Hintergrund

Während Morbidität und Mortalität der meisten kardiovaskulären Erkrankungen in den letzten 30 Jahren stetig gesenkt wurden, konnten die Überlebensraten nach einem plötzlichen Herzstillstand nur wenig verbessert werden. Fundierte Informationen über die Wirksamkeit von Reanimationsinterventionen nach präklinischem Herz-Kreislauf-Stillstand sowie einheitlich erhobene Daten, die einen internationalen Vergleich zwischen den verschiedenen Rettungsdienstsystemen erlauben, fehlen. Ein Internet-basiertes internationales Register könnte solch eine Auswertung ermöglichen und die Durchführung großer kontrollierter randomisierter Untersuchungen der erfolgversprechendsten Reanimationstherapien erleichtern.

Internationales Reanimationsregister zur Evaluation geeigneter Reanimationstherapien

Nichol et al. präsentieren in der vorliegenden Pilotstudie das Design und erste Ergebnisse eines solchen „Internationalen Reanimationsnetzwerkregisters“ (IRN Registry).

Material und Methoden

Primäres Ziel der internationalen, multizentrischen, prospektiven Kohortenstudie war, in einer Durchführbarkeitsuntersuchung zu klären, ob der Aufbau eines gut funktionierenden internationalen webbasierten Reanimationsregisters mit einer einheitlich strukturierten zentralen Datenerfassung möglich sei. Hierzu wurden zwischen März 1996 und November 2003 die Daten von 571 Säuglingen, Kindern und Erwachsenen registriert, die nach einem präklinischen Herz-Kreislauf-Stillstand vom Rettungsdienstpersonal mittels Herzdruckmassage oder externer Defibrillation reanimiert worden waren.

Für die Aufnahme eines Herz-Kreislauf-Stillstandes in das Reanimationsregister müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: keine Ansprechbarkeit, Atmung oder Bewegung des Patienten, Reanimation durch die Rettungsdienste sowie Vorlage der komplett ausgefüllten Registerdokumentationsbögen. Diese bestehen aus 3 Teilen:

  1. 1.

    Grund- und Strukturdaten des jeweiligen Rettungsdienstsystems sowie Daten zu Ausstattung und Ausbildungsniveau,

  2. 2.

    Patientendaten, Notfallmaßnahmen und primäres Reanimationsergebnis,

  3. 3.

    Follow-up-Formular mit Bericht über Tod oder Entlassung des Patienten.

Alle Informationen werden unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Vorschriften mit einer automatisierten Formularbearbeitungs-Software und dazugehörigen variablen Range-Checks, Logik-Checks und Ausschlussregeln erfasst.

Ergebnisse

Die an der Studie teilnehmenden 6 Notfallzentren (Göteborg/Schweden, Oslo/Norwegen, Perth/Australien, Richmond/USA, Toronto/Kanada und Wilmington/USA) sind im Mittel für 517.401 Einwohner zuständig und nehmen jährlich durchschnittlich 33.161 Anrufe entgegen. Das Ausbildungsniveau des Rettungsdienstpersonals ist von Zentrum zu Zentrum höchst unterschiedlich und reicht von einfachen lebensrettenden Sofortmaßnahmen und Defibrillation bis zu erweiterten Reanimationsmaßnahmen. Der Reanimationsprozess wurde von den teilnehmenden Zentren sehr unterschiedlich ausgeführt, wie auch Überlebensdaten und neurologische Ergebnisse signifikante Unterschiede zwischen den Zentren zeigen.

Das durchschnittliche Alter der Patienten betrug 67±16 Jahre. Vom Notruf bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes vergingen durchschnittlich 7,1±5,1 min. Bei 27% der Notfälle wurden die tachykarden Rhythmusstörungen (Kammerflimmern oder pulslose ventrikuläre Tachykardie) erstmalig festgestellt. 60% der Patienten hatten einen beobachteten Herz-Kreislauf-Stillstand, und bei 34% kam es zu einer Laienreanimation. Eine Wiederherstellung des Spontankreislaufs (ROSC) wurde in 27% der Fälle erreicht. Der „best cerebral performance category score“ (CPC) wurde im Mittel mit 1 angegeben. 6% der Patienten überlebten bis zur Krankenhausentlassung. 70% der an die Registerzentrale übermittelten einheitlich strukturierten Prozess- und Ergebnisdaten waren zu mindestens 95% komplettiert.

Schlussfolgerungen und Kommentar

Nichol et al. stellen in der vorliegenden Pilotstudie das erste prospektive webbasierte internationale Register konsekutiver präklinischer Herz-Kreislauf-Stillstände vor. Die in Übereinstimmung mit den Vorgaben des Utstein-Style-Protokolls erstellten Datenbögen konnten von den teilnehmenden Zentren zu mehr als 95% ausgefüllt werden. Die teilnehmenden Zentren unterschieden sich nicht nur in ihrer personellen Besetzung der Notfallsysteme, sondern auch in Art und Umfang der durchgeführten und legalisierten Maßnahmen. Dieses spiegelt sich konsequenter Weise auch in den Ergebnissen an den einzelnen Standorten wider.

„Collaps-to-treatment-time“ muss weiter reduziert werden

Das Gesamtergebnis ist primär betrachtet enttäuschend mit 6% Krankenhausentlassungsrate. Dies wiegt umso mehr, als bei mehr als der Hälfte der Reanimationen der Kreislaufstillstand beobachtet wurde und die sich daraus ergebende „collaps-to-treatment-time“ reduzieren müsste. Der Anteil der defibrillationswürdigen Rhythmen von <30% innerhalb eines mittleren Eintreffintervalls von <8 min bestätigt die sich auch in anderen Erhebungen abzeichnende geänderte Ausgangssituation.

Die neuen Guidelines des ERC folgen diesen veränderten EKG-Bedingungen mit der Einführung der „cpr-first“-Strategie bei Kreislaufstillständen von >5 min Dauer. Die Notwendigkeit von strukturierten Datenerhebungen bei präklinischen Kreislaufstillständen erfordert daher auch zukünftig weitere Anstrengungen.

Reaniamtionsregister stellen eine Möglichkeit zur Qualitätssicherung dar.

Die vorliegende Arbeite zeigt, dass auch sich stark in ihrer Struktur unterscheidende internationale Notfallzentren in der Lage sind, den vorgegebenen einheitlichen Datenrahmen für ihre Reanimationsdokumentation zu nutzen und diese vollständig zu übermitteln.

Ein vergleichbares Projekt wurde 2003 von Seiten der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) für den deutschsprachigen Raum initiiert. Das bundesweite, webbasierte Reanimationsregister der DGAI sammelt Daten von präklinischen und innerklinischen Reanimationsmaßnahmen und konzentriert sich neben der Erstversorgung auch auf die Bereiche der innerklinischen Weiterversorgung sowie des Langzeit-Outcomes.

Aktuell stehen mehrere technische Möglichkeiten für Datenerfassung zur Verfügung. Zum einen das „Dortmunder Protokoll zur Reanimationsdatenerfassung“, welches als dreiseitiger Protokollsatz ausgearbeitet ist und zu den Zeitpunkten Erstversorgung, Weiterversorgung und „1-Jahres-Überleben/Langzeitverlauf“ eine Datenerfassung ermöglicht. Zum anderen sind Notarzt- bzw. Notfallprotokolle erhältlich, die neben den von der DIVI aktuell empfohlenen Daten (MIND-2-Datensatz) auch den Reanimationsdatensatz mit erfassen. Im Vergleich zum vorgestellten internationalen webbasierten Reanimationsregister setzt auch die DGAI auf die direkte Dateneingabe per PC und die vorhergehende Option von Papierprotokollen, wobei unter dem Aspekt der Reduktion von zusätzlicher Arbeit für den jeweiligen Anwender ein großes Augenmerk auf den Import aus bereits vorhandenen Datenerfassungssystemen gelegt wird.

Beide Register erfordern eine ausreichende Bereitschaft der Anwender, alle durchgeführten Reanimationsmaßnahmen ohne Rücksicht auf den Erfolg der Maßnahmen vollständig einzuschließen. Aufgrund der einheitlichen Datengrundlage durch Verwendung des Utstein-Style-Protokolls ist die Zusammenlegung von jeweils nationalen Datenbanken zu einer internationalen Reanimationsdatenbank ein zukünftig interessantes Ziel. Ein paralleler Aufbau von mehreren, um die gleichen Daten konkurrierenden Systemen sollte jedoch unbedingt vermieden werden.