Zusammenfassung
Seit längerem ist selbstverständlich geworden, Kinder nicht mehr nur als Befehlsempfänger zu behandeln, die den Anweisungen der Eltern oder anderer Autoritätspersonen zu gehorchen haben. Zu den in der Kinderrechtskonvention kodifizierten Rechten gehören nicht nur die Rechte auf Schutz des Privat- und Familienlebens, auf Leben, Gesundheit und Schutz vor Gewalt, sondern auch auf Selbstbestimmung und Persönlichkeitsentwicklung. Was aber ist zu tun, wenn Kindeswohl und Kindeswille kollidieren? Dieses Problem stellt sich auch im Gesundheitswesen, wenn Kinder etwa notwendige Behandlungen ablehnen. Um dieses ethische Spannungsfeld zu analysieren, sollen zunächst die Begriffe Kindeswohl und Kindeswille erläutert werden. Es soll aufgezeigt werden, inwiefern sie in Konflikt geraten können und weshalb die Partizipation von Kindern einen Ausweg aus typischen Problemlagen bietet. Zwei Beispielfälle sollen Konsequenzen für die Praxis verdeutlichen. Schließlich soll erläutert werden, welche Formen von Paternalismus gerechtfertigt sind.
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Wiesemann, C. (2022). Ethisches Spannungsfeld – Kindeswohl – Kindeswillen. In: Riedel, A., Lehmeyer, S. (eds) Ethik im Gesundheitswesen. Springer Reference Pflege – Therapie – Gesundheit . Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-58680-8_55
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