Zusammenfassung
Innerhalb relativ kurzer Zeit haben disruptive Technologien der Digitalisierung viele Lebensbereiche grundlegend verändert. Digitalisierungsbedingte Umgestaltungen von Produktionsprozessen und Konsumgewohnheiten erfolgen so rasant und radikal, dass sie als Vierte Industrielle Revolution apostrophiert werden. Der revolutionäre Kern der webbasierten Digitalisierung ist die ungeheuer schnelle und systematische Verschmelzung von Technologien, mit denen die Grenzen zwischen der physischen und der digitalen Welt durchbrochen werden. Digitale Netzwerke, die miteinander verknüpft sind und untereinander kommunizieren, die Informationen sammeln und austauschen, die riesige Datenmengen analysieren und als Grundlage für Entscheidungen bereitstellen, ermöglichen mit ihren enormen Leistungspotenzialen die Mobilisierung von Effizienz-, Effektivitäts- und Innovationsgewinnen rund um den Globus. Theoretisch können diese Gewinne allen Menschen überall auf der Welt zugutekommen – tatsächlich profitieren jedoch nicht alle gleichermaßen von der „digitalen Dividende“, die von der digitalen Revolution erwartet wird (Hilser 2018, S. 92). Zwar können drei Viertel der Weltbevölkerung mit Mobiltelefonen kommunizieren, aber rund zwei Milliarden Menschen werden von digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) noch nicht erreicht; mehr als die Hälfte der Menschheit ist immer noch offline (World Bank 2016, S. 201). Der digitale Wandel bedeutet nicht zwangsläufig eine Win-Win-Situation für alle Gesellschaften und deren Mitglieder, Wohlstand für alle wird durch Digitalisierung nicht gewährleistet.
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Notes
- 1.
In seinem dystopischen Roman „Der Circle“ beschreibt Dave Eggers (2014), wie der Internetkonzern „Circle“, der die Geschäftsfelder der Konkurrenten Apple, Facebook, Google und Twitter übernommen hat, die Digitalwirtschaft monopolisiert, alle Kunden mit einer einzigen Internetidentität ausstattet und die Anonymität beseitigt.
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Bekannt ist das 1994 von Larry Yaeger programmierte Beispiel der „indolent cannibals“, eine Computersimulation, in der „Agenten“ – eine Vielzahl kleiner Einzelprogramme – Fähigkeiten wie Fressen, Bewegen und Fortpflanzen erhielten; bereits nach einigen Durchläufen kannibalisierten die digitalen „Agenten“ ihre Nachkommen, anstatt sich zu paaren und fortzupflanzen; siehe hierzu Kelly 1995 und Johnston 2008.
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Eine Ausnahme von dieser Einschätzung lieferte Raymond Kurzweil (2005), der die singularity, eine Intelligenzexplosion, erreicht sieht, sobald das digitale Neocortex der AGI das Denkvermögen der Menschen übertrifft.
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Dass Bilder, die ihre Existenz der errechneten Kreativität von GANs verdanken, den etablierten Kunstmarkt erreichen können, zeigt das Beispiel der Versteigerung des KI-Porträts „Edmond de Belamy“ am 25.10.2018 bei Christie’s in New York für 432.500 US-Dollar.
Literatur
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BMZ [Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung] (2017b) Der Zukunftsvertrag für die Welt. Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. BMZ, Bonn
Bolz N (2017) Die Pöbel-Demokratie. Cicero 3:15–22
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Kelly K (1995) Out of control: the new biology of machines, social systems, and the economic world. Basic Books, Boston
Kemper N (2017) Blockchain-Technologie: Funktionsweise und Potenziale für Entwicklungsländer. Entwicklungspolitik Kompakt 17 (= KfW Development Research)
Kurzweil R (2005) The singularity is near: when humans transcend biology. Viking, New York
Scherf T (2017) Megatrend Digitalisierung: Ein zentraler „Game-Changer“ für Entwicklungsländer. Entwicklungspolitik Kompakt 7 (= KfW Development Research)
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Sangmeister, H. (2020). Digitalisierung und globale Verantwortung. In: Frenz, W. (eds) Handbuch Industrie 4.0: Recht, Technik, Gesellschaft. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-58474-3_72
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