Zusammenfassung
Die Idee der Transformation ist in der internationalen Erziehungswissenschaft geradezu allgegenwärtig geworden. Bildung wird in diesem Rahmen nicht mehr allein als Aneignung von Lehrinhalten, Kompetenzen oder kanonisierten Bildungsgütern verstanden, sondern vornehmlich als Prozess charakterisiert, in dem sich unsere Beziehung zu uns Selbst, zu Anderen und zur Welt grundlegend verändert. Insbesondere Erfahrungen, die uns erheblich herausfordern – beispielsweise Übergänge von der Schule zur Ausbildung oder von Ausbildung zum Beruf, Begegnungen mit anderen Kulturen oder unbekannten Werthorizonten, der Verlust einer Stelle oder eines geliebten Menschen, kurz, krisenhafte Erfahrungen – werden aus dieser Sicht nicht nur als problematische und negativ zu bewertende Erlebnisse betrachtet. Da solche Erfahrungen grundlegende Denk- und Handlungsgewohnheiten in Frage stellen und so den individuellen Möglichkeitshorizont erweitern können, gelten sie auch als wichtige Anlässe für besonders tiefgreifende Bildungsprozesse, welche wertvolle Einblicke in die Grundstruktur bildender Erfahrung erlauben. In diesem einleitenden Beitrag werden die Konturen der internationalen Debatte um transformative Bildung skizziert und einen Überblick über die zu diesem Band gehörenden Beiträge dargestellt.
Hier bin ich, und verwandelt wie du siehst.
Libussa, in Franz Grillparzer’s Libussa
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Yacek, D. (2022). Die transformative Wende in der Erziehungswissenschaft. Eine Einleitung in den Themenkomplex ‚Bildung und Transformation‘. In: Yacek, D. (eds) Bildung und Transformation. Kindheit – Bildung – Erziehung. Philosophische Perspektiven. J.B. Metzler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-64829-2_1
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Publisher Name: J.B. Metzler, Berlin, Heidelberg
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Online ISBN: 978-3-662-64829-2
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