Die Rollenverteilung scheint klar zu sein: Hier der hilfsbedürftige, „schwache“ Patient, da die Hilfe anbietende und oft auch versprechende „starke“ Ärztin – oder der Arzt –, die betreuende Pflegekraft, der mobilisierende Therapeut – oder die Therapeutin – usw. Das eingeforderte Verhalten wird durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitssystem zumeist durch entsprechendes Auftreten unterstützt. Schwäche, Zweifel oder Hilflosigkeit eingestehen steht eher selten auf dem Programm im professionellen Medizinalltag. Das ist nicht gesund. Wie vielfältig nicht wahrgenommene, oft traumatische Ereignisse in der Patientenbehandlung sein können, ist erst seit relativ kurzer Zeit Gegenstand von Diskussionen und Untersuchungen. Die Ergebnisse sind zwar grundsätzlich nicht überraschend, in ihrem Ausmaß aber doch und sie sollten mittelfristig nicht mehr ignoriert werden. Das ist gut so und sehr wichtig – für die Betroffenen selbst ebenso, wie für das Umfeld und auch die Behandlung der Patientinnen und Patienten.

„Fehler sind Bestandteil menschlichen Handelns. Auch in der Medizin“, stellen Reinhard Strametz und Co-Autoren fest. Dass dies nicht nur unmittelbare Auswirkungen auf die Patientin oder den Patienten sondern eben auch auf das Team hat, wird seit mehr als 20 Jahren mit dem Begriff „Second Victim“ bezeichnet, wie die Autoren in dieser Ausgabe des wiener klinischen Magazins berichten. Allerdings: Der Begriff selbst ist offenbar nach wie vor weitgehend unbekannt. Bei Ärztinnen und Ärzten in der SeVID-Studie (Second Victims im Deutschsprachigen Raum) war er nur zehn Prozent bekannt, bei Pflegepersonen immerhin 25 %. Dabei zeigte das Ergebnis dieser Studie, dass zwischen 53 und 60 % der dort befragten Internistinnen und Internisten in Weiterbildung, Pflegefachkräften und Notfallmedizinerinnen und -mediziner bereits einmal mit einem solchen Ereignis zu kämpfen hatte. Das Problem erkennen, ist ein erster Schritt. Schnelle Unterstützung oder noch besser Vorbeugung im Sinne einer besseren Verarbeitung und Widerstandskraft sollte strukturell angeboten werden. Das hilft nicht nur den Betroffenen, sondern erhöht auch die Patientensicherheit und spart letztlich Leid und Kosten. Schwächen einzugestehen kann eine Stärke sein, meint Ihre

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Verena Kienast