Mein Name ist Karen Baltruschat, und ich bin 27 Jahre alt. Als ich mit 11 Jahren an Rheuma erkrankte, war mir die Tragweite der Diagnose nicht bewusst, und ich habe es nicht ganz verstanden – wie denn auch in dem Alter. Jetzt bin ich ein wenig älter und habe gelernt, mit der Krankheit zu leben. Trotzdem gibt es auch Tage, an denen ich mich frage, wie ich es schaffen soll, den ganzen Tag zu überstehen oder überhaupt aus dem Bett aufzustehen. Heute möchte ich Ihnen erzählen, wie ich trotz der Krankheit von der Gesellschaft wahrgenommen werde und was wir junge Rheumatiker uns von Ärzten und der Gesellschaft wünschen.

In jeder Beziehung gibt es Höhen und Tiefen, und genauso ist es auch bei meinem Rheuma und mir. Da ich früh erkrankt bin, hatte ich die Chance zu lernen, wie ich mit der Krankheit umgehen muss. Ich glaube manchmal, dass es so einfacher war, da ich mit 11 nicht vollständig verstanden habe, was diese Diagnose eigentlich bedeutet. Meine Mutter hat mich gelehrt, dass die Krankheit ein Teil von mir ist und zu meinem Leben dazugehört. Dementsprechend habe ich auch versucht, mich so zu verhalten, auch wenn ich weiß, dass es nicht immer so einfach war. Ich weiß zwar nicht, wie es ist, im Alter von 20 oder mit 70 Jahren diese Diagnose zu erhalten, aber ich glaube ich hatte es einfacher, weil ich noch so jung war. Ich habe über all die Jahre immer wieder meinen Freunden, meinen Bekannten und meinen Kollegen erklären müssen, was es bedeutet, mit dem Rheuma zu leben, und was es mit meinem Körper macht. Es ist schwierig, gezwungen zu sein, sich immer wieder erklären zu müssen, und genau aus diesem Grund engagiere ich mich auch in der Rheuma-Liga, sowohl in der eigenen Stadt als auch bundesweit. Ich versuche, allen Menschen näherzubringen, dass man in jedem Alter an Rheuma erkranken kann und dass die Diagnose ganz plötzlich kommen kann. Oftmals reagieren Menschen auf die Krankheit von jungen Rheumatikern mit starkem Mitleid und Fassungslosigkeit. Doch was für die Umgebung ein Schock ist und unglaublich erscheint, ist für uns junge Rheumatiker alltägliches Leben. Daher wünschen wir uns für die Zukunft, dass die Erkrankung von Kindern und jungen Menschen mit Rheuma offen diskutiert wird, sodass wir auf mehr Verständnis und Aufgeklärtheit stoßen. Sie können dazu beitragen, indem Sie in Ihrem Umfeld darauf hinweisen. Wenn aufgrund Ihrer Erzählungen nur 100 weitere Menschen erreicht werden, machen Sie mir damit eine echte Freude!

Wir werden immer wieder gezwungen, uns erklären zu müssen, weshalb auch Kinder und Jugendliche an dieser Krankheit leiden. Wenn man erzählt, dass ein Kind Neurodermitis, Diabetes oder Asthma hat, braucht man sich demgegenüber nicht erklären, jeder kennt diese Krankheit. Dass jedoch ein 2‑jähriges Kind oder ein 20-Jähriger an Rheuma erkrankt, schockiert die Menschen. Ich wünsche mir, dass dies in der Gesellschaft mehr verbreitet wäre, und auch, dass die Menschen besser informiert werden. Mittlerweile kenne ich sehr viele junge Rheumatiker, die alle ihre ganz eigene Geschichte haben. Einige hatten Probleme in der Schule, andere auf der Arbeit und andere mit ihren Ärzten.

Rheuma und Schule

Eine weitere Hürde bzw. Herausforderung von Kindern mit Rheuma oder von jungen Rheumatikern ist die Akzeptanz und Toleranz in der Schule. Ich kann mich noch gut an meine Schulzeit zurückerinnern, und ich kann sagen, dass es nicht immer einfach mit meinem Rheuma und mir war. Ich weiß, dass es Tage gab, an denen ich nicht wirklich laufen konnte und zur Schule gehumpelt bin. Ich weiß noch genau, dass ich den anderen Schülern erklären musste, warum ich heute humple und weshalb es mir gestern noch so gut ging. Bei einem offensichtlichen Gips oder einer Verstauchung war nie eine Erklärung erforderlich. Vor allem erinnere ich mich daran, dass ich mir manchmal blöd vorkam, da meine Entzündungen nicht immer sichtbar waren, die Schmerzen mich aber davon abgehalten haben, am Schulsport teilzunehmen. Ich hatte viele gute Lehrer, die mich mit meiner Krankheit voll und ganz akzeptiert und mich unterstützt haben. An die einzige Schwierigkeit, an die ich mich wirklich erinnern kann, war das Unverständnis von meinen Sportlehrern. Ich habe immer zu denjenigen gehört, die gerne am Schulsport teilgenommen haben. Daher war es für mich unverständlich, weshalb mein Sportlehrer nicht akzeptieren wollte, dass ich nicht über einen Bock springen kann, aber dennoch versucht habe, beim Völkerball mitzuspielen. Eine rheumatische Entzündung ist da, auch wenn sie nicht für jeden sichtbar ist. Ich wünsche mir für alle rheumakranken Kinder und jungen Rheumatiker, dass dies keine Hürde mehr während der Schulzeit ist. Ich möchte lieber, dass sie sich dem ganz normalen Teenageralltag widmen können.

Junge Rheumapatienten und Ärzte

Ein weiteres Thema, mit dem wir uns seit Jahren auseinandersetzen, ist die Kommunikation zwischen uns jungen Patienten und Ärzten. Natürlich haben wir wie jeder andere Patient das Anliegen, dass die Zusammenarbeit zwischen den Ärzten und den Patienten besser wird. Aber wir wünschen uns auch, dass Rheumatologen sich auch Gedanken um die jüngeren Patienten machen. Wir junge Rheumatiker haben nämlich andere Sorgen, Ängste, Wünsche und Erwartungen an die Zukunft. Als Jugendlicher oder als junger Erwachsener setzt man sich mit anderen Sachen auseinander als ältere Rheumatiker. Als junge Rheumatiker machen wir uns v. a. um unsere Zukunft Gedanken. Wir setzen uns damit auseinander, ob wir eine Ausbildung machen sollten oder ob wir ein Studium beginnen sollten und welcher Beruf der Bessere wäre, damit wir ihn mit der Krankheit auch langfristig ausüben können. Wir wissen nämlich, dass wir diesen Beruf die nächsten 40 Jahre trotz Rheuma ausüben sollen und natürlich auch wollen.

Es gibt einen Unterschied zwischen Kinder- und Erwachsenenrheumatologen. Als ich noch ein Kind war, hatte ich das Gefühl, dass sich mein Kinderrheumatologe mehr Zeit für mich genommen und sich mehr mit meinen Ängsten beschäftigt hat. Er hat mir erklärt, weshalb es wichtig ist, einen Beruf auszusuchen, der auch mit meiner Krankheit vereinbar ist, weshalb ich keinen Alkohol mit meinen Medikamenten trinken soll, und er hat versucht, mir meine Ängste und Sorgen zu nehmen. Dafür bin ich ihm auf ewig dankbar. Als ich 18 Jahre alt wurde, hatte ich nicht das Gefühl, dass ich mich geändert habe, aber plötzlich sollte ich erwachsen werden und zu einem Erwachsenen-Rheumatologen gehen. Ich musste in der Erwachsenen-Rheumatologie lernen, dass die Dinge dort anders laufen. Mir wurde von alleine nichts mehr erklärt, sondern ich sollte Fragen stellen. Dadurch habe ich gelernt, mich auf die Termine vorzubereiten. Ich habe mir die Fragen aufgeschrieben und sie bei meinem nächsten Termin gestellt. Zudem musste ich feststellen, dass die meisten Menschen im Wartebereich um einiges älter waren als ich und es kaum junge Rheumatiker gab.

Wir wünschen uns, dass die Zusammenarbeit mit den Rheumatologen besser wird und sie mehr auf junge Menschen eingehen. Wir sind berufstätig, und damit ist es nicht immer einfach, Arzttermine wahrzunehmen. Wir machen uns Gedanken und Sorgen um die anstehende Familienplanung und wie sich unsere Krankheit in den nächsten 40 Jahren wohl entwickeln wird. Wir würden uns wünschen, dass die Rheumatologen uns noch mal – wie früher – unsere Sorgen und Ängste nehmen und uns ernst nehmen.

Aktionen der Rheuma-Liga

In der Rheuma-Liga haben wir uns damit auseinandergesetzt, wie man der Gesellschaft am besten praktisch erklären soll, was es heißt, Rheuma zu haben. Aufgrund dessen ist unsere Website www.rheuma-ichzeigsdir.de entstanden. Wir wollten Ideen anbieten, die junge Rheumatiker bundesweit nachmachen können, um anderen Rheuma bei jungen Menschen näherzubringen. Dafür haben wir eine große Aktion in einem Einkaufszentrum in Berlin durchgeführt. Wir haben uns mit folgenden Fragen beschäftigt: Was bedeutet es, Rheuma zu haben? Wer bekommt eigentlich Rheuma bzw. wer kann eigentlich Rheuma haben? Und sieht man die Krankheit Menschen an? Wer weiß schon, wie sich Krankheiten anfühlen, wenn man sie selbst nicht hat. Aufgrund dessen haben wir kleine Stationen aufgebaut, an denen die Passanten bzw. die Menschen verschiedene Aktionen ausprobieren konnten. An einer Station lagen 12 Esslöffel auf dem Tisch. Vielleicht haben Sie ja schon einmal von der „Löffeltheorie“ gehört? Mit dieser Theorie versuchen wir, dem Passanten bzw. dem Gegenüber zu vermitteln, dass ein Leben mit Rheuma anstrengend ist. Jeder Esslöffel steht für eine Energieeinheit. Der Passant hat somit 12 Energieeinheiten zur Verfügung und soll versuchen anhand der vorhandenen Löffel (Energieeinheiten) seinen Alltag durchzugehen. Es fängt damit an, dass die 1. Energieeinheit das Aufstehen bedeutet, die 2., morgens sich zu waschen oder duschen zu gehen, die 3., sich die Zähne zu putzen, die 4., sich anzuziehen, die 5., sich die Haare zu machen, die 6., zu frühstücken und sich ggf. einen Apfel zu schneiden, die 6., sich die Schuhe zuzubinden, usw. Bevor der Passant es geschafft hat, aus dem Haus zu gehen und zur Arbeit zu fahren, hat er bereits die Hälfte oder sogar mehr der Energieeinheiten verbraucht. Je nachdem, wie der Alltag des Passanten aussieht, sind in der Regel die 12 Energieeinheiten bis zum Mittag bereits vollständig aufgebraucht. Wir wollen damit deutlich machen, dass es schwieriger ist, als Rheumakranker durch den Alltag zu kommen. Besonders der Morgen ist schlimm, da viele von uns die sog. „Morgensteifigkeit“ haben. Die Morgensteifigkeit tritt bei den meisten Rheumaerkrankten auf und bedeutet, dass sich die Gelenke steif und unbeweglich anfühlen. Wir haben aber den Passanten erklärt, dass wir manchmal einen 13. Löffel für den Tag zur Verfügung haben, für z. B. ein Abendessen mit einer Freundin, einen Kinobesuch oder für etwas anderes Schönes, was uns aber eine weitere Energieeinheit abverlangt.

Der größte Hit unserer Aktion ist unser „Rheuma-Simulationshandschuh“. Dieser Handschuh lässt die Menschen nachempfinden, was es heißt, mit geschwollenen Händen und schmerzenden Gelenken eine Wasserflasche zu öffnen, Schuhe zuzuschnüren oder einen Mantel zuzuknöpfen. Der „Rheuma-Simulationshandschuh“ ist so konstruiert, dass Drähte es schwieriger machen, die Wasserflasche zu öffnen. Aufgrund unseres Handschuhs sind wir auf viel positives Feedback gestoßen, und unser „Handschuh“ ist bereits auf viele Reisen gegangen, da dieser über die Rheuma-Liga Bundesverband e. V. ausgeliehen werden kann.

Wünsche

Seien Sie bitte aufgeschlossener gegenüber jungen Rheumatikern oder Eltern von rheumakranken Kindern. Wir wünschen uns weniger Vorurteile, mehr Verständnis und Akzeptanz. Wir wünschen uns doch alle, dass die Gesellschaft mit weniger Vorurteilen beladen ist und wir alle nicht auf unsere Krankheiten reduziert werden.

Ich hoffe, dass einige unserer Wünsche in Erfüllung gehen und wir damit gemeinsam das Leben von jungen Rheumatikern verändern.