Zusammenfassung
Die Eskapismusdebatte veranlasste Michael Ende, die Unendliche Geschichte als Poetik anzulegen, um sich als moderner Autor auszuweisen. Phantásien ist die Verbildlichung der Poesie, in die Bastian Baltasar Bux hineingezogen wird. Die Motive Spiegel, Labyrinth und Ei sind poetologische Schlüssel, mit denen Ende seine Poetik in die manieristische Tradition im Sinne Gustav René Hockes einrückt.
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Notes
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Die ersten Rezensionen waren durchaus positiv. Die Geschichte „unterhalte[] mit ernsten Späßen, mache[] in hochliterarischer, in romantischer Verwandlung jeden Leser zum Mitakteur der Geschichte und erfülle[] damit auch die alte politische Forderung, wonach allein die Einbildungskraft an die Macht darf“ (Lodemann 1979); gemäßigter positiv vgl. Naso 1979; Behrend 1981; Zimmer 1981. Zum ideologiekritischen Frontalangriff, der kein gutes Haar an dem Buch ließ, vgl. Kuby 1981; dem folgten Steiger 1982 und Rehlinger 1987. Prägend für die KJL-Forschung: Heidtmann 1982.
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„Ich habe versucht, innerhalb der Geschichte meine Literatur- und Kunstauffassung darzustellen, zum Beispiel im Gespräch zwischen Gmork und Atréju oder im Gespräch zwischen Atréju und der Kindlichen Kaiserin. Phantásien ist ja nicht nur das Reich der Phantasie und der Träume, sondern auch das Reich der Kunst, das heißt, das Reich der Fiktion.“ (Bondy et al. 1981)
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In der frühen Diskussion lassen sich die Fronten klar ausmachen. Als Eskapismus kritisieren das Buch Heidtmann 1982; Michal 1982; Hübner 1985/1986; Kaminski 1985; Rehlinger 1987. Gegenpositionen: Renk 1984; Müske 1992. Neutral: Hetman 1984, S. 101 ff. Kritische Zusammenfassung der Diskussion: Pissarek 2013. – Vgl. Müller 2013, S. 22 ff. (zur Feuilleton-Rezeption), S. 38 ff. (zur Eskapismus-Debatte); Dankert 2016, S. 168 ff.; Haefs 2022, S. 62 ff.
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„In der Unendlichen Geschichte können Sie sehr viele Zitate finden. […] Sie können überall Zitate und Anspielungen finden auf die phantastische Literatur der Welt. Warum? Das ist nicht ein Spiel mit irgendwelchen Bildungsinhalten, sondern Phantasien ist nicht die Schöpfung eines Menschen. Es ist im Grunde die Schöpfung aller Menschen. Es ist die Welt des Imaginären, die Welt der Dichtung. Sie gehört eigentlich allen Menschen an. Was je Menschen erfunden, erdichtet und erträumt haben, das ist Phantasien. Deswegen steht Phantasien auf den Fundamenten der vergessenen Träume der Menschen. Es kommen Bilder von Max Ernst, von Dali, von Brueghel, von Klee, auch von Edgar Ende, meinem Vater darin vor. Das geht rüber bis zu dem Spiel mit dem Alphabet“. (Ester 1993, S. 180). Vgl. Ludwig 1988; als reines postmodernes Spiel ist das jedoch missverstanden, vgl. Lehnert 1990, S. 175–195.
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Zur Kritik an diesem zeitgenössischen Gemeinplatz: „Man redet von allem Möglichen, eigentlich hauptsächlich von ‚Botschaften‘. Poesie wird heute ja fast durchweg als ‚Verpackungsfrage‘ betrachtet, Verpackung irgendwelcher Aussagen, die von den zuständigen Fachleuten dann wieder ausgepackt werden.“ (Bondy et al. 1981)
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Vgl. die Überlegungen Endes, wie „denn ein Junge beschaffen sein [müsse], dem so etwas passiert.“ (Bondy et al. 1981)
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Vgl. auch Hocke und Hocke 2009, S. 189 ff.
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Abgedruckt sind der 11. bis 15. Brief.
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„Weil Dichtung und Lüge aus der gleichen Substanz gemacht sind, der Fiktion. Diese Substanz kann Heilmittel oder Gift sein, je nachdem, in wessen Hände sie gerät. Sie kann sehend machen oder blind. Dichtung gibt sich als unwirklich aus und schafft darum Wirklichkeit. Lüge gibt sich als wirklich aus und schafft darum Unwirklichkeit.“ (Ende 1994a, S. 203 f.)
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Hinweis bei: Götze 2008, S. 173.
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Aus theologischer Perspektive: „Ferner wundert es, daß Bastian in genau der ‚Unendlichen Geschichte‘ das Buch aller Bücher gefunden hat. Mit diesem Ausspruch ist ein Vergleich der ‚Unendlichen Geschichte‘ mit der Bibel angedeutet. […] Wer könnte zu den Offenbarungen Gottes in Konkurrenz treten? Bei der Überlegung zur Beantwortung der Frage wird schnell deutlich, daß der Satan auf den Plan tritt. Mit der ‚Unendlichen Geschichte‘ ist eine Antibibel zur Bibel und eine Bibel für gottlose und den Gott der Bibel nicht kennende Menschen geschaffen worden.“ (Berger 1988, S. 80 f.) Vgl. dagegen Frenschkowski 2022, der auf Endes Distanzierung vom Okkultismus hinweist (S. 193 ff.).
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Michael Ende: „Das Namen-geben ist das erste, was Adam im Paradies tut, nachdem er geschaffen worden ist. Gott gibt ihm den Auftrag, allen Dingen und Tieren Namen zu geben, und ‚wie er sie nannte, so sollten sie heißen‘. Das ist der erste kreative schöpferische Akt. Damit beginnt die Geschichte des Menschen. Und das Namengeben ist etwas ungeheuer Wichtiges. Den noch nicht benannten Dingen einen Namen geben – damit setzt sich der Mensch in Beziehung zu der Sache, damit wird etwas für ihn eigentlich erst Wirklichkeit. Und für mich besteht ein großer Teil aller künstlerischen und poetischen Arbeit darin zu versuchen, einer Sache einen Namen zu geben, die bisher noch keinen hatte. Weil es damit etwas wird, wozu man sich in Beziehung setzen kann – für mich selbst, aber vielleicht auch für andere.“ (Beuys und Ende 1989a, b, S. 71 f.)
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Vgl. auch die parodistische Passage 331–334 g, in der Bastian den Mönchen der Erkenntnis diese Zusammenhänge erläutert. Doch beachten die Mönche den kategorialen Unterschied zwischen Fiktion und Nichtfiktion nicht, so dass ein Glaubenskrieg zwischen den Anhängern ihrer jeweiligen Erkenntnisse entbrennt.
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„Es galt die ganzen letzten Jahrzehnte hindurch in der bildenden Kunst als progressiv, abstrakt oder monochrom zu malen. Es galt als progressiv, Pop-art und Op-art zu malen und Objekte herzustellen, Aschenbecher mit Fixativ zu kleben und an die Wand zu hängen und so fort. Figürliche Darstellung galt als konservativ, wenn nicht sogar als reaktionär. Inzwischen hat sich das aber umgekehrt.“ (Eppler et al. 1982, S. 59) – „Ja, da liegt eine Epoche hinter uns, in der Romane ohne Story geschrieben, in der Stücke ohne Handlung gespielt wurden, also stationäre Stücke. Es war auch sehr wichtig, daß das alles durchlaufen wurde. Nur ich glaube nicht, daß es einen großen Zweck hat, das jetzt weiterzumachen, sondern ich glaube, das Wesen des Bühnenstücks ist die Handlung.“ (Beuys und Ende 1989, S. 84).
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Vgl. die schrullige Kritik an der Figur bei Aschenberg 1991, S. 127.
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Literatur
Primärliteratur
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Ende, Michael: Mein Lesebuch. Frankfurt a. M.: Fischer 1983a.
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Ende, Michael: Über das Ewig-Kindliche. In: Hansjörg Weitbrecht (Hg.): Das Michael Ende Lesebuch. München: dtv 1989b, 36–56.
Ende, Michael: Vierundvierzig Fragen an den geneigten Leser. In: Hansjörg Weitbrecht (Hg.): Das Michael Ende Lesebuch. München: dtv 1989c, 307–311.
Ende, Michael: Von der Flaschenpost des Poeten. In: Michael Endes Zettelkasten. Skizzen & Notizen. Stuttgart/Wien: Weitbrecht 1994a, 203–207.
Ende, Michael: Realismus als Konvention. In: Michael Endes Zettelkasten. Skizzen & Notizen. Stuttgart/Wien: Weitbrecht 1994b, 220–221.
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Ende, Michael: Was zeigt ein Spiegel, der sich in einem Spiegel spiegelt? In: Ders.: Der Niemandsgarten. Aus dem Nachlass ausgewählt und hg. von Roman Hocke. Stuttgart/Wien/Bern: Weitbrecht 1998a, 302–303.
Ende, Michael: Der Niemandsgarten. Aus dem Nachlass ausgewählt und hg. von Roman Hocke. Stuttgart/Wien/Bern: Weitbrecht 1998b.
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Hocke, Gustav René: Manierismus in der Literatur. Sprach-Alchemie und esoterische Kombinationskunst. Beiträge zur Vergleichenden Europäischen Literaturgeschichte. Hamburg: Rowohlt 1959.
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Sekundärliteratur
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Friedrich, HE. (2023). Die Poetik der Unendlichen Geschichte. In: Boyken, T., Scholz, T. (eds) Michael Ende – Poetik und Positionierungen. Abhandlungen zur Literaturwissenschaft. J.B. Metzler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-67732-2_2
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