Zusammenfassung
Zahlreiche Gesetze regeln die Ansprüche auf präventive und gesundheitsfördernde Leistungen, legen Schutzniveaus für bestimmte Bevölkerungsgruppen fest und definieren präventive Pflichten öffentlich-rechtlicher und privater Akteure. Ausgehend von der Verortung der Prävention in der föderalen Kompetenzordnung des Grundgesetzes werden die wichtigsten gesetzlichen Regelungen zur Prävention auf Bundes-, Landes- und EU-Ebene vorgestellt. Der Schwerpunkt liegt auf einer Analyse der politischen Willensbildung und ihrer Resultate in Hinblick auf ein übergreifendes Präventionsgesetz, mit welchem Zielorientierung sowie Zusammenarbeit der hier tätigen Akteure trägerübergreifend verbessert und Prävention qualitativ, organisatorisch und finanziell umfassend gestärkt werden soll. Mit dem Präventionsgesetz 2015 fand zwar ein über zehnjähriger Diskussionsprozess seinen vorläufigen Abschluss, gleichwohl kann dieses Gesetz mit seinen im Wesentlichen auf die Gesetzliche Krankenversicherung und die Soziale Pflegeversicherung begrenzten Aufgabenzuweisungen nicht den Anspruch erheben, Prävention als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu stärken.
Similar content being viewed by others
Notes
- 1.
Artikel 72 Abs. 1: „Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat.“ Sobald der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch macht, erlischt die diesbezügliche Landeskompetenz.
- 2.
Infolge des Einflusses der Tabaklobby ist die Plakat- und Kinowerbung (da sie nicht grenzüberschreitend sind und nicht das Funktionieren des europäischen Binnenmarktes berühren) für Tabakerzeugnisse in Deutschland als einzigem EU-Land weiterhin erlaubt.
- 3.
Zur Verbesserung der Zusammenarbeit von staatlicher und berufsgenossenschaftlicher Arbeitsschutzaufsicht u. a. durch gemeinsame Zielausrichtung, Harmonisierung des Vorschriften- und Regelwerks sowie eines abgestimmten Handelns der jeweiligen Aufsichtsdienste hat der Bund 2008 die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA) ins Leben gerufen.
- 4.
Für die Prävention in der Pflege ist demgegenüber nur ein Träger – die soziale Pflegeversicherung – zuständig. Deren Präventionsleistungen waren bis zum Präventionsgesetz 2015 auf Kurse für pflegende Angehörige beschränkt, seither erbringt die Pflegeversicherung jedoch auch Präventionsleistungen für stationär Pflegebedürftige, die in einem Leitfaden beschrieben sind (GKV-Spitzenverband 2018).
- 5.
Diskontinuität bezeichnet ein automatisches Verfallen von Gesetzesvorhaben, die innerhalb einer Legislaturperiode nicht verabschiedet worden sind. Bei Interesse an einer Weiterverfolgung des Themas muss das Gesetzgebungsverfahren mit einem neuen Entwurf in Gänze von neuem begonnen und durchlaufen werden.
- 6.
Der rot-grüne Gesetzentwurf von 2005 und die Stellungnahme des SPD-dominierten Bundesrates 2013 sahen jedoch zumindest Kofinanzierungen von Präventionsprojekten in Lebenswelten durch Länder und Gemeinden (als Eigenbeiträge öffentlicher Träger von Einrichtungen oder über eine Mitfinanzierung der Landespräventionsfonds durch die Bundesländer) vor.
- 7.
Dies hätte den Bund jedoch nicht zu hindern brauchen, im Rahmen des ihm Möglichen auch eigene Akzente zu setzen, bspw. durch finanzielle Stärkung der Bundesbehörde BZgA, durch präventionsorientierte Gestaltung der Steuersätze für Suchtmittel (Tabak, Alkohol) oder durch nationale Aktionspläne. Im Bereich der Prävention bildet „IN FORM – Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung“ (http://www.in-form.de. Zugegriffen am 10.12.2018) bislang das einzige Beispiel für einen solchen ressortübergreifenden nationalen Aktionsplan.
- 8.
In diesem Kontext treibt die „Zwangsbeauftragung“ der BZgA durch die GKV die Diskrepanz zwischen gesamtgesellschaftlichem Anspruch und realer Politik auf die Spitze: Der Bund leistet nicht nur keinen eigenen finanziellen Beitrag zur Stärkung der Prävention, er bedient sich zusätzlich noch über seine nachgeordnete Behörde bei den Beitragsgeldern der GKV. Die GKV lässt die gesetzliche Konstruktion gerichtlich überprüfen.
Literatur
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche, Maria Klein-Schmeink, Harald Terpe und weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/13504 – (2017) Umsetzung des Präventionsgesetzes. Bundestags-Drucksache 18/13612 vom 21.09.2017
Beschluss des Bundesrates (2013) Schaffung eines Bundespräventions- und Gesundheitsförderungsgesetzes. Bundesrats-Drucksache 753/12 vom 22.03.2013
BGBl I – Bundesgesetzblatt Teil I (2015) Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention. Vom 17. Juli 2015:1368–1379
Böhm K (2017) Kommunale Gesundheitsförderung und Prävention. Z Sozialreform 63(2):275–299
Geene R, Reese M (2016) Handbuch Präventionsgesetz. Neuregelung der Gesundheitsförderung. Mabuse, Frankfurt am Main
Gerlinger T (2016) Präventionsgesetz. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg) Leitbegriffe der Gesundheitsförderung. Ergänzungsband 2016. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden. Verlag für Gesundheitsförderung, Grafling, S 135–142
Gesetzentwurf der Bundesregierung (2015) Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz – PrävG). Bundestags-Drucksache 18/4282 vom 11.03.2015
Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP (2013) Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Prävention. Bundestags-Drucksache 17/13080 vom 16.04.2013
Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen (2005) Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der gesundheitlichen Prävention. Bundestags-Drucksache 15/4833 vom 15.02.2005
GKV-Spitzenverband (2018) Leitfaden Prävention in stationären Pflegeeinrichtungen nach § 5 SGB XI. Berlin
Grossmann B, Prümel-Philippsen U (2014) Freiwillig gemeinsam mehr erreichen – Die Strategie des neuen Präventionsgesetzes. Prävention Z Gesundheitsförderung 37:117–120
Kabinettsentwurf (2014) Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention vom 17.12.2014
Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD (2013) Deutschlands Zukunft gestalten. 18. Legislaturperiode. Berlin
MDS/GKV-SV – Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e. V. und GKV-Spitzenverband (2017) Präventionsbericht 2017. Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung: Primärprävention und betriebliche Gesundheitsförderung. Berichtsjahr 2016. Essen/Berlin
Nationale Präventionskonferenz – NPK (2016) Bundesrahmenempfehlungen der Nationalen Präventionskonferenz nach § 20d Abs. 3 SGB V. Berlin
Referentenentwurf (2007) Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und gesundheitlicher Prävention sowie zur Änderung anderer Gesetze. Bundesministerium für Gesundheit, Bonn
Referentenentwurf (2014) Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention. Bundesministerium für Gesundheit, Bonn
Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001) Gutachten 2000/2001: Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit. Band 1: Zielbildung, Prävention, Nutzerorientierung und Partizipation. Bundestags-Drucksache 14/5660 vom 21.03.2001
Seewald O (2002) Expertise Präventionsregelungen im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (unter Mitarbeit von K. Leube). Universität Passau, Passau (vervielfältigtes MS)
Seewald O (2005) Rechtsgutachten zu verfassungsrechtlichen Problemen des Entwurfs eines „Gesetzes zur Stärkung der gesundheitlichen Prävention“ erstattet dem Bundesverband der Innungskrankenkassen. Universität Passau, Passau (vervielfältigtes MS)
Stellungnahme des Bundesrates (2005) Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der gesundheitlichen Prävention. Bundesrats-Drucksache 97/05 vom 18.03.2005
Stellungnahme des Bundesrates (2013) Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Prävention. Bundesrats-Drucksache 217/13 vom 03.05.2013
Stellungnahme des Bundesrates (2015) Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention. Bundesrats-Drucksache 640/14 vom 06.02.2015
Thüsing G (2013) Prävention und Gesundheitsförderung im bundesstaatlichen Kompetenzgefüge. Gutachterliche Stellungnahme im Auftrage des Bundesministeriums für Gesundheit. Universität Bonn, Bonn (unveröff.)
Wallrabenstein A (2015) Einbindung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in die Aufgaben- und Ausgabenzuweisung des Präventionsgesetzes. Gutachten im Auftrag des AOK-Bundesverbandes GbR. Zu den verfassungsrechtlichen Grenzen des Konnexitätsprinzips im Sinne eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung gemäß Art. 87 Abs. 2 GG am Beispiel des § 20a SGB V-E, Darmstadt
Walter U (2002) Wahrnehmung und Umsetzung rechtlicher Bestimmungen zur Prävention in Deutschland. Expertise aus sozialmedizinischer Sicht im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung. Medizinische Hochschule Hannover, Hannover (vervielfältigtes MS)
Walter U (2004) Wahrnehmung rechtlicher präventiver Regelungen und Implikationen für ein übergreifendes Präventionsgesetz. Gesundheitswesen 66:69–75
Walter U (2014) Ein Präventionsgesetz? Viele Präventionsgesetze! Rechtliche Regelungen zur Prävention und Gesundheitsförderung auf Bundes- und Landesebene. Prävention Z Gesundheitsförderung 37:121–124
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2019 Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature
About this entry
Cite this entry
Wanek, V., Schreiner-Kürten, K. (2019). Präventionsgesetzgebung. In: Tiemann, M., Mohokum, M. (eds) Prävention und Gesundheitsförderung. Springer Reference Pflege – Therapie – Gesundheit . Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-55793-8_21-1
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-662-55793-8_21-1
Received:
Accepted:
Published:
Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg
Print ISBN: 978-3-662-55793-8
Online ISBN: 978-3-662-55793-8
eBook Packages: Springer Referenz Medizin