktivem Morbus Crohn und/oder kompliziertem Verlauf. Das heißt jedoch keineswegs, dass der Wirkstoff keine Relevanz beim Morbus Crohn besitzt: „Aus epidemiologischen Untersuchungen wissen wir, dass ungefähr die Hälfte der Crohn-Patienten keine Steroide benötigt. Diese Patienten können wir mit Mesalazin durchaus erfolgreich behandeln“, erläuterte der Kölner Gastroenterologe.
Das spiegelt sich nach seinen Worten durchaus auch im Verordnungsverhalten der Ärzte wider: Demnach erhält das Gros der Patienten zunächst Mesalazin, intensiviert wird die Behandlung nur bei entsprechender Notwendigkeit. Dieses Vorgehen ist durchaus sinnvoll. Denn die NNT (Number Needed to Treat) von Mesalazin versus Placebo liegt für die Induktionsbehandlung beim Morbus Crohn für alle Tagesdosen bei 7 und bei der Erhaltungstherapie bei 13. Kruis: „In der Kardiologie würde man bei solchen Daten keine Sekunde zögern, eine Behandlung einzuleiten“.
Literatur
Symposium „CED kontrovers“ der Falk Foundation e.V. Hamburg, 2013
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Vetter, C. CED: Was heißt „evidenzbasiert“?. CME 10, 46 (2013). https://doi.org/10.1007/s11298-013-0970-x
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