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Part of the book series: Springer-Lehrbuch ((SLB))

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Zusammenfassung

Die medizinische Praxis besteht aus den Elementen Diagnose und Behandlung sowie Pflege. Vor allem in der modernen Intensivmedizin ist die Arzt-Patient-Beziehung in vielfältiger Weise technisch vermittelt. Dennoch handelt es sich weiterhin um eine personale Beziehung – auch wenn PatientInnen bewusstlos sind. Vor dem Hintergrund empirischer Studien untersucht dieser Beitrag wie PatientInnen als Gegenüber einer hochtechnisierten Praxis existieren, wie sie in körperliche Funktionen zerlegt und für die praktischen Zwecke der Diagnose wieder zusammengesetzt werden. Dieser Praxis liegt eine spezifische, zeitlich strukturierte „Erkenntnistheorie“ zugrunde, in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in einer dynamischen Weise aufeinander bezogen werden. Die Rekonstruktion dieser praktisch wirksamen Erkenntnistheorie erlaubt es, die Besonderheiten und spezifischen Sicherheiten und Unsicherheiten medizinischer Diagnostik zu verstehen. Zugleich wird vor diesem Hintergrund auch nachvollziehbar, warum das Hirntodkonzept bzw. die Diagnose „Hirntod“ wie ein Fremdkörper im medizinischen Wissen wirkt und warum dieses Todeskonzept notwendigerweise immer wieder umstritten sein wird.

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Notes

  1. 1.

    Ich verwende in lockerer Folge sowohl ein generalisiertes Femininum als auch ein generalisiertes Maskulinum.

  2. 2.

    Bei diesem Artikel beziehe ich mich auf eigene Forschungen zum Umgang mit Intensivpatienten bzw. zur Hirntoddiagnostik, die ich in den Jahren 1997 und 1998 durchgeführt habe. Diese umfassten eine historische Rekonstruktion der Entwicklung des Hirntodkonzepts und eine empirische Studie zum Umgang mit Intensivpatientinnen und zur Praxis der Hirntoddiagnostik. Zu diesem Zweck habe ich für mehrere Monate auf einer neurologischen und einer neurochirurgischen Intensivstation teilnehmend beobachtet und 23 Experteninterviews geführt. Bei der Beobachtung habe ich versucht, mich in den Alltag zu integrieren und war pro Woche ungefähr 4–6 Tage auf den Stationen anwesend. Die tägliche Beobachtungszeit schwankte zwischen minimal 3–4 und maximal 12–13 Stunden, an die sich eine manchmal mehrstündige Nachbereitung der täglichen Ereignisse anschloss. Die Interviews habe ich im Anschluss an die Beobachtung durchgeführt. Es handelte sich um offene Leitfadeninterviews, die meistens gut eine Stunde dauerten. Sowohl bei der Beobachtung als auch bei den Interviews habe ich mich auf den Teil des medizinischen Personals konzentriert, der letztinstanzlich deutungs- und entscheidungsbefugt ist: Ärzte und Ärztinnen. Die Ergebnisse sind in zwei Monografien publiziert (Lindemann 2002, 2003).

  3. 3.

    Die Diskussion im Anschluss an meinen Vortrag in Oldenburg am 14.4.2016 im Rahmen der Vorlesungsreihe „Ärztliche Tätigkeit im 21. Jahrhundert – Profession oder Dienstleistung“ hat mir die Bedeutung der Differenz zwischen medizinischem Verstehen und sozialem Verstehen eindrücklich vor Augen geführt. Gerade engagierte angehende Ärzte scheinen an sich die Anforderung zu stellen, den Patienten als ganze Person zu verstehen.

  4. 4.

    Für die Einzelheiten der Umarbeitung vgl. Lindemann (2002, S. 77–89).

  5. 5.

    Die Schilderung des Transplantationschirurgen verweist auf eine weitere institutionelle Bedingung des Hirntodes. In einem arbeitsteiligen Medizinsystem müssen alle Beteiligten einander vertrauen. Die Todesfeststellung ist Sache des einen und die Organentnahme Sache des anderen. Der Transplantationschirurg muss dem Neurologen vertrauen und darf sich nicht selbst anmaßen, besser als dieser zwischen Leben und Tod unterscheiden zu können. Die Bedingungen und Möglichkeiten dieser Arbeitsteilung gründlich herauszuarbeiten, würde den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen. Deshalb sei hier nur in der Fußnote darauf verwiesen.

  6. 6.

    Die Bundesärztekammer hatte zuerst 1982 Empfehlungen publiziert, wie die Hirntoddiagnostik durchzuführen sei. In den Folgejahren sind diese Empfehlungen fortgeschrieben worden. Die Veränderungen beziehen sich vor allem darauf, neue apparative Verfahren zuzulassen, die eine Verkürzung der Schwebezeit ermöglichen.

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Lindemann, G. (2018). Die Ordnung der medizinischen (Todes-) Diagnostik. In: Klinke, S., Kadmon, M. (eds) Ärztliche Tätigkeit im 21. Jahrhundert - Profession oder Dienstleistung. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-56647-3_13

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