Zusammenfassung
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1.
Es wurde erstmalig versucht, die „geistige Beanspruchung” industrieller Tätigkeiten in einem Industriebetrieb (Gießerei) zu untersuchen und mit Kontrollexperimenten im Labor zu vergleichen. Zwischen einem „alten Arbeitsvorgang” (Formen und Gießen, händisch in freier Stückfertigung) und einem „neuen Arbeitsvorgang” (mechanisierte Fließfertigung) konnten keine signifikanten Unterschiede nachgewiesen werden, obwohl die Produktion zum Zeitpunkt der Untersuchung auf das Sechs-bis Siebenfache erhöht war. Die Pulsfrequenzen während der Arbeit aber waren, trotz der Produktionserhöhung signifikant herabgesetzt.
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2.
Es ist prinzipiell möglich, mit Hilfe der beschriebenen Methode auch Beanspruchungsgrade verschiedener Teilhandlungen von Arbeitsvorgängen festzustellen, und es konnte gezeigt werden, daß keine nachteiligen Auswirkungen auf die betriebliche Arbeitsleistung aufgetreten sind.
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3.
Im Laborversuch lag erwartungsgemäß die geistige Beanspruchung durch Abschreiben signifikant höher als beim Kontrollversuch (Leerversuch) und bei Fahrradergometerfahren mit 90 W Leistung. Die Werte bei Fahrradergometerfahren zeigten aber gegenüber dem Kontrollversuch eine Tendenz zu besseren Leistungen in der Prüfaufgabe. Es wird vorgeschlagen, zur Erklärung solcher Wirkungen neben dem Aspekt der Leistungsbeeinträchtigung den Aktivierungsaspekt heranzuziehen. Demnach würden weitgehend automatisierte Muskelleistungen einerseits nicht mehr störend bzw. ablenkend auf eine gleichzeitig auszuführende Nebenaufgabe wirken, andererseits aber durch Erhöhung des Aktivierungsnieveaus unter Umständen Leistungsverbesserungen hervorrufen.
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4.
Die Werte der geistigen Beanspruchung im Industriebetrieb waren signifikant höher als beim Fahrradergometerfahren, welches eine den betrieblichen Arbeiten ungefähr vergleichbar große körperliche Beanspruchung darstellt. Sie lagen im Bereich der geistigen Beanspruchung durch Schreibleistungen, oder sogar darüber. In Laboruntersuchungen liegen demgegenüber Schreibleistungen viel höher als jede Art handwerklicher Betätigung. Dies zeigt, daß Ergebnisse aus Laborversuchen nicht ohne weiteres auf betriebliche Verhältnisse übertragen werden können.
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Haider, M. Experimentelle Untersuchungen über geistige Beanspruchung durch Arbeitsleistungen. Int. Z. Angew. Physiol. Einschl. Arbeitsphysiol. 19, 241–251 (1962). https://doi.org/10.1007/BF00697121
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