Dass sich berufliche Mobilität wenige Jahre vor dem geplanten Ruhestand neuerdings rächen kann, diese Erfahrung macht derzeit ein Arzt, der kürzlich mit knapp über 60 Jahren von Bayern nach Niedersachsen umgezogen ist, um an einer Klinik einen Chefarztposten anzutreten. Das niedersächsische Versorgungswerk kann ihn nicht aufnehmen, da dessen Satzung grundsätzlich eine Altersgrenze von 60 Jahren vorsieht.

Bis Ende 2012 wäre das kein Problem gewesen: Der Arzt hätte die Mitgliedschaft in Bayern freiwillig fortsetzen können, wäre von der Rentenversicherung befreit geblieben und hätte damit seine Altersversorgung sichergestellt. Nun aber soll der Chefarzt Mitglied der gesetzlichen Rentenversicherung werden. Weil er aber nicht mehr volle fünf Jahre arbeiten will, würde er dort überhaupt keine Ansprüche erwerben.

Seit Ende 2012 gelten andere Gesetze

Seit Ende vorigen Jahres greift aber die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) zu, wenn ein Arzt aus seinem bisherigen Kammerbereich wegzieht. Sie stützt sich dabei auf die Rechtsprechung des BSG vom Oktober 2012, wonach die Befreiung von der GRV-Pflicht bei jedem Wechsel des Arbeitsplatzes erneut zu beantragen ist (Az.: 12 R 5/10 R).

Früher galt die Befreiung bei Aufnahme der ärztlichen Tätigkeit faktisch für das gesamte Berufsleben, heute ist das nicht mehr so. Die Versorgungswerke haben ihre Mitglieder Ende 2012 darüber informiert und sie aufgefordert, bei Wechsel des Arbeitsplatzes rechtzeitig einen neuen Antrag auf Befreiung zu stellen.

Freiwillig im Versorgungswerk befreit nicht vor der Gesetzlichen!

Zieht ein Arzt in einen anderen Kammerbereich um, kann er auch heute freiwilliges Mitglied in seinem Versorgungswerk bleiben — falls keine Pflichtmitgliedschaft in einem anderen Versorgungswerk besteht. Das ist die Konstellation bei dem 60-jährigen Arzt, der von Bayern nach Niedersachsen wechselte. Die Ärzteversorgung Niedersachsen nimmt über 60-Jährige prinzipiell nicht auf, weil für den Erwerb von Rentenanwartschaften eine Zugehörigkeitsdauer von 60 Monaten erforderlich ist. Der Arzt ist also nicht mehr Pflichtmitglied eines Versorgungswerks.

Bei freiwilliger Mitgliedschaft lauert dann die entscheidende Tücke: Die GRV stellt sich auf den Standpunkt, dass freiwillige Mitgliedschaft in der Ärzteversorgung nicht zur Befreiung von der GRV-Pflicht berechtigt. Wer als Arzt berufstätig ist, aber keine Pflichtmitgliedschaft in einem Versorgungswerk vorweisen kann, soll in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen.

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Der Umzug in einen neuen Kammerbereich kann kurz vor Rentenantritt zu Lücken in der Absicherung führen.

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Ärzte über 60, die ihre Berufstätigkeit in einem neuen Kammerbereich fortsetzen und dort wegen der Altersgrenze nicht Mitglied werden können, werden somit Zwangsmitglied bei der GRV. Dabei können sie nicht einmal Ansprüche bei der Rentenkasse erwerben, weil dafür — wie bei Versorgungswerken — die Wartezeit von 60 Monaten besteht. Gegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit besteht in dieser Zeit auch keine Absicherung.

Unterstützung durch die ABV

Die Arbeitsgemeinschaft Berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV) rät Ärzten, deren Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht abgelehnt wurde, Widerspruch einzulegen. Zudem sollten sie sich an die ABV wenden, die sie dabei unterstützen will. Die Versorgungswerke arbeiten außerdem an flexiblen Lösungen für Härtefälle.

Unabhängig von der neuen Problematik können Ärzte ihre geleisteten Beiträge nach wie vor von einem Versorgungswerk in ein anderes überleiten lassen, jedoch nach Lebensalter und Dauer der Mitgliedschaft begrenzt. In den Satzungen der Versorgungswerke ist festgelegt, dass eine Überleitung nur möglich ist, sofern das Mitglied nicht älter als 50 Jahre ist und nicht mehr als 96 Monatsbeiträge geleistet wurden. Der Grund für das Alterslimit liegt darin, dass die Versorgungswerke nach dem Kapitaldeckungsprinzip arbeiten. Werde man in höherem Alter Mitglied, reiche der Zinseszinseffekt auf die geleisteten Beiträge nicht aus, um die zustehende Rente zu finanzieren, sie müsste also von den anderen Mitgliedern quersubventioniert werden. Mit der Grenze von 96 Monaten werde der Entstehung von Kleinstanwartschaften und der Zersplitterung der Versicherungsbiografie vorgebeugt.