Österreich

Zusammenfassung

Unser Kenntnisstand über den normativen Rahmen, über die Institutionen und Akteure von Verfahren und Mechanismen der gerichtlichen und außergerichtlichen Konfliktlösung im 19. und 20. Jahrhundert für den Untersuchungsraum „Österreich“ – ab 1918/19 die Republik (Deutsch-)Österreich, zuvor die Habsburgermonarchie ohne das Königreich Ungarn und die ungarischen Nebenländer – ist sehr unterschiedlich: Während die Entwicklung der Gerichtsorganisation im Allgemeinen und der Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts seitens der Rechtsgeschichte intensiv erforscht wurden, gilt dies für das Straf- und Zivilprozessrecht nur bedingt. Die einschlägigen Forschungen zu diesen Themengebieten wurden und werden in hohem Maße nicht von Rechtshistorikern, sondern von mit dem geltenden Recht befassten Juristen betrieben. Dasselbe gilt für die Beschäftigung mit den Möglichkeiten außergerichtlicher Konfliktlösung, mit derem institutionellen Rahmen und mit deren Akteuren, die von der Rechtsgeschichte und von der allgemeinen Geschichtswissenschaft nur am Rande beachtet wurden und werden und deren stärkere Erforschung ein großes Desiderat für die Zukunft darstellt. Deutlich gebessert hat sich hingegen in den letzten beiden Jahrzehnten der Forschungsstand, soweit die Rolle der Justiz in der Zeit der Diktaturen – in den Jahren des österreichischen Ständestaates (1933–1938) und der NS-Herrschaft in Österreich (1948–1945) – betroffen ist. Auch die Aufarbeitung der NS-Verbrechen in der Nachkriegszeit ab 1945 und der Umgang mit der Frage der Restitution des während der NS-Zeit enteigneten Vermögens haben zuletzt verstärkt die Aufmerksamkeit der Forschung auf sich gezogen.