„Fieber in der Neutropenie ist immer eine potenziell lebensbedrohliche Situation“, betonte Privatdozentin Anja Lorch vom Uniklinikum Marburg. Steigt die Körpertemperatur für mehr als eine Stunde auf 38 °C oder darüber, dann ist bei Krebspatienten sofortiges Handeln angesagt, wenn weniger als 500 Neutrophile pro Mikroliter Blut vorhanden oder — bei laufender hämatotoxischer Chemotherapie — als Nadir zu erwarten sind.

Bei der Initialdiagnostik sind neben der körperlichen Untersuchung zwei Pärchen Blutkulturen (aerob/anaerob) von unterschiedlichen Stellen, ein Urinstatus, eine Urinkultur, ein Röntgenthorax und eine Blutentnahme mit Entzündungsparametern und, wenn verfügbar, Differenzialblutbild Pflicht. Lorch betonte, dass die Thoraxaufnahme in der Neutropenie trotz Lungenentzündung unauffällig sein könne. „Auch die Entzündungsparameter können nachlaufen“, so Lorch.

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Schon bei 38 °C sollte bei Krebspatienten die Alarmglocke klingeln.

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Bei Fieber sofort Antibiotika

Auf ansteigende Entzündungsparameter gewartet werden sollte genauso wenig wie auf die Ergebnisse der Mikrobiologie. „Eine sofortige empirische Antibiotikatherapie ist eine Ia-Empfehlung“, betonte die Expertin. Auch wenn die Hälfte bis zwei Drittel der Infektionserreger inormalerweise grampositiv sind, müsse wegen der Gefahr fataler Verläufe unbedingt auf eine ausreichende Pseudomonas-Wirksamkeit geachtet werden. Optionen sind demnach Ceftazidim, Piperacillin/Tazobactam, Imipenem oder Meropenem. Kombinationen aus einem Cephalosporin der III. oder IV. Generation und einem Aminoglykosid sind ebenfalls möglich.

Stent und Bestrahlung wenn bereits Stridor vorliegt

Ein weiterer onkologischer Notfall, die obere Einflussstauung, kann das erste Zeichen eines sich im Thorax ausdehnenden Tumors sein. Dr. Agnieszka Korfel von der Charité Berlin rät: „Wenn bereits ein Stridor oder auch ZNS-Symptome vorliegen, ist eine notfallmäßige Therapie mit einem endovaskulären Stent und eine anschließende Bestrahlung auch vor der Histologie angezeigt.“ In allen anderen Fällen allerdings sollte die Histologie abgewartet werden. Bei relativ chemotherapiesensiblen Tumoren, z. B. bei Lymphomen, kann eine sofortige Chemotherapie zu rascher Rückbildung der Einflussstauung führen und den Patienten somit ein endovaskulärer Stent ersparen. Bei nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinomen dagegen empfiehlt sich ein Stent mit anschließender Radio-(Chemo-)Therapie.

Salzlösung i.v. bei Hyperkalzämie

Generalisierte Krampfanfälle und andere unklare ZNS-Erscheinungen, oft gepaart mit gastrointestinalen Beschwerden, können auf einen anderen onkologischen Notfall, ein Hyperkalzämiesyndrom hindeuten. Ursache sind entweder Knochenmetastasen oder eine paraneoplastische Produktion von PTH-ähnlichen Peptiden. Einmal erkannt ist dieser Notfall relativ gut mit einer intensiven i.v.-Hydratation mit 0,9%-NaCl-Lösung oder spezifisch mit Zoledronat in den Griff zu kriegen. Wenn eine besonders rasche Absenkung nötig ist, hilft Calcitonin.