Die Netzwerk-Metaanalyse unter Leitung des Berner Epidemiologen Peter Jüni ist die bisher umfassendste Untersuchung zum kardiovaskulären Sicherheitsprofil von selektiven und nicht selektiven NSAR. Sie basiert auf den Daten aller großen randomisierten kontrollierten Studien, in denen NSAR mit anderen NSAR oder Placebo verglichen wurden. Durch die Methode der Netzwerk-Metaanalyse sind Vergleiche auch zwischen Substanzen möglich, die gar nicht direkt in einer Studie gegeneinander getestet wurden.

Insgesamt werteten die Wissenschaftler 31 Studien mit 116.429 Teilnehmern — überwiegend Patienten mit Arthrose und Rheuma — und mehr als 115.000 Patientenjahren aus. Die Patienten waren mit Naproxen, Ibuprofen, Diclofenac, Celecoxib oder Etoricoxib oder den inzwischen vom Markt genommenen COX-2-Hemmern Rofecoxib oder Lumiracoxib behandelt worden. Andere NSAR konnten nicht berücksichtigt werden, weil zu ihnen keine ausreichend großen randomisierten Studien vorlagen.

Die meisten Schlaganfälle unter Ibuprofen

Insgesamt wurden in den Studien 554 Myokardinfarkte registriert. Beurteilt wurde das Risiko anhand der Rate Ratio [RR], d.h. das Verhältnis der Inzidenz unter der einen im Vergleich zur anderen Therapie, in diesem Falle zu Placebo. Das höchste Risiko im Vergleich zu Placebo bestand unter Rofecoxib (geschätzte Rate Ratio [RR] 2,12), gefolgt von Lumiracoxib (RR 2,00). Aber auch Ibuprofen (RR 1,61) und Celecoxib (RR 1,35) waren mit einer erhöhten Herzinfarktrate assoziiert. Bei den anderen Substanzen gab es keine Evidenz für einen Risikoanstieg.

Eine ganz andere Rangfolge ergab sich für Schlaganfälle, die in Summe bei 377 Patienten diagnostiziert wurden: Der Spitzenreiter mit einer Verdreifachung des Risikos war hier Ibuprofen (RR 3,36). Höhere Schlaganfallraten fanden sich außerdem für Diclofenac, Etoricoxib, Naproxen und Lumiracoxib. Der Risikoanstieg unter Celecoxib und Rofecoxib war nicht signifikant.

Naproxen am wenigsten riskant

Bezüglich des Risikos für einen kardiovaskulär bedingten Tod (insgesamt 312 Fälle) waren Etoricoxib (RR 4,07) und Diclofenac (RR 3,98) führend. Außer Naproxen waren aber auch alle anderen Substanzen mit einem erhöhten Risiko assoziiert.

Der kombinierte Endpunkt aus Herzinfarkt, Schlaganfall oder Tod aus kardiovaskulärer Ursache trat unter allen NSAR häufiger auf als unter Placebo. Unter Naproxen war der Risikoanstieg allerdings nicht signifikant.

„Reale“ Patienten stärker gefährdet

Da die absoluten Fallzahlen in den Studien klein waren, sind die Rate Ratios mit einer gewissen Ungenauigkeit behaftet, wie Jüni einräumt. Trotz dieser Unsicherheit gebe es aber “kaum Belege dafür, dass eines der untersuchten NSAR in kardiovaskulärer Hinsicht sicher sei„.

Aus den geringen Ereigniszahlen dürfe auch nicht auf mangelnde klinische Relevanz geschlossen werden: „Unter Alltagsbedingungen sind die ‚Numbers Needed to Harm‘ niedriger“, so Jüni. Anders als die Studienteilnehmer haben die meisten NSAR-Anwender in der Praxis nämlich ohnehin ein mittleres bis hohes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse.

Die Studie bestätigt, dass die COX-2-Selektivität für das kardiovaskuläre Risiko einer NSAR-Therapie kein Maß darstellt. Daher kommt die Verschiebung des Gleichgewichts zwischen Prostazyklin und Thromboxan A2 nicht als alleinige Ursache für den Risikoanstieg infrage.

Effekte auf das Gefäßendothel und die NO-Produktion sowie der Blutdruckanstieg und die Volumenretention tragen vermutlich auch dazu bei.

Alternativen zur NSAR-Therapie untersuchen

„Wenn man ein NSAR verordnet — egal welches —, muss man das kardiovaskuläre Risiko berücksichtigen“, betont Jüni. Generell scheint Naproxen das in kardiovaskulärer Hinsicht unbedenklichste Analgetikum für Arthrosepatienten zu sein. Allerdings muss dieser Vorteil gegen die gastrointestinale Toxizität und die notwendige Begleittherapie mit einem Protonenpumpenhemmer abgewogen werden.

„NSAR sind im Hinblick auf Wirkung und Sicherheit keine idealen Medikamente“, heißt es in einem BMJ-Kommentar zu der Studie. Es sei möglichweiser an der Zeit, Alternativen zur NSAR-Therapie wie Paracetamol und Opioide systematischer zu untersuchen.