FormalPara Lernziele
  • Verstehen der motorischen Grundeigenschaften,

  • Kennenlernen der Skelettmuskulatur als Leistungsträger,

  • Verstehen der Grundlagen des Muskelstoffwechsels unter Belastung,

  • Kennenlernen der Trainingsformen zur Verbesserung von Muskelausdauer und -kraft,

  • Kennenlernen der Maßnahmen für optimale Sicherheit während des Trainings,

  • Überblick über Methoden zur Verbesserung des Bewegungsumfanges eines Gelenkes.

1 Einleitung

Unter körperlicher Aktivität versteht man jene körperliche Belastung, die zu einer signifikanten Steigerung des Stoffwechsels führt (Caspersen 1985). Körperliche Aktivität zu therapeutischen Zwecken hat den Erhalt bzw. die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit zum Ziel. Sie stellt eine Kombination physikalischer, physiologischer, biochemischer, biomechanischer und psychologischer Eigenschaften dar (Shepard 1977). Nach den Prinzipien der Trainingslehre können folgende motorische Grundeigenschaften unterschieden werden:

  • Ausdauer,

  • Kraft,

  • Sensomotorik/Koordination,

  • Beweglichkeit bzw. Flexibilität,

  • Schnelligkeit.

Der zentrale Angriffspunkt der medizinischen Trainingstherapie im Bereich von Kraft und Ausdauer ist die Skelettmuskulatur. Damit die Muskulatur ihre spezifischen Leistungen entfalten kann, sind umfangreiche Transport- und Steuerungssysteme notwendig. Die Transportsysteme umfassen den Transport von Sauerstoff, Kohlendioxid, Laktat, Wärme sowie von energiereichen Substanzen. Diese Transportfunktionen sind wesentlich von der Funktionstüchtigkeit des Herz-Kreislauf-Systems sowie des Atmungssystems abhängig. Diese Steuerungssysteme beinhalten neben der Regulation von Atmung und Kreislauf das afferente und efferente Nervensystem und deren komplexe, als Sensomotorik bezeichnete, steuernde Interaktion mit der Skelettmuskulatur. Im Rahmen dieses Kapitels liegt der Schwerpunkt auf der Skelettmuskulatur.

2 Grundlagen

2.1 Morphologie der Muskelzelle

Die kontraktilen Elemente der Muskelzelle sind die Myofibrillen, die innerhalb der Muskelzelle in Serie geschaltet sind. Die Myofibrillen enthalten als Hauptbestandteile 2 Proteine: das dicke Myosin und das dünne Aktin. Die Sarkomere werden von den Z-Linien begrenzt.

2.2 Exzitations-Kontraktions-Kopplung bei konzentrischer Muskelarbeit

Die Depolarisation der motorischen Nerven und der motorischen Endplatte bewirkt die Freisetzung von multi-molekularen Paketen von Acetylcholin. Dadurch kommt es zur Depolarisation der Muskelzellmembran und zur Freisetzung von Kalziumionen aus ihren Speichern im sarkoplasmatischen Retikulum. Die Folge ist die Bildung der Aktin-Myosin-Cross-Bridge-Formation. Nach der Bildung dieser Verbindungen zwischen Aktin und Myosin ändert sich der Winkel des Myosinkopfes und zieht so das Aktinfilament am Myosin vorbei. Dieser Vorgang bewirkt eine Verkürzung des Sarkomers und damit der gesamten Muskelzelle.

Zur Auflösung dieser Cross-Bridge-Formation wird ein energiereiches Phosphat aus dem Adenosintriphosphat (ATP )-Stoffwechsel oder aus dem Kreatinphosphat (KP)-Stoffwechsel benötigt. Der Myosinkopf kann dann an die nächste Aktinstelle binden, die näher zu der Z-Scheibe liegt, und so eine weitere Verkürzung der Myofibrille durchführen.

Nach Beendigung des Aktionspotentials wird das Kalzium in das sarkoplasmatische Retikulum zurückgepumpt und die Muskelzelle relaxiert. Bei der exzentrischen (nachgebenden) Kontraktion kommt es zu einer gewaltsamen Lösung der Aktin-Myosin Verbindung, wahrscheinlich ohne ATP Verbrauch.

Im mechanischen Muskelmodell ist zu beachten, dass neben den kontraktilen Elementen auch in Serie geschaltete sowie parallel geschaltete, elastische Elemente in Form von bindegewebigen Strukturen vorhanden sind.

2.3 Muskelzellen und Typen der motorischen Einheiten

Die Skelettmuskeln setzten sich aus morphologisch, funktionell, molekular und metabolisch verschiedenen Fasertypen zusammen, die jeweils über ein hohes adaptatives Potential verfügen. Die unterschiedlichen Eigenschaften der einzelnen Fasertypen beruhen auf der unterschiedlichen Ausprägung der meisten sarkomerischen Proteine in mehreren Isoformen oder Isotypen. Diese Proteinisoformen sind in den verschiedenen Fasertypen unterschiedlich vertreten. Ihre ähnlichen, jedoch graduell verschiedenen Eigenschaften verleihen den einzelnen Fasertypen charakteristische funktionelle Merkmale (Pette 1999). Bei dem hexameren Molekül Myosin, welches sich aus zwei schweren Peptidketten (Myosin Heavy Chain, MHC) und vier leichten Peptidketten zusammensetzt, resultieren aus deren unterschiedlichen Kombinationen verschiedene Isomyosine (Pette und Staron, 1990). Bedeutung für die funktionellen Unterschiede haben vor allem die Isoformen der schweren Kette, denn sie sind Träger der für den Elementarprozess der Kontraktion wichtigen Adenosintriphosphatase (ATPase)-Aktivität des Myosins. Im humanen Skelettmuskel finden sich hauptsächlich Isotypen der schweren Myosinkette (MHC). Dies sind MHC-IIb in den Typ-IIB, MHC-IIa in den Typ-IIA und MHC-I in den Typ-I-Fasern. In dieser Reihenfolge kommt es zu einer Abnahme der ATPase-Aktivität und dadurch zu einer Abnahme der Kontraktionsgeschwindigkeit der entsprechenden Fasertypen. Bei den Typ-IIB-Fasern bzw. der MHC-IIb des Menschen handelt es sich um Fasern bzw. eine Isoform, die den in kleinen Säugetieren vorkommenden Typ IID/X bzw. deren entsprechender MHC-IId/x analog sind.

Memo

Erhöhte bzw. verminderte neuromukuläre Aktivität führt zur Umwandlung der Fasertypen des Skelettmuskels.

Die Faserzusammensetzung eines Skelettmuskels ist nicht starr fixiert, wenngleich sie genetisch in gewisser Weise determiniert erscheint. Von überragender Bedeutung sind exogene Einflüsse, insbesondere das Muster der motorischen Innervation. Erhöhte neuromuskuläre Aktivität löst Umwandlungen schneller in langsamere Fasertypen aus, während verminderte neuromuskuläre Aktivität die Umwandlung langsamer in schnellere Fasertypen induziert. Diese Veränderungen werden dann konsekutiv von Änderungen im Enzymaktivitätsmuster anaerober und aerober Stoffwechselwege begleitet. Bei der Schnell-langsam-Umwandlung haben diese Veränderungen eine Steigerung des aerob-oxidativen Potentials zur Folge. Tab. 14.1 gibt einen Überblick über die Charakteristika der Muskelfasertypen

Tab. 14.1 Charakteristika der Muskelfasertypen

2.4 Die wichtigsten Stoffwechselwege der Muskelzelle

Die Muskelzelle benutzt insgesamt vier wichtige Stoffwechselwege , um aus dem Abbau von Fetten und Kohlenhydraten Energie zu gewinnen. In diesen Stoffwechselschritten wird genügend Energie freigesetzt, um das Adenosintriphosphat (ATP) als spezifische energiereiche Substanz zu synthetisieren. Dieses ATP ist von herausragender energetischer Bedeutung, da es als einzige Substanz direkt für die Muskelkontraktion genutzt werden kann. Den wichtigsten Anteil dieses Moleküls stellen die drei Phosphatgruppen dar, deren Anbindung Energie erfordert. Um ein Gramm Adenosindiphosphat (ADP) in ATP umzuwandeln, werden etwa 7 Joule benötigt. Umgekehrt wird bei der Auflösung dieser Bindung Energie frei. Diese Resynthese des ADP zu ATP kann auf verschiedenen Wegen erfolgen.

2.4.1 Anaerober Stoffwechsel

2.4.1 ATP-Kreatinphosphat-System

ATP und Kreatinphosphat (KP) sind als energiereiche Phosphate innerhalb der Muskelzelle gespeichert und daher sehr rasch verfügbar. Die energiereiche Phosphatverbindung des KP beinhaltet etwa die gleiche Energie wie diejenige des ATP. Sie kann daher genutzt werden, um aus ADP das ATP zu resynthetisieren. Dies ist der schnellste Weg der Zelle, um ATP wieder aufzubauen, da hierfür nicht erst Kohlenhydrate oder Fette in den Stoffwechsel eingeschleust werden müssen. Daher kann viel Energie in kurzer Zeit bereitgestellt werden. Dieses System hat den höchsten Energiedurchsatz pro Zeiteinheit. Allerdings ist die Kapazität dieses Speichersystems begrenzt und innerhalb von 5–10 Sekunden intensiver, muskulärer Belastung erschöpft. Es muss daher nach anderen Wegen gesucht werden, um das ATP zu regenerieren.

2.4.1 Anaerobe Glykolyse

Glykogen wird im Sarkoplasma der Muskelzelle ohne Beteiligung von Sauerstoff schrittweise zu Pyruvat (Brenztraubensäure) und schließlich zu Laktat (Milchsäure) abgebaut. Die dabei entstehende ATP-enge entspricht etwa einem Drittel bis der Hälfte der Menge, die in der KP-Reaktion freigesetzt wird.

Durch die Bildung von H+ Ionen aus der Laktatproduktion kommt es zur Azidose der Muskelzelle . Dies hemmt die Bildung von weiterem ATP sowie von Kalziumtroponin und führt zu einer Reizung der freien Nervenendigungen und damit zum Schmerzempfinden. Alle diese Mechanismen zusammen limitieren schließlich den weiteren Ablauf der Muskelkontraktion. Außerdem ist das Glykogen als alleinige Energiequelle des anaeroben Muskelstoffwechsels in der Muskulatur und Leber nur begrenzt speicherfähig. Bei intensiven, kurz dauernden Belastungen stellt die anaerobe Glykolyse die entscheidende Energiequelle dar. Wird bei steigender Belastung die anaerobe Glykolyse beansprucht, überschreitet die Laktatproduktion den Laktatabbau. Es kommt zu einer Ansäuerung des Blutes, die anfänglich durch den Bikarbonatpuffer ausgeglichen werden kann.

2.4.2 Aerober Stoffwechsel

Bei länger dauernden Belastungen wird die Inanspruchnahme von sauerstoffverbrauchenden Stoffwechselprozessen erforderlich. Dieser aerobe Muskelstoffwechsel verwendet einerseits das Pyruvat (Brenztraubensäure) aus dem Glykogenabbau, andererseits werden freie Fettsäuren direkt in den Zitronensäurezyklus eingeschleust. Nach dem Zitronensäurezyklus kommt es in der Atmungskette zum Elektronentransport und zur ATP-Bildung unter dem Einfluss von Sauerstoff. Als Endprodukte entstehen Kohlensäure und Wasser sowie ATP. Dieser Vorgang findet in den Mitochondrien statt.

2.4.2 Aerobe Glykolyse

Die Verbrennung von Kohlenhydraten geht ohne Anhäufung von Laktat und Protonen einher und wird dadurch wesentlich länger toleriert. Allerdings ist die energetische Leistung pro Zeiteinheit nur halb so groß wie bei der anaeroben Glykolyse.

Der aerobe Stoffwechsel ist jedoch mit einer 13-mal größeren ATP-Ausbeute als im anaeroben Metabolismus sehr effizient. Beide Prozesse dürfen jedoch nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Je nach Blutversorgung und Eigenschaften der Muskelfaser sind in verschiedenen Bereichen eines Muskels verschiedene Mechanismen der Energiebereitstellungen aktiv. Der aerobe Kohlenhydratabbau ist entscheidend von der Menge der intramuskulären Glykogenvorräte abhängig (Bergström et al. 1967). So führt z. B. ein Lauf über 10–20 km mit maximal möglichem Tempo zu einer völligen Erschöpfung der intramuskulären Glykogenvorräte (Saltin 1971).

2.4.2 Abbau freier Fettsäuren

Fette stehen im Muskelgewebe in geringerer Menge als Triglyzeride zur Verfügung. Der Großteil wird über den Blutweg aus den Fettspeichern herangeführt. Innerhalb der Muskelzelle werden sie durch die Bindung an Carnitin in die Mitochondrien eingeschleust. Dort werden sie dann langsam zu Acetyl-Coenzym-A abgebaut. Auf diesem Weg entsteht zwar nicht direkt ATP, es werden jedoch große Mengen an NADH hergestellt. Diese ständige Regeneration von NAD+ aus NADH innerhalb der Atmungskette ist strikt sauerstoffabhängig. Der Elektronenfluss in der Atmungskette stellt eine Energiequelle dar, in deren Verlauf ATP resynthetisiert wird.

Basierend auf diesen Möglichkeiten der Energiebereitstellung ist verständlich, dass eine intensive Muskelarbeit die ATP Speicher sowie die anaerobe Glykolyse beansprucht. Die Muskelarbeit kann in hoher Intensität durch die zuvor beschriebenen Mechanismen nur relativ kurz durchgehalten werden. Hingegen kann eine moderate Muskelarbeit durch Beanspruchung der aeroben Stoffwechselvorgänge über lange Zeit durchgeführt werden.

Bei ständig zunehmender körperlicher Belastung gehen die Stoffwechselwege dynamisch ineinander über: Zunächst wird der aerobe Stoffwechsel aktiviert. Bei steigender Belastung wird auch die anaerobe Glykolyse beansprucht, sodass die Laktatproduktion den Laktatabbau überschreitet. Während des aeroben Stoffwechsels wird Sauerstoff verbraucht und CO2 abgeatmet. Jenseits der anaeroben Schwelle wird die durch Laktat entstehende Azidose durch den Bikarbonatpuffer antagonisiert. Bikarbonat zerfällt in CO2 und Wasser. Dieses, aus dem Stoffwechsel stammend, wird abgeatmet. Dadurch kommt es zu einem rascheren Anstieg der CO2-Abgabe gegenüber der O2-Aufnahme. Auf diesem Mechanismus beruht die ventilatorische Bestimmung der anaeroben Schwelle (Beaver 1986).

2.5 Anpassung der Skelettmuskulatur

Die Skelettmuskulatur verfügt über große Kapazitäten, sich an Stress anzupassen, wobei diese muskulären Anpassungen durch eine Reihe von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst werden (Steinacker 2002). Durch akute Belastungen und durch Training entstehen Störungen wie Azidose, ATP-Verarmung, Glykogenmangel, Sauerstoffmangel, Störungen der Ionenpumpe sowie freie Radikale und Zytokine. Die Zellintegrität und die Muskelfunktion werden durch Schutz und Kompensationsmechanismen sowie spezielle Stoffwechselanpassungen gewährleistet.

Die Anpassung der Muskulatur kann in Differenzierungsvorgänge und in Wachstumsvorgänge unterschieden werden. Einer der wichtigsten Mechanismen für die muskuläre Differenzierung ist die Transformation der Myosin-Schwerketten-Isoformen. Bei Ausdauertraining kommt es zur vermehrten Expression von langsamen MHC-I, bei Krafttraining kommt es zur Zunahme der schnellen oxidativen Isoform MHC-IIA. Unter den Mechanismen der Regulation der muskulären Anpassung an körperliches Training haben sich wichtige Faktoren herausgestellt:

Die regulatorische Botschaft der rezeptorabhängigen Hormone wird über ein sekundäres Botensystem an den Zellkern weitergeleitet. Dabei sind besonders die Tyrosinkinase-abhängigen Rezeptorsysteme Insulin, Wachstumshormon, und das Insulin-Like-Growth-Faktor-System (IGF-System) wichtig. Letzteres steuert muskuläre Anpassungsreaktionen wie Hypertrophie oder Regeneration (Booth 1996). Die Umwandlung des Muskelfasertyps kann auf mehrere Arten erfolgen:

  • Fasertyptransformation – biochemische Änderung des Typs einer Faser

  • Atrophie – Abbau von Proteinen in bestimmten Fasern

  • Hypertrophie – Aufbau von Proteinen in bestimmten Fasern

  • Fasersplicing – Teilung von bestimmten Fasern

  • Apoptose – programmierter Zelltod von nicht benötigten Fasern

  • Neogenese – Neubildung von Fasern aus Vorläuferzellen

  • Nekrose – ungeplanter, kompletter Untergang von Fasern

Memo

Muskuläre Anpassungen werden in Differenzierungsvorgänge (z. B. Transformation) und Wachstumsvorgänge (z. B. Hypertrophie) eingeteilt.

Die Neogenese von Fasern geht von den Satellitenzellen aus, die nahe an der Basalmembran von ausgewachsenen Muskelfasern sitzen und von der Population der Muskel besiedelnden Stammzellen ausgehen („muscle-derived stemcells“, MSC). Kürzlich wurde eine neue Isoform MHC-Iα beschrieben. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um embryonales MHC, das von Satellitenzellen stammt oder im Rahmen einer Langsam-zu-Schnell-Transformation als MHC-Pool dient. Entsprechend könnte man MHC-Iα als intermediäres Myosin bezeichnen. Körperliches Training reguliert dieses intermediäre Myosin im menschlichen Skelettmuskel hoch.

Beim Wachstum der Muskelzellen als der zweite wesentliche Anpassungsvorgang spielt das Insulin-Like-Growth-Faktor-System (IGF-I-System) eine wesentliche Rolle. Dieser Faktor hat einen stimulierenden Effekt auf die Muskelhypertrophie und die Regeneration. IGF-I kann als Zytokin die im Skelettmuskel befindlichen Stammzellen aktivieren und die Proliferation und Differenzierung von Myoblasten stimulieren. In der normalen Funktion wird IGF-I von der Leber gebildet und ist daher, abhängig vom Stoffwechselstatus, unter anderem glykogenabhängig. Neu entdeckt wurde die Fähigkeit des Skelettmuskels, parakrin/autokrin eine Splicingvariante von IGF-I zu bilden. Dieses IGF wird „mechano-growth-factor (MGF)“ genannt, da dessen Bildung offenkundig durch mechanische Reize ausgelöst wird. Damit dient MGF als lokaler Wachstumsfaktor und könnte bei katabolen Situationen mit IGF-I-Mangel eine besondere lokale Bedeutung haben.

Mechanische Belastungen wirken über die externe Zellmatrix auf das Zytoskelett der Muskelzelle. Die Verbindungsstellen zwischen externer und interner Zellmatrix sind die sogenannten „functional adhaesions“.

Über mehrstufig aufeinander aufbauende Regelkreise kommt es zur Transkription verschiedener Gene. Über den direkten mechanischen Reiz und kalziuminduziert erfolgt eine Sofortreaktion. Über den lokalen Wachstumsfaktor MGF wird dieses Signal in eine länger dauernde Wirkung umgesetzt. Bei guter Energieversorgung wird das Signal weiter verstärkt über IGF-I und über andere somatotrop wirkende Hormone.

Metabolisch wirksame Hormone haben eine besondere Bedeutung für die Regulation des Genexpressionsmusters der Skelettmuskelzelle. Dazu gehören die Hormone Insulin, IGF und Wachstumshormone, die über Tyrosinkinase abhängige Rezeptorsysteme die Genexpression regulieren. Bei starker metabolischer Belastung und Erschöpfung der Energiereserven werden diese Hormone in einer katabolen Reaktion herunterreguliert. Kortisol als kataboles Hormon wird bei starker metabolischer Belastung mit Glykogenmangel oder auch bei Stress hochreguliert und hemmt über den Steroidrezeptor die Transkription vieler Gene, wahrscheinlich auch von schnellen Myosinen. Über diesen Steroidrezeptor wirken unter anderem auch Testosteron und Tyrosin. Während Testosteron als Gegenspieler die katabole Wirkung von Kortisol hemmt, stimuliert Tyrosin die Expression schneller Myosine.

Zusätzlich kann der Skelettmuskel auch eigene Zytokine wie das Interleukin-6 (IL6) produzieren. Bei intensiver körperlicher Belastung kann der IL6-Spiegel auf mehr als das Zehnfache des Ruhewertes ansteigen. Als Wirkungen werden derzeit die Stimulation entweder der Glykogenolyse als glukostatisches Hormon oder der Lipolyse diskutiert.

3 Allgemeine Sicherheitsrichtlinien der medizinischen Trainingstherapie

Zu Beginn einer Trainingsbehandlung sollte eine entsprechende Risikoabklärung stehen, um die Wahrscheinlichkeit kardiovaskulärer Komplikationen möglichst gering zu halten. Besonders Männer jenseits des 40. und Frauen jenseits des 50. Lebensjahres müssen einer sorgfältigen Eingangsuntersuchung inklusive eines Belastungstests unterzogen werden. Aber auch bei jüngeren Populationen muss nach Risikokonstellationen beziehungsweise nach angeborenen kardiovaskulären Auffälligkeiten gefahndet werden.

Die ärztliche Untersuchung beginnt mit einer Anamneseerhebung und einem orientierenden körperlichen Status. In der Anamnese sollte nicht nur nach Herzerkrankungen (koronare Herzerkrankung, Klappenerkrankung, Zeichen der Herzinsuffizienz oder angeborener Herzerkrankungen) gefahndet, sondern auch pulmologische, neuromuskuläre und orthopädische Erkrankungen berücksichtigt werden. Diese stellen, so wie Übergewicht, eine Gefahr für ein gesteigertes Verletzungsrisiko dar. Es sollte gezielt nach Kurzatmigkeit bei Belastung, belastungsinduzierten Schwindel und belastungsinduzierten Beinschmerzen gefahndet werden.

Falls sich dabei Hinweise auf eine Herz-Kreislauferkrankung ergeben oder wenn die Patient/innen einen wesentlichen koronaren Risikofaktor aufweisen, ist zunächst ein Belastungstest zwingend vorgeschrieben, in der Folge muss nach dem Risiko entsprechend stratifiziert werden (Kap. 33, Rehabilitation bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen).

Memo

Bei Hinweis auf koronare Risikofaktoren sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist ein Belastungstest vorgeschrieben.

Bei anamnestisch herzgesunden Männern über 45 und bei Frauen über 55 Jahren sollte ebenfalls ein Belastungstest am Beginn der medizinischen Trainingstherapie stehen (Quittan 1999).

Jede Trainingseinheit muss von einer 5–10 Minuten dauernden Aufwärm- und Abwärmphase begleitet werden. Als generelle Richtlinien und Vorsichtsmaßnahmen gelten:

  • Training nur bei körperlichem Wohlbefinden, nach einer Erkältung sollte zwei Tage zugewartet werden.

  • Kein Training zwei Stunden nach Einnahme der Hauptmahlzeiten.

  • Ausreichende Flüssigkeitszufuhr: Besonders falls das Ausdauertraining länger als 30 Minuten andauert, sollte auch während des Trainings ausreichend Flüssigkeit, am besten Wasser, zugeführt werden. Die Medikation mit Diuretika ist hier besonders zu beachten.

  • Das Training sollte sich den klimatischen Bedingungen anpassen. Besonders bei Hitzeperioden muss die Intensität reduziert werden. Hilfreich ist hier das subjektive Belastungsempfinden, das sich während des Trainings immer zwischen 12 und 14 auf der Borg-Skala bewegen sollte. Die Betreuungspersonen müssen interkurrent oder neu aufgetretenen Symptomen besonderes Augenmerk schenken. Schmerzen im Bereich des Oberkörpers, aber auch neu aufgetretene Kurzatmigkeit müssen unbedingt abgeklärt werden. Ebenso sind neu aufgetretene Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparates zu beachten und gegebenenfalls abzuklären.

Besonderes Augenmerk ist auf Zeichen des Übertrainings zu legen:

  • Falls das Training in der vorgegebenen Intensität nicht beendet werden kann,

  • Atemnot bei Belastung, insbesondere Sprechdyspnoe,

  • Schwindel nach der Belastung,

  • Chronische Müdigkeit,

  • Schlafstörungen,

  • Gelenksschmerzen.

4 Training der motorischen Grundeigenschaft Ausdauer

4 Methodik

Das Ziel ist die Auslösung von Anpassungsvorgängen des Körpers, die in einer Zunahme der maximalen Sauerstoffaufnahmefähigkeit und damit in einer verbesserten körperlichen Leistungsfähigkeit resultieren.

Die medizinische Trainingstherapie zur Verbesserung der Ausdauerleistungsfähigkeit wird nach folgendem Trainingsrezept definiert:

  • Belastungsform,

  • Belastungsintensität,

  • Belastungsdauer pro Therapieeinheit,

  • Belastungsdauer pro Woche.

Memo

Bei der Erstellung des Trainingsrezeptes darf die Möglichkeit der Überforderung, vor allem bei körperlich völlig inaktiven Menschen, nicht außer Acht gelassen werden.

4.1 Belastungsform

Es müssen Bewegungsformen zur Anwendung kommen, die einen großen Anteil der Skelettmuskulatur, mindestens jedoch 20 %, zyklisch aktivieren. Zu diesen zählen Fahrradfahren, Gehen, Laufen, Nordic-Walking, Schwimmen, Rudern.

4.2 Belastungsintensität

Die Intensität der körperlichen Belastung wird in der medizinischen Trainingstherapie grundsätzlich über die Herzfrequenz gesteuert. Sie soll im Bereich der moderaten Intensität 40–60 % der Reserve der maximalen Sauerstoffaufnahme oder der Reserve der maximalen Herzfrequenz liegen. Diese Reserven sind definiert als Differenz zwischen dem Ruhe- und dem Maximalwert der Sauerstoffaufnahme (Swain 1997) beziehungsweise der Herzfrequenz (Karvonen 1957). Um die Trainingsintensität festzulegen, wird der errechnete Wert dem jeweiligen Ruhewert hinzugezählt (Details siehe Kap. 33, Rehabilitation bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen). Höhere Trainingsintensitäten haben zwar den Vorteil einer rascheren Leistungssteigerung, jedoch den schwerwiegenden Nachteil einer höheren Komplikationsrate. Pulsmessgeräte sind heute unabdingbar, um die Belastungsintensität zuverlässig einzuhalten.

4.3 Belastungsdauer pro Therapieeinheit

Die Belastungsdauer pro Therapieeinheit sollte mindesten 30 Minuten betragen. Um eine Überforderung zu vermeiden, wird je nach Trainingszustand mit 10 bis 20 Minuten begonnen und innerhalb von zwei Wochen auf mindestens 30 Minuten gesteigert. Bei hochgradig dekonditionierten Patient/innen ist es notwendig, zu Beginn einer Trainingstherapie die jeweilige Trainingszeit kurz zu halten und das Gesamtpensum als Intervalltraining mit Pausen zu gestalten. Mit verbesserter körperlicher Leistungsfähigkeit ist eine Steigerung sowohl der Trainingsdauer pro Woche als auch der Belastungsintensität notwendig.

4.4 Belastungsdauer pro Woche

Zu Beginn können 3-mal 20 Minuten Training pro Woche genügen. Ein Erhalt der kardiovaskulären Gesundheit erfordert einen bewegungsinduzierten Mehrverbrauch von bis zu 2000 kcal pro Woche. Allerdings haben neue Daten gezeigt, dass der größte Nutzen im Sinne einer Reduktion der Gesamtsterblichkeit dann zu beobachten ist, wenn körperlich völlig inaktive Menschen ein Trainingsprogramm beginnen (Blair 1996). Daher wird die Intensitätsschwelle zu Beginn nach unten verschoben, sodass bereits bei Belastungsintensitäten von 40 % der maximalen Sauerstoffaufnahme präventive Effekte zu erwarten sind. Eine Beeinflussung des Impairments im Sinne einer Regression der Koronargefäßsklerose wurde allerdings erst durch einen bewegungsinduzierten Mehrverbrauch von 2400 kcal pro Woche festgestellt (Hambrecht 1993). Jede Trainingseinheit sollte von 5-10 Minuten Auf- und Abwärmen mit niederer Belastungsintensität begleitet sein. Die Energiekosten einiger ausgewählter körperlicher Aktivitäten sind in Tab. 14.2 dargestellt.

Tab. 14.2 Energiekosten verschiedener körperlicher Aktivitäten, ausgedrückt als METs d. h. Vielfaches des Sauerstoffverbrauchs (ml.kg–1.min–1) in Körperruhe. (Nach Ainsworth 1993)

Tab. 14.3 fasst die wichtigsten physiologischen Anpassungen an regelmäßiges aerobes Ausdauertraining zusammen.

Tab. 14.3 Anpassungen an regelmäßiges aerobes Ausdauertraining

5 Determinanten der Kraft der Skelettmuskulatur

Die von einem Muskel entwickelte Kraft ist von seinem physiologischen Querschnitt abhängig. Der absolute Wert der Kraftentwicklung beträgt bei großen Skelettmuskeln 10–20 N pro cm2 des physiologischen Muskelquerschnittes. Die tatsächlich zur Verfügung stehende Kraft und Leistung eines Muskels ist jedoch nicht nur von seinem Querschnitt, sondern auch von anderen Faktoren abhängig.

5.1 Form des Muskels – Faserausrichtung

Bei Muskeln mit paralleler Faserausrichtung stimmt der physiologische mit dem anatomischen Querschnitt überein. Bei Muskeln mit gefiederter Faserausrichtung weicht der physiologische Muskelquerschnitt von dem anatomischen ab.

5.2 Ausdauer

Definiert als Widerstandsfähigkeit gegen Ermüdung. Als absolute Ausdauer wird die Zeit bezeichnet, die eine bestimmte Belastung fortgeführt werden kann. Dies ist abhängig vom Trainingszustand. Mit einem verbesserten Trainingszustand verbessert sich auch die absolute Ausdauer.

5.3 Ermüdung

Die Ermüdung ist definiert als Abnahme der Leistung nach vorhergehender Aktivität. Die Ursachen sind vielschichtig und können an jedem Teilschritt des Weges vom zentralen Nervensystem bis zur Exzitations-Kontraktions-Kopplung auftreten. Es können derzeit nur zwei eindeutige Endpunkte definiert werden:

  • eine Plateaubildung der VO2max trotz weiterer Belastungssteigerung,

  • die Zunahme des iEMG bei isometrischer Muskelarbeit.

Die zur Verfügung stehende Kraft und Leistung eines Muskels ist von zahlreichen Faktoren abhängig.

5.4 Längen-Spannungs-Beziehung

Die Muskelspannung wird einerseits durch die Muskeldehnung, andererseits durch die Muskelkontraktion beeinflusst. Diejenige Länge, bei der die Muskelspannung beginnt 0 zu verlassen, wird als Ruhelänge bezeichnet. Bei weiterer Dehnung des Muskels steigt die Spannung exponentiell an. Bei der Muskelkontraktion wird die höchste Spannung dann erreicht, wenn eine optimale Überlappung der Aktin- und Myosinfilamente stattfindet. Dies wird bei einer Sarkomerlänge von 2 µm erreicht (Gordon 1966). Die Gesamtspannung eines Muskels ist die Summe aus passiver und aktiver Spannung. Daraus resultiert ein Gesamtspannungsabfall bei Muskellängen, die etwa 20 % über der Ruhelänge liegen (Schottelius 1956).

5.5 Hebelverhältnisse

Der Angriffswinkel der Kraft bestimmt das durch den Muskel auf das Gelenk ausgeübte Drehmoment. Das Drehmoment ist damit die Nettoresultierende des physiologischen Muskelquerschnitts und des Hebelarms.

5.6 Kraft-Geschwindigkeitsverhältnis

Die überwindende (konzentrische) Muskelkraft nimmt mit zunehmender Kontraktionsgeschwindigkeit ab (Hill-Kurve). Der Grund dafür wird in einer Abnahme gleichzeitiger Aktin-Myosin-Verbindungen bei steigender Kontraktionsgeschwindigkeit gesehen. Zusätzlich üben einzelne bestehende Aktin-Myosin-Verbindungen bei höheren Kontraktionsgeschwindigkeiten eine negative, d. h. der Kontraktionsrichtung entgegenwirkende Kraft aus. Bei nachgebender (exzentrischer) Muskelarbeit gegen einen Widerstand kommt es zu wesentlich höheren Kraftentwicklungen als bei konzentrischen Muskelkontraktionen. Der Grund dafür liegt in einer großen Anzahl gleichzeitig bestehender Aktin-Myosin-Verbindungen, die im Gegensatz zu der konzentrischen Muskelkontraktion nicht aktiv gelöst, sondern passiv aufgebrochen werden.

5.7 Neuronale Ansteuerung

Mit steigender Krafterfordernis werden zuerst kleine motorische Einheiten und dann die großen motorischen Einheiten aktiviert.

Ab etwa 20 % der „maximal voluntary contraction“ (MVC) werden die Typ-II-Fasern aktiviert. Bei Ausdauerleistungen wie z. B. einem Fahrradergometertraining werden vor allem Typ-I-Einheiten aktiviert, jenseits der maximalen Sauerstoffaufnahme dann auch Typ II. Der rasche Kraftzuwachs am Beginn eines Krafttrainings entsteht durch ein anfänglich verbessertes Rekrutierungsverhalten bei noch fehlender Dickenzunahme des Muskels. Es besteht eine lineare Beziehung zwischen dem integrierten Oberflächenelektromyogramm (iEMG) und der Kraftentwicklung. Ein Zuwachs des iEMG wird als Ausdruck einer verbesserten Rekrutierung der motorischen Einheiten angesehen. Ein gleichbleibendes iEMG bei verbesserter Kraftentwicklung nach einer Periode des Krafttrainings wird als verbesserte elektrische Effizienz bezeichnet (Moritani 1979). Dies reflektiert möglicherweise die Muskelhypertrophie.

Zusätzlich spielen auch inhibitorische Reflexe eine Rolle. Die Reizung sensorischer Nervenendigungen kann eine Inhibition entsprechender Muskeln bedingen. Ebenso kann dieser Mechanismus durch Reizung von Schmerzrezeptoren ausgelöst werden.

6 Arten der Muskelkraftentwicklung

Diese Einteilung beschreibt die Art des Widerstandes, gegen den die Muskelkraft eingesetzt wird.

6.1 Isometrische (statische) Kraftentwicklung

Die Kraft wird gegen einen unbeweglichen Widerstand ausgeübt. Innerhalb der Muskulatur selbst findet initial eine kleine Bewegung statt. Die Länge des Muskelsehnenapparates bleibt jedoch gleich.

6.2 Isotonische (dynamische) Kraftentwicklung

Theoretisch sollte bei dieser Kraftentwicklung die Muskelspannung gleich bleiben. Aufgrund der Längen-Spannungsentwicklung würde dies jedoch eine veränderliche Last bedingen. Eine echte isotonische Muskelkontraktion ist daher nur sehr schwer zu realisieren. Im klinischen Zusammenhang wird dieser Terminus jedoch oft für Alltagsbewegungen verwendet, der korrekte Ausdruck dafür lautet jedoch auxotonisch.

6.3 Isokinetische Kraft

Dabei wird eine Bewegung mit konstanter Winkelgeschwindigkeit durchgeführt. Dies bedingt den Einsatz eines geeigneten Untersuchungsgerätes (isokinetisches Dynamometer). Das während der Bewegung erzeugte Drehmoment wird kontinuierlich gemessen.

7 Training der motorischen Grundeigenschaft Kraft

7.1 Auswahl der Übungen

Auch hier muss das Training durch ein Trainingsrezept definiert werden:

  • Belastungsform – Kontraktionsform

  • Belastungsintensität – Größe des aufgebrachten Widerstands

  • Belastungsdauer pro Therapieeinheit – Wiederholungen, Sätze

  • Belastungsdauer pro Woche – Sätze und Muskelgruppen pro Woche

Memo

Das Training wird für jede Person individuell nach bestimmten Richtlinien zusammengestellt und unterliegt, abhängig vom Trainingsfortschritt, einer ständigen Anpassung.

Bei der Auswahl der Reihenfolge der Übungen sollten folgende Regeln eingehalten werden: das Training größerer Muskelgruppen, die über mehrere Gelenke ziehen, komplexere Übungen sowie Übungen für Oberkörper und Arme sollten am Beginn der Trainingseinheit stehen. In der Regel genügen 8-12 Übungen, um alle wichtigen Muskelgruppen entsprechend zu trainieren. Als Beispiele gelten z. B. Brust- und Schulterpresse, Ellenbogenstreckung und -beugung (Mm. triceps und biceps), Latissimuszug, Rückenstrecker, Bauchmuskulatur, Knie-/Beinstreckung (Beinpresse), Hüftab- und adduktoren, Wadenmuskulatur. Es sollen sowohl konzentrische als auch exzentrische Kontraktionen durchgeführt werden. Bezüglich der Kontraktionsform ist die auxotonische am sinnvollsten.

7.1.1 Intensität

Um einen Zuwachs an Muskelmasse zu erzielen, muss das Gewicht zumindest 60–65 % des 1 Wiederholungsmaximums entsprechen. Damit sollten 6–15 Wiederholungen möglich sein, wobei die letzten Wiederholungen bereits erhebliche Kraftanstrengung erfordern müssen. Dies wird als „Satz“ eines Krafttrainings bezeichnet. Ein höheres Gewicht erlaubt eine geringere Wiederholungszahl bis zur Ermüdung und fördert die Kraftentwicklung. Ältere Patient/innen und solche mit muskuloskeletalen Erkrankungen sollten eine höhere Wiederholungszahl (10–15) mit geringeren Gewichten durchführen. Wenn mit einem Gewicht mehr als 15 Wiederholungen bis zum Auftreten der Ermüdung möglich sind, muss das Gewicht gesteigert werden, da sonst der Reiz zur Vermehrung der Muskelmasse nachlässt.

7.1.2 Anzahl der Sätze

Es sollte mindestens ein Satz pro Muskelgruppe durchgeführt werden. Im Verlauf des Trainings kann eine Steigerung bis zu 3–4 Sätzen pro Muskelgruppe erfolgen. Zwei Trainingstage pro Woche reichen für eine optimale Kräftigung der Rumpfmuskulatur, während die Muskelgruppen der Extremitäten drei Trainingstage pro Woche für den bestmöglichen Effekt benötigen (Feigenbaum 1997).

7.1.3 Erholung

Bei moderaten Intensitäten reichen 2–3 Minuten nach einem Satz, bei hoher Intensität sollten mehr als drei Minuten zur Erholung verwendet werden. Auf jeden Fall muss die Erholungszeit so bemessen sein, dass eine sichere Übungsdurchführung des weiteren Trainings gewährleistet ist. Kürzere Erholungspausen vergrößern zusätzlich den metabolischen Stress. Zwischen den Trainingseinheiten ist eine Pause von 48 Stunden empfehlenswert.

7.1.4 Steigerung

Mit zunehmender Kraft steigt die Anzahl der möglichen Wiederholungen an. Daher muss das Gewicht erhöht werden, um die Beanspruchung der Muskulatur gleich zu halten. Es sollte nicht zu rasch gesteigert werden, da sonst die Gefahr von Muskelschmerzen und Verletzungen gegeben ist.

Als Richtlinie gilt, nicht mehr als 2,5–5 % Steigerung pro Einheit durchzuführen.

7.2 Beeinflussende Faktoren

Diese Faktoren belegen die Spezifität eines Krafttrainings und unterstreichen die Notwendigkeit, sich bei der Methodenauswahl eines Krafttrainings eng an den gewünschten Effekten zu orientieren. Training zwischen 40 und 100 % der MVC sollte so nahe wie möglich an der angestrebten Aufgabe orientiert sein. Bei weitgehend ähnlichen Aufgaben ist ein Transfereffekt zu erwarten, solange jedes Training bis zur Ermüdung durchgeführt wird.

7.2.1 Kontraktionsform

Die erreichte Kraftzunahme fällt dann am höchsten aus, wenn für Training und Testung die gleichen Kontraktionsformen gewählt werden. Die Wahl der Kontraktionsform für das Training sollte sich daher eng an der geforderten Beanspruchung orientieren.

7.2.2 Winkelgeschwindigkeit

Training mit hoher Winkelgeschwindigkeit hat einen Transfereffekt auf langsame Winkelgeschwindigkeiten, aber nicht umgekehrt (Moffroid 1970).

7.2.3 Gelenkwinkel

Isometrische Muskelkontraktion bei einer bestimmten Gelenksstellung bewirkt eine Kraftzunahme vor allem bei dieser spezifischen Gelenksstellung und nicht über den gesamten ROM eines Gelenkes. Transfereffekte von je 20 Grad nach beiden Seiten wurden beschrieben.

7.3 Methodik

7.3.1 Maschinen vs. freie Gewichte

Krafttraining an speziellen Maschinen erlaubt im Allgemeinen eine geführte Bewegung und das gezielte Training spezieller Muskelgruppen. Ein Training mit freien Gewichten erfordert neben der Kraftentwicklung auch die Balance und die Koordination und fordert dadurch meist den Einsatz mehrerer Muskelgruppen zur Stabilisation. Maschinentraining wird daher eher in Frühphasen der Rehabilitation nach Operationen und Verletzungen zum Einsatz kommen, während ein Training mit freien Gewichten in Spätphasen der Rehabilitation und zum allgemeinen Krafttraining zu bevorzugen ist.

7.3.2 Isometrische Übungen

Ein Kraftzuwachs kann durch submaximale oder maximale Kontraktionen erreicht werden, wobei letzteren der Vorzug zu geben ist (Ward 1964). Nach einem 6-wöchigen isometrischen Trainingsprogramm kann eine Kraftzunahme bis zu 30 % erwartet werden (Davies 1983).

7.3.3 Isokinetisches Training

Training mit isokinetischen Geräten kann folgende Vorteile aufweisen: kontinuierliche Kraftentwicklung über den gesamten ROM, mögliche Beschränkung auf konzentrische Muskelkontraktion, kontrollierte Einschränkung des ROM, falls dies notwendig ist, Auswahl hoher Winkelgeschwindigkeiten und damit verbundenen geringeren Kräften an den Gelenken. Durch das Fehlen definierter Widerstände während des Trainings wird empfohlen, bei der isokinetischen Trainingsdosierung nicht Sätze zu verwenden. Stattdessen sollte eine Trainingszeit von 20–60 Sekunden (Lesmes 1978; Seaborne 1984) oder ein Training bis zu einem Abfall des Drehmomentes unter 50–90 % des maximalen Ausgangswertes durchgeführt werden (Smith 1981).

7.4 Zeitverlauf

Bei intensivem Training können bis zu 12 % Kraftzuwachs erzielt werden, wobei eine asymptotische Abflachung bei längerem Training erzielt wird. Grundsätzlich führen intensivere Trainingsbelastungen rascher zu einem vergleichbaren Kraftzuwachs als geringere. Voraussetzung ist allerdings ein intakter passiver Bewegungsapparat. Der Zuwachs an Faserdicke hinkt etwas nach und erreicht bei einem 16-wöchigen Programm erst in der zweiten Hälfte sein Maximum.

7.5 Beziehung Kraft – Ausdauer

Es besteht eine weitgehend identische Beziehung zwischen Kraft und Ausdauer sowohl für kleine als auch große Muskelgruppen. Mit zunehmendem Widerstand sinkt die Ausdauer exponentiell ab (Abb. 14.1).

Abb. 14.1
figure 1

Beziehung Kraft – Ausdauer

8 Sicherheit beim Krafttraining

8.1 Verletzungsrisiko

Das Risiko für Verletzungen erweist sich bei krafttrainierenden Sportlern als nieder. Es wurde eine Verletzungsrate von 0,13 pro 1000 Athleten gefunden (Zemper 1990).

Memo

Eine kontinuierliche Beobachtung der Trainierenden ist besonders bei der Arbeit mit freien Gewichten unerlässlich.

8.2 Kreislaufregulation

Die Kreislaufregulation bei schwerer Widerstandsarbeit besteht in einer nur mäßigen Erhöhung der Herzfrequenz und des Cardiac Outputs, jedoch in einer deutlichen Erhöhung des arteriellen Blutdrucks (MacDougall 1985) besonders bei großen Widerständen (Lewis 1983). Die Blutdruckregulation bei verschiedenen Kontraktionsformen ist in Tab. 14.4 zusammengestellt. Die Vermeidung von Valsalva-Manövern während der Kontraktion trägt dazu bei, exzessiven Blutdruckanstieg zu vermeiden. Generell wird empfohlen, während der konzentrischen Muskelarbeit auszuatmen und bei der exzentrischen Kontraktion einzuatmen.

Tab. 14.4 Blutdruckregulation bei verschiedenen muskulären Kontraktionsformen

8.3 Beobachter – Betreuer

Eine kontinuierliche Beobachtung der Trainierenden ist besonders bei der Arbeit mit freien Gewichten unerlässlich. Beobachter müssen nicht nur die korrekte Technik überwachen, sie müssen auch in der Lage sein, den Trainierenden von den Gewichten zu entlasten.

9 Flexibilität (Dehnung , Stretching )

Die anatomische Struktur eines Gelenkes besteht aus Muskel, Bindegewebe und Knochen. Die Bewegung erfolgt entweder aktiv durch Muskelkontraktion oder passiv durch Applikation einer externen Kraft. Eine Möglichkeit, die Funktion eines Gelenkes zu beschreiben, ist dessen Bewegungsumfang („range of movement“, ROM).

Allen Dehntechniken ist gemeinsam, dass ein Gelenk an das Limit seines ROM gebracht wird, um eine Längenzunahme aller das Gelenk umgebenden Strukturen zu erzielen (Liebesman 1994). Folgende morphologische Anpassungen an wiederholte Dehnung wurden beobachtet:

9.1 Bindegewebe

Länger dauernde, nieder dosierte Dehnung führt zu veränderten visko-elastischen Eigenschaften von Sehnengewebe und damit zu einer Längenzunahme. Dieser Effekt kann durch Erwärmung verstärkt werden. Die Dehnung der bindegewebigen Komponenten eines Gelenkes scheint zu einem großen Teil zur Vergrößerung des ROM beizutragen.

9.2 Muskulatur

Im Tierversuch führt kontinuierliche Dehnung eines Muskels über 24 Stunden zu einer Zunahme der Sarkomere. Diese Versuche scheinen jedoch nicht auf die menschliche Muskulatur übertragbar zu sein.

Memo

Training der Flexibilität dient der Verletzungsprophylaxe und kann zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Muskels beitragen

Die von neuronalen Wirkmechanismen unabhängige Hauptwirkung des Stretchings wird heute in einer Beeinflussung der visko-elastischen Strukturen eines Muskels gesehen. Es kommt zu einer Entspannung des Aktin-Myosin Komplexes (Smith 1994) und zu einer Veränderung der extrazellulären Matrix (Taylor 1990). Eine Längenzunahme einer Muskelgruppe resultiert in einem vergrößerten Bewegungsumfang eines Gelenkes. Außerdem kann es durch Stretching zu einer verbesserten Leistungsfähigkeit des Muskels kommen (Wilson 1992). Eine gute Flexibilität bewirkt eine Verletzungsprophylaxe (Worrell 1994) und reduziert Komplikationen seitens des Gelenksapparates (Puniello 1993). Stretching sollte nach 5–10 Minuten Aufwärmen vor der eigentlichen körperlichen Aktivität als Prävention, nach der körperlichen Aktivität zur ROM-Vergrößerung durchgeführt werden. Eine komplette Entspannung des zu dehnenden Muskels ist nicht erforderlich (Moore 1980).

9.3 Spinale Reflexe

Die Längenzunahme eines Muskels vermindert die Aktivität der Muskelspindeln. Die verminderte gammamotorische Aktivität senkt die Sensitivität der Muskelspindeln und vermindert so die Reflexkontraktion. Dadurch kommt es kurzfristig zu einer Zunahme des Bewegungsumfanges eines Gelenks.

9.4 Steifigkeit der Muskulatur

Es ist derzeit nicht möglich, einen Mechanismus zu nennen, der alleine zur Vergrößerung des ROM eines Gelenkes beiträgt. Zusätzlich zu den oben genannten Mechanismen kann auch eine supraspinale Beeinflussung die Steifigkeit eines Muskels regulieren.

9.5 Techniken der Muskeldehnung

9.5.1 Statisch

Statisches Stretching, bei dem eine langdauernde passive Dehnung der Muskelgruppe durchgeführt wird, hat sich als wirkungsvolle Alternative bewährt (Williford 1986). Die Dehnstellung sollte bei unaufgewärmter Muskulatur für 15 Sekunden, bei aufgewärmter Muskulatur für 30 Sekunden gehalten werden.

9.5.2 Neurophysiologisch

Diese Techniken werden aus der Technik der Propriozeptiven Neuromuskulären Facilitation (PNF) abgeleitet. In der ursprünglichen Form besteht die Dehntechnik nach PNF in einer abwechselnden isometrischen Muskelkontraktion mit daran anschließender passiver Muskeldehnung (Knott et al. 1968). Verschiedene modifizierte Dehntechniken wurden bis heute beschrieben.

Contract – relax: Nach Einnahme der Dehnstellung wird eine isometrische Kontraktion der gedehnten Muskelgruppe durchgeführt, nach der Relaxation wird die Dehnung verstärkt.

Antagonist contract – relax: Eine Kontraktion des Antagonisten führt über die reziproke Hemmung zu einer verbesserten Dehnbarkeit.

9.5.3 Dosierung

Bei bestehenden Muskelverkürzungen müssen die Übungen 2- bis 3-mal täglich durchgeführt werden. Zum Erhalt eines Dehnzustandes genügt es, 1-mal täglich sowie vor und nach dem Training oder Bewegungstherapie die Dehnungsübungen durchzuführen.

9.6 Unterstützende Maßnahmen zur Vergrößerung des ROM

Folgende Maßnahmen können unterstützend zum Einsatz kommen:

  • Wärme,

  • Ultraschall,

  • Aufwärmen,

  • Kälte,

  • „spray and stretch“,

  • Lokalanästhesie,

  • „continous passive motion“.

Zusammenfassung

Der Beitrag stellt die Grundlagen des Muskelstoffwechsels unter körperlicher Belastung dar. Die Regulation von Atmung und Kreislauf zum Transport der Substrate und Metaboliten wird kurz beleuchtet. Effekte regelmäßigen Ausdauertrainings werden tabellarisch dargestellt. Darauf aufbauend werden Anleitungen zum Training der motorischen Grundeigenschaften Ausdauer und Kraft gegeben. Die Verbesserung der Beweglichkeit wird gesondert abgehandelt. Alle Bereiche werden nach Grundlagen, Methodik und Dosierung abgehandelt. Nur dadurch kann eine exakte „Verschreibung“ des Trainings im Sinne eines Trainingsrezeptes erfolgen. Daher wird auch dem Sicherheitsaspekt zur Vermeidung von Nebenwirkungen breiter Raum eingeräumt.

  1. 1.

    Nennen Sie die motorischen Grundeigenschaften.

  2. 2.

    Benennen Sie die wichtigsten Stoffwechselwege der Skelettmuskelzelle.

  3. 3.

    Beschreiben Sie die Trainingsmethodik zur Verbesserung der Ausdauer.

  4. 4.

    Nennen Sie die Determinanten der Muskelkraft.

  5. 5.

    Zählen Sie Methoden des Muskelstretchings auf.