Zusammenfassung
Der Beitrag von Jule Bumiller, Mariono Flores und Nils Roth steht als Beispiel für eine Ethnographie. Die Autor_innen präsentieren in ihrem Beitrag „Zeugen Jehovas – Identität und Interaktion“ eine Untersuchung der Glaubensgemeinschaft Zeugen Jehovas entlang der Grounded Theory (Methodologie). Getrieben von der Suche nach deren Strukturen und der Stellung des Individuums in der stark abgeschlossenen Gemeinschaft, begaben sie sich mitten hinein. Die Beobachtung der wöchentlichen Zusammenkünfte, die Analyse des Wachturms sowie eines Gruppeninterviews ermöglichte ihnen einen seltenen Einblick. Ein wesentliches Ergebnis ihrer Studie ist der Umgang mit Individualität. Die Freiräume, die genutzt werden, um beispielweise Grenzziehungen viel weniger streng als erwartbar vorzunehmen, werden von der Gruppe herausgearbeitet. Aber auch der weiterhin für die befragten Mitglieder prägende Kontakt mit Menschen und Themen, die außerhalb der Gemeinschaft stehen, war überraschend.
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Notes
- 1.
Aus forschungsethischen Gründen haben wir den Ortsnamen und alle Personennamen anonymisiert.
- 2.
Der Wachtturm ist eine religiöse Zeitschrift, die von den Zeugen Jehovas herausgegeben wird. Es gibt zwei unterschiedlich Ausgaben. Eine ist für die Öffentlichkeit bestimmt und die andere als Studienausgabe gedacht. Sie wird speziell für Zeugen Jehovas und Personen, die in ihrem Bibelstudium gewisse Fortschritte erkennen lassen, gedruckt. Sie befasst sich mit der Bibel, ihrer Auslegung und den Konsequenzen für die Lebensführung.
- 3.
Die folgende Zitierungsweise ergibt sich aus den Angaben der Studienausgabe der Wachtturm-Zeitschrift, die in gewissen Zeiträumen herausgegeben wird. (Diese ist nicht auf einen spezifischen Schriftsteller zurückzuführen, sondern auf eine organisatorische Zentraleinrichtung, die als Wachtturm-Gesellschaft sich ernennt).
- 4.
An dieser Stelle sparen wir uns eine ausführlichere Positionierung in der Debatte zwischen den Lagern Strauss und Corbin vs. Glaser. Angemerkt sei aber, dass wir einige Entwicklungen Glasers nach The Discovery of Grounded Theory wie etwa Code-Familien für einen Rückschritt halten, nehmen aber seine Kritik an der Strauss'schen „Forcierung und Rahmung von Daten” durchaus ernst (vgl. bspw. Glaser 1992; Keller 2005).
- 5.
Aus Sicht der Zeugen Jehovas eine Person, die man potenziell als zukünftiges Mitglied gewinnen kann.
- 6.
Wir sparen uns hier die Diskussionen, die man im Anschluss an „Sequenzanalyse “ führen könnte. Wo und wann sich Sinn konstituiert, wo er objektiv oder subjektiv ist. Unsere Grundprämisse ist, dass sich subjektiver Sinn in der Transkription objektiviert. Zu sequenzanalytischen Verfahren siehe: Kraimer 2000; Strauss und Corbin 1996.
- 7.
Auch wenn es den Leser inzwischen ermüden mag, weisen wir auch hier darauf hin, dass dieses Vorgehen einer Zusammenfassung der Ergebnisse gleichkommt. Insbesondere die Theoriebildung erfolgte nicht, wie man angesichts der gestrafften Darstellung vermuten könnte, jeweils im Anschluss an einzelne Themengebiete, sondern größtenteils erst nach der Analyse des gesamten Materials. Denn wie angedeutet wurden viele Dinge erst in ihren emergenten Zusammenhängen deutlich und damit theoretisierbar.
- 8.
Wie werden auch in der deutschen Übersetzung Me, I und Self verwenden, da „Ich“ und „ICH“ mehr zur Verwirrung betragen, als irgendetwas zu illuminieren.
- 9.
Den Wissensdiskurs verstehen wir als die Gesamtheit der religiösen Überzeugungen der Zeugen Jehovas, der sich kanonisiert z. B. in einer eigenen Bibelinterpretation, der Neuen-Welt-Übersetzung, wiederfindet.
- 10.
Dieses Vorgehen ist bei „Religionsgemeinschaften“ nicht ungewöhnlich. Man denke etwa an Scientology, die ihre Grenzen universal ziehen. Jedoch ist hier das absolute Kriterium nicht Wahrheit, sondern profanerweise monetäre Leistungsfähigkeit. Dieses Kriterium ist bei den Scientologen eines, an dem auch die Handlungen in hohem Maße orientiert sind. Kein Geld – kein Zugang (vgl. Willms 2005).
- 11.
Wie man bei den Zeugen Jehovas beispielsweise bei der Wahl des Ehepartners sehen kann, bei der die Unterscheidung Zeuge/Nicht-Zeuge von äußerster Relevanz zu sein scheint. Nur konnten wir einen solchen Auswahlprozess empirisch nicht begutachten.
- 12.
Wir haben versucht, möglichst nah am Sprachgebrauch des Wachtturms zu bleiben.
- 13.
Der Begriff findet auch in katholischen Gebieten Anwendung. Hauptsächlich aber in evangelischen Gemeinden Nord- und Mitteldeutschlands.
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Bumiller, J., Flores Rödel, M., Roth, N. (2018). Zeugen Jehovas – Interaktion und Identität. In: Lindner, D., Gregor, A. (eds) Identitätsforschung in der Praxis. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-54587-4_4
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