Abstract
Jewish fairy tales for children experienced a veritable heyday in the German-speaking world in the first third of the twentieth century – a development which is almost forgotten today, some 100 years later. This article takes a close look at this text corpus and, above all, analyses its intergenerational inscriptions. It pursues the thesis that the Jewish fairy tale was intended as a narrative of Jewish nation building, a medium of memory and recollection, and to function as the „memoria of the Jewish people“. In order to support this thesis, the history of the genre of the fairy tale in the German-speaking world, specifically the period of the emerging Volksliteratur- and Volksmärchenmode (fashionableness of folk literature and folk fairy tales) at the beginning of the nineteenth century, will be considered as well as the Jewish folk tale of that time. In conclusion and drawing from the Jewish children’s fairy tale collection of the Independent Order of B’nai B’rith, this article presents one example of Jewish remembrance in children’s fairy tales and explores its function as memoria.
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Notes
- 1.
Jakob Meitlis veröffentlichte 1933 die erste wissenschaftliche Untersuchung des Ma’assebuchs.
- 2.
Auch „Mayse-bukh“ „Maisebuch“, „Ma’assebuch“ (dt. Buch der Geschichten).
- 3.
Die folgenden Bände erschienen unter dem Titel Sippurim: eine Sammlung jüdischer Volkssagen, Erzählungen, Mythen, Chroniken, Denkwürdigkeiten und Biographien berühmter Juden aller Jahrhunderte, insbesondere des Mittelalters. Unter Mitwirkung rühmlich bekannter Schriftsteller. Die Gattungsbezeichnung Märchen wurde in den folgenden Bänden gestrichen und auch in den weiteren Auflagen im Paratext nicht mehr genannt.
- 4.
Else Ury war eine überaus erfolgreiche Kinderbuchautorin. Ihre Bücher und Buchreihen Nesthäkchen oder Goldblondchen erfuhren hohe Auflagenzahlen und wurden zum Teil auch verfilmt. Als jüdische Autorin bzw. als Autorin jüdischer Märchen (vgl. Dingelmaier 2019, S. 296) wurde sie bislang aber kaum rezipiert (vgl. aber Wilkending 2000; Lüke 2009).
- 5.
Ein weiteres ihrer Märchen, Die erste Lüge, erschien 1911 im Wegweiser für die Jugendliteratur. Dabei handelt es sich um ein „Feiertagsmärchen“ rund um das jüdische Laubhüttenfest. Rituelle Gegenstände erwachen zum Leben und bewirken, wenn auch nur im Traum, ein Umdenken und Zurückfinden des Protagonisten Rudi in den Schoß der Religion. Else Urys Märchen zeigen durchgängig, dass die Autorin nicht nur mit Ritus und Religion des Judentums vertraut war, sondern sich selbst „als zum Judentum zugehörig empfand“ (Wilkending 2000, S. 177) und diesem vor allem innerhalb der Familie eine hohe Bedeutung zuerkannte.
Literatur
Primärliteratur
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Heine, Heinrich: Ludwig Börne. Eine Denkschrift. In: Koopmann, Helmut (Hg.): Heinrich Heine, Ludwig Börne. Eine Denkschrift und Kleinere politische Schriften. Hamburg: Hoffmann und Campe, 1978, 9–132
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Herder, Johann Gottfried: Briefe zur Beförderung der Humanität. 88. Brief. Hg. von Hans Dietrich Irmscher. Frankfurt/M.: Deutscher Klassiker Verlag, 1991
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Levy, Jacob: Die Hawdolohwunder. In: Sammlung preisgekrönter Märchen und Sagen. Mit 12 Ill. von H. Grobet, hg. von der Jugendschriften-Kommission des U. O. Bnei Briß. Stuttgart: Loewe, 1909b, 45–57
Das Ma’assebuch. Altjiddische Erzählkunst. Vollständige Ausgabe ins Hochdeutsche übertragen, kommentiert und hg. von Ulf Diederichs. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 2003
Meitlis, Jakob (Hg.): Das Ma’assebuch, seine Entstehung und Quellengeschichte, zugleich ein Beitrag zur Einführung in die altjiddische Agada. Berlin: Rubin Mass, 1933
Pascheles, Wolf (Hg.): Gallerie der Sipurim, eine Sammlung jüdischer Sagen, Märchen und Geschichten als ein Beitrag zur Völkerkunde. Von mehreren isr. Gelehrten. Prag: Pascheles, 1847
Pascheles, Wolf (Hg.): Sippurim. Eine Sammlung jüdischer Volkssagen, Erzählungen, Mythen, Chroniken, Denkwürdigkeiten und Biographien berühmter Juden aller Jahrhunderte, insbesondere des Mittelalters. Unter Mitwirkung rühmlich bekannter Schriftsteller. Zweite Sammlung. Prag: Pascheles, 1853
Sammlung preisgekrönter Märchen und Sagen. Mit 12 Ill. von H. Grobet, hg. von der Jugendschriften-Kommission des U. O. Bnei Briß. Stuttgart: Loewe, 1909
Tendlau, A[braham] M[oses]: Fellmeiers Abende. Mährchen und Geschichten aus grauer Vorzeit. Frankfurt/M.: Literarische Anstalt, 1856
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Ury, Else: Im Trödelkeller. In: Sammlung preisgekrönter Märchen und Sagen. Mit 12 Ill. von H. Grobet, hg. von der Jugendschriften-Kommission des U. O. Bnei Briß. Stuttgart: Loewe, 1909, 99–106
Weisel, L[eopold]: Die goldene Gasse. In: Pascheles, Wolf (Hg.): Gallerie der Sipurim. Eine Sammlung jüdischer Sagen, Märchen und Geschichten, als ein Beitrag zur Völkerkunde. Prag: Pascheles, 1847, 52–62
Sekundärliteratur
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Dingelmaier, T. (2021). Memoria des jüdischen Volkes. In: von Glasenapp, G., Kagelmann, A., Tomkowiak, I. (eds) Erinnerung reloaded?. Studien zu Kinder- und Jugendliteratur und -medien, vol 7. J.B. Metzler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-63039-6_8
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