Skip to main content

Covid-19-Pandemie und der Schutz Älterer im internationalen Vergleich. Ergebnisse komparativer Forschung aus ethischer Perspektive

  • Chapter
  • First Online:
Pandemien und Ethik

Zusammenfassung

Die Corona-Pandemie betrifft in besonderem Maße ältere Menschen: Isolation und Quarantäne im Lockdown, strikte Vorschriften für Besuchsregelungen in Heimen u.v.m. Der Schutz des durch eine Covid-19-Infektion bedrohten Wohlergehens soll vor allem durch Einschränkung sozialer Kontakte gewährleistet werden. Regelmäßige zwischenmenschliche Treffen stellen jedoch auch einen relevanten Schutzfaktor für die physische und psychische Gesundheit dar. Gerade für Bewohner*innen von Pflegeeinrichtungen sind strikte Besuchsverbote eine extreme seelische Belastung, zumal die Betroffenen weder in den zugrundeliegenden Entscheidungsprozess einbezogen wurden, noch sich den daraus resultierenden Vorschriften widersetzen konnten. So reagierten viele Bewohner*innen auf die veranlassten Maßnahmen mit Unverständnis und Ablehnung. Im vorliegenden Beitrag wird zunächst der Pandemie-Verlauf aus Sicht Deutschlands in einen globalen Kontext gesetzt (2). Im Anschluss werden zentrale Themen beleuchtet, die besondere Relevanz sowie ethische Brisanz in der Frage des Schutzes älterer Personengruppen beinhalten (2.1–2.4). Danach soll ein detaillierter Vergleich über die Situation in Pflege- und Altersheimen verschiedener Länder Orientierung über die dortige Lage verschaffen (3.1–3.2). Ergebnisse der Analyse decken sekundär auch potenzielle Fehlerquellen internationaler Vergleiche auf. Schließlich rundet eine übergreifende Prinzipien-Reflexion den Beitrag ab (4) und zentrale Schlussüberlegungen geben einen Ausblick auf das weiterhin dynamische Geschehen (5).

„Wegsperren ist keine [gute] Möglichkeit.

Wegsperren macht krank […].“

(Engelbrecht 2020)

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Subscribe and save

Springer+ Basic
$34.99 /Month
  • Get 10 units per month
  • Download Article/Chapter or eBook
  • 1 Unit = 1 Article or 1 Chapter
  • Cancel anytime
Subscribe now

Buy Now

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 109.00
Price excludes VAT (USA)
  • Available as EPUB and PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Hardcover Book
USD 139.99
Price excludes VAT (USA)
  • Durable hardcover edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Similar content being viewed by others

Notes

  1. 1.

    Die „Case Fatality Rate“ (CFR) bezeichnet in Public Health und Infektionsepidemiologie den Fall-Verstorbenen-Anteil („Fallsterblichkeit“). Dieser Anteil ist als Bruch zu berechnen: Der Zähler ist die Anzahl der an der Krankheit Verstorbenen unter diesen Fällen, der Nenner die Anzahl der Erkrankungsfälle insgesamt.

  2. 2.

    Rückschlüsse von der CFR auf die Covid-19-Letalität eines Landes waren gerade initial sehr schwer zu ziehen, da die CFR von der Anzahl durchgeführter Tests abhängt. Zudem konnte die vermutete „Dunkelziffer“ (unentdeckte, asymptomatische Fälle) erst nach Durchführung separater Antikörperstudien abgeschätzt werden. Internationale Vergleiche sind zu Beginn der Pandemie dementsprechend nahezu unmöglich, aber auch im weiteren Verlauf nur bedingt möglich. Daher sollten Gegenüberstellungen stets kritisch hinterfragt werden.

  3. 3.

    Wie kann ein gerechter Umgang mit für Covid-19 reservierten Intensivbetten geregelt werden, wenn akut lebensbedrohlich erkrankte Covid-19 negative Patienten diesen Platz dringend benötigen? Würden durch finanzielle Anreize evtl. wirtschaftlich und personell schlecht ausgestattete Krankenhäuser neue Intensivplätze schaffen, diese aber aufgrund mangelndem entsprechend qualifizierten Personal ggf. nicht ausreichend betreuen können?

  4. 4.

    Durch Teilnahme an Gewinnspielen oder kostenlose Aufladung des Kantinenchips konnte das Interesse der Mitarbeitenden erlangt werden (Bödeker et al. 2020). Generell sind natürlich auch bei Covid-19-Impfung Vergünstigungen denkbar wie Zugang zu kulturellen Veranstaltungen oder (Flug-)Reisen nur mit Impfpass o. ä., was Gerechtigkeitsfragen aufwirft (s. u., Fußnote 5).

  5. 5.

    Zum Beispiel sollten Überlegungen zu Regelungen für die Phase einer teilweise immunen Gesellschaft angestellt werden. Dabei ergibt sich auch die Frage, ob Geimpfte in diesem Zeitraum mehr Freiheitsrechte bekommen könnten als Menschen ohne bereits erfolgte Immunisierung. Bundesgesundheitsminister Spahn plädierte hierbei am 28.12.2020 für gesamtgesellschaftliche Solidarität und keine zusätzliche Gewährung von Privilegien für Geimpfte (Tagesschau 2020b).

  6. 6.

    25.469 Mitarbeitende der in § 36 verzeichneten Einrichtungen infizierten sich mit Covid-19, darunter starben 69. Dies ergibt eine Case Fatality Ratio von 0,27 %. In ganz Deutschland waren es 1.351.510 Covid-19-Fälle, wovon 22.475 letal endeten, was eine CFR von 1,66 % ergibt. Im Vergleich dazu war die CFR der Bewohner*innen bei 6.721 Verstorbenen auf 49.272 Infizierte bei 13,6 % (RKI 2020e).

  7. 7.

    Etwa die Hälfte aller betroffenen Bewohner*innen von Pflegeheimen in Deutschland zeigten keinerlei Symptome (Wolf-Ostermann et al. 2020).

  8. 8.

    Sterbefälle ohne direktem Zusammenhang zu einer Infizierung mit dem SARS-CoV-2, die dennoch infolge der Pandemie auftreten – beispielsweise durch Nicht-Behandlung akuter, schwerer Erkrankungen bei Überlastung der Notaufnahmen und Intensivstationen.

  9. 9.

    Dieser Zusammenhang sei auch in den veröffentlichten Statistiken von Ländern wie USA, Kanada, Frankreich, Großbritannien und Irland zu beobachten. Diese fünf Nationen aggregierten bestätigte und verdachtsmäßige Todesfälle in ihren Daten und veröffentlichten alle überdurchschnittlich hohe Fallzahlen (Comas-Herrera et al. 2020, S. 4).

  10. 10.

    Das RKI stellte der Öffentlichkeit ab dem 08.01.2021 in den täglichen Lageberichten nun auch differenzierte Angaben zu Covid-19-Fällen in Einrichtungen gemäß § 36 zur Verfügung. Die neue Unterteilung gliedert sich in Pflegeeinrichtungen, ambulante Pflegedienste, Gemeinschaftsunterkünfte für Asylsuchende und Sonstige. Bereits seit den Herbstmonaten 2020 seien jene detaillierte Daten gesammelt worden (RKI 2021). Trotz mehrfacher Nachfragen (zuletzt am 29.01.2021) war vom RKI hierzu keine weitere Auskunft zu erhalten; selbstverständlich ist das RKI derzeit extrem beschäftigt.

  11. 11.

    Am 05.05.2020 betrug der Anteil dieser nicht vorhandenen Mitteilungen sogar noch 36 % (Wolf-Ostermann et al. 2020, S. 19).

  12. 12.

    So wird in Deutschland zunächst das lokale Gesundheitsamt informiert, welches wiederum im Anschluss an die jeweilige Instanz auf Ebene des Bundeslands übermittelt. Diese geben die Information schließlich an das Robert Koch-Institut weiter, welches die Daten in die täglichen Statistiken aufnimmt (Comas-Herrera et al. 2020, S. 9).

  13. 13.

    Deutschland testete in der Kalenderwoche 49 durchschnittlich 1,6 % der Einwohner, was im internationalen Vergleich eine überdurchschnittlich hohe Testrate darstellte (RKI 2020f).

  14. 14.

    Seit Oktober ist in Deutschland das allgemeine Infektionsgeschehen wieder exponentiell in einer zweiten Welle gestiegen. Waren es am 11. November noch gesamt 11.767 Todesfälle, so haben sie sich innerhalb eines Monats (Stand: 15.12.2020) auf einen Wert von 22.475 nahezu verdoppelt (RKI 2020b/2020e).

  15. 15.

    Hier werden ebenfalls positiv Getestete sowie im Verdacht Stehende zu dieser Kohorte gezählt.

  16. 16.

    Betrachtet werden nur im nationalen Programm zur Langzeitpflege verzeichnete Bewohner*innen von Pflege- und Altersheimen.

  17. 17.

    In manchen Einrichtungen seien sogar alle Sterbezahlen der Institution gemeldet worden (Comas-Herrera et al. 2020, S. 7)

  18. 18.

    Die Gesamtzahl der Covid-19-Todesfälle in Québec, British Columbia und Ontario entsprach am 15.12.2020 rund 90 % der Gesamtzahlen Kanadas (CBC News 2020b).

  19. 19.

    Aufgrund der Eigenschaften des Corona-Virus lassen sich saisonal auftretende Infektionshäufungen in den Wintermonaten verzeichnen, die in Australien eine zweite Infektionswelle von Mitte Juni bis Mitte September bedingte (Australian Government Department of Health 2020b).

  20. 20.

    Im Pandemiejahr 2020 konnten mehr Bewohner*innen mit der Impfung gegen das Influenzavirus präventiv immunisiert werden. Während im Vorjahr 834 Personen über 64 Jahren an einer Influenzaerkrankung verstarben, waren es 2020 nur 28 (Australian Government Department of Health 2020a).

  21. 21.

    Alle infizierten Bewohner*innen wurden in Krankenhäuser verlegt, sodass kein einziger Todesfall an oder mit Covid-19 innerhalb eines Pflegeheimen geschah (Comas-Herrera et al. 2020, S. 13).

  22. 22.

    Zusätzlich zu bereits erwähnten Schwierigkeiten im Covid-19-Ländervergleich – unterschiedliche Verfahren zu Datenaggregation und Quantifizierung, verschiedene Definitionen der analysierten Kohorten etc. – sollen hier ergänzend weitere Probleme aufgelistet werden. Zum einen spielt die länderspezifische Altersverteilung, auf die bezüglich der Häufung letaler Covid-19-Krankheitsverläufe besonderes Augenmerk gelegt werden muss, eine entscheidende Rolle. So fallen viele Fehlerquellen auf, wie beispielsweise auch Todesfälle mit ausschließlicher Angabe zu Todes- anstatt Wohnort, die bei Versterben im Krankenhaus nach vorherigem Transfer aus einem Pflegeheim zu Verfälschungen beitragen können (Comas-Herrera et al. 2020, S. 2).

  23. 23.

    Hier sei erwähnt, dass gerade infiziertes Personal mit asymptomatischem Krankheitsverlauf durch mangelnde verdachtsunabhängige Testungen für hohe Ansteckungsraten sorgte.

  24. 24.

    Zur Auswahl der Länder sei ergänzt, dass mit Spanien (47 Mio. Einwohner) ein weiteres europäisches Land neben Deutschland (83) treten sowie jeweils eine Nation aus den Kontinenten Amerika (Kanada: 38), Asien (Südkorea: 52) und Australien (25) kommen sollte. Die Situation in Afrika ist zum einen grundlegend anders, zum anderen in Bezug auf die verfügbaren Daten nicht leicht komparativ zu bearbeiten. Insgesamt kann es an dieser Stelle aus Platzgründen natürlich auch nur um kurze Schlaglichter mit Blick auf einzelne charakteristische Entwicklungen gehen.

  25. 25.

    So gab es in Berlin bisher nie ein offizielles Besuchsverbot, sondern lediglich Beschränkungen. Einzelne Heimleitungen konnten dennoch vollständige Verbote veranlassen. Jedoch erließ die bayerische Regierung Besuchsverbote und Aufnahmestopps zu Zeiten der ersten Infektionswelle.

  26. 26.

    Unterteilt werden soziale Kontakte im Seniorenheim in extern und intern. Innerhalb der Pflegeeinrichtung könnte beispielsweise durch finanzielle Unterstützung mehr qualifiziertes Personal eingestellt werden. Auch die Tätigkeit ehrenamtlich Engagierter in den Einrichtungen sollte in dieser Krisensituation attraktiver gemacht werden. Besuche von außerhalb sollten nach Absprache aller Beteiligten ebenfalls stattfinden dürfen. Bei fehlenden Vertrauten sollte sich um engagierte Bürger*innen bemüht werden, die ehrenamtlich den Kontakt zu Senioren*innen im Pflegeheim suchen. Wichtig in der Gestaltung sozialer Kontakte sei, die Wünsche der gepflegten Person zu berücksichtigen, denn entscheidend ist vor allem die Qualität der Treffen – nicht nur deren Häufigkeit. Natürlich bedingen derartige Kontaktmöglichkeiten die Einhaltung strenger Sicherheitsvorkehrungen, welche durch zusätzliche finanzielle Mittel für ausreichend Schutzausrüstung und Testungen erlangt werden sollte (Deutscher Ethikrat 2020).

Literatur

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Corresponding author

Correspondence to Sophia Forster .

Editor information

Editors and Affiliations

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2021 Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature

About this chapter

Check for updates. Verify currency and authenticity via CrossMark

Cite this chapter

Forster, S., Frewer, A. (2021). Covid-19-Pandemie und der Schutz Älterer im internationalen Vergleich. Ergebnisse komparativer Forschung aus ethischer Perspektive. In: Reis, A., Schmidhuber, M., Frewer, A. (eds) Pandemien und Ethik. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-63530-8_15

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-662-63530-8_15

  • Published:

  • Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg

  • Print ISBN: 978-3-662-63529-2

  • Online ISBN: 978-3-662-63530-8

  • eBook Packages: Social Science and Law (German Language)

Publish with us

Policies and ethics