Zusammenfassung
Die Entwicklung der Gesundheitssysteme ist in den letzten Jahrzehnten im Spiegel der politischen Debatten mit steigender Intensität durch eine technisch-wissenschaftliche sowie eine ökonomische Schwerpunktsetzung gekennzeichnet gewesen. Während die technisch-wissenschaftliche Facette vor allem nach Möglichkeiten sucht, immer elementarere „Funktionen“ menschlichen Lebens zu reproduzieren, zu reprogrammieren oder zumindest zu reparieren und dabei in vielen Bereichen auch hybride Lösungen anstrebt, bei denen Teilfunktionen des menschlichen Organismus durch „Maschinen“ ersetzt werden, ohne dass dabei die hohen Kosten als maßgebliches Hindernis thematisiert werden, wird zugleich mit Bezug auf die steigende Lebenserwartung, die damit verbundene wachsende Multimorbidität und Notwendigkeit langfristiger und aufwendiger Betreuung und Pflege über Instrumente der Kostendämpfung und Steigerung der Wirtschaftlichkeit nachgedacht.
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Notes
- 1.
Dazu allgemein: Kersten (2015), S. 1 ff.
- 2.
Zu den verschiedenen rechtlichen Dimensionen steigender Anforderungen an die Allokationseffizienz siehe grundlegend Rixen (2005), S. 59 ff.
- 3.
Zu Berufsbild und Berufsethos des Arztes siehe Kluth (2014) Einführung, Rn. 3 ff.
- 4.
Dazu im Überblick Höfling und Brysch (2007).
- 5.
Siehe BT-Drucks. 16/3100, S. 10.
- 6.
Dazu näher Gröschner (2006) Art. 20 (Sozialstaat), Rn. 8 ff.
- 7.
Zu seiner Konkretisierung exemplarisch Zacher (2004) § 28.
- 8.
Siehe exemplarisch BVerfGE 115, 25 (43 ff.).
- 9.
Dazu systematisch Neumann (2006), S. 383 ff.
- 10.
BVerfGE 125, 25 (43 ff.).
- 11.
Dazu näher Lemmerz (2014), S. 499 ff.
- 12.
Für die vor dem Grundgesetz in Kraft getretenen Verfassungen gilt dies genauso wie für die jüngeren Verfassungen der östlichen Bundesländer. Eine Übersicht zu den „besonderen“ Regelungsgehalten der Landesverfassungen bietet Diercks, Soziale Grundrechte der neuen Landesverfassungen. Ein Fortschritt in der deutschen Verfassungsentwicklung?, LKV 1996, S. 231 ff.
- 13.
Zu den Wirkweisen siehe die verfassungsrechtliche Legaldefinition in Art. 3 Verf. Sachsen-Anhalt: „(1) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht. (2) Die nachfolgenden Einrichtungsgarantien verpflichten das Land, diese Einrichtungen zu schützen sowie deren Bestand und Entwicklung zu gewährleisten. (3) Die nachfolgenden Staatsziele verpflichten das Land, sie nach Kräften anzustreben und sein Handeln danach auszurichten.“
- 14.
Die Gesetzgebungskompetenz der Länder ist im Krankenversicherungsrecht auf wenige organisatorisch geprägte Themenfelder und die Krankenhausplanung beschränkt. Substanzielle Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich der Palliativversorgung bestehen deshalb nicht.
- 15.
Siehe exemplarisch Art. 38 Verf. Sachsen-Anhalt.
- 16.
Entsprechende Erkrankungslagen können auch bei jüngeren Menschen eintreten, wie auch die Kinderhospize zeigen.
- 17.
Föllmer (2014), S. 232 ff.
- 18.
Zu den Gründen für ein enges Verständnis näher Krings (2003), S. 172 ff.
- 19.
Exemplarisch Föllmer (2014), S. 233 ff.
- 20.
BVerfGE 115, 25 (41 ff.).
- 21.
Diese Fragestellung wäre dann relevant geworden, wenn der Gesetzgeber die Kosten der Dauerpflege von Familienangehörigen nicht in das gesetzliche Leistungsspektrum einbezogen und damit weiterhin der familialen Solidarität überlassen hätte.
- 22.
Rawls (1976).
- 23.
Zu beiden Normen eingehend Föllmer (2014), S 39 ff.
- 24.
Das Bundesverfassungsgericht verwendet hier folgende Formel: „Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Die Abstufung der Anforderungen folgt aus Wortlaut und Sinn des Art. 3 I GG sowie aus seinem Zusammenhang mit anderen Verfassungsnormen (vgl. BVerfGE 88, 87 (96)). Da der Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern soll, unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung (vgl. BVerfGE 55, 72 (88)). Die engere Bindung ist jedoch nicht auf personenbezogene Differenzierungen beschränkt. Sie gilt vielmehr auch, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt. Bei lediglich verhaltensbezogenen Unterscheidungen hängt das Maß der Bindung davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird (vgl. BVerfGE 55, 72 (89)). Überdies sind dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (vgl. BVerfGE 60, 123 (134); BVerfGE 82, 126 (146)). Der unterschiedlichen Weite des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums entspricht eine abgestufte Kontrolldichte bei der verfassungsgerichtlichen Prüfung. Kommt als Maßstab lediglich das Willkürverbot in Betracht, so kann ein Verstoß gegen Art. 3 I GG nur festgestellt werden, wenn die Unsachlichkeit der Differenzierung evident ist (vgl. BVerfGE 55, 72 (90)). Dagegen prüft das BVerfG bei Regelungen, die Personengruppen verschieden behandeln oder sich auf die Wahrnehmung von Grundrechten nachteilig auswirken, im Einzelnen nach, ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können (BVerfGE 88, 87 (96)).“ – BVerfGE 95, 267 (316).
- 25.
Dazu vertiefend Welti (2010), S 379 ff.
- 26.
Übersicht bei Griesbeck (2014), S 181 ff.
- 27.
Siehe dazu umfassend Anderheiden und Eckart (2012).
- 28.
Siehe dazu Lemmerz (2014).
- 29.
Dazu vertiefend Gavela (2013).
- 30.
Zu Einzelheiten Spickhoff und Pethke, Medizinrecht, 2. Aufl. 2014, MBO § 16, Rn. 6 ff.
- 31.
- 32.
VG Berlin, MedR 2013, 58 ff.
- 33.
VG Gera, ZfL 2009, 29 ff.
- 34.
Siehe dazu näher Hillgruber (2013), S. 70 ff.
- 35.
Lindner (2013), S. 138.
- 36.
Duttge (2009).
Literatur
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Krings G (2003) Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche. Duncker & Humblot, Berlin
Lemmerz A-L (2014) Elternunterhalt zwischen Familiarisierung und Sozialisierung. DNotZ 7:499–511
Lindner FJ (2013) Verfassungswidrigkeit des – kategorischen – Verbots ärztlicher Suizidassistenz. NJW 3:136–139
Neumann V (2006) Das medizinische Existenzminimum. NZS 8:393
Rawls J (1976) Theorie der Gerechtigkeit. Suhrkamp, Frankfurt a. M.
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Strätling L (2012) Assistierte Suizid – grundsätzlich keine ärztliche Aufgabe? Medizinrecht 5:283–287
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Zacher H (2004) Das soziale Staatsziel. In: Isensee J, Kirchhof P (Hrsg), Handbuch des Staatsrechts, Bd 2, 3. Aufl. § 28. C.F. Müller, Heidelberg
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Kluth, W. (2016). Verfassungsrechtliche Aspekte der Palliativmedizin. In: Wienke, A., Janke, K., Sitte, T., Graf-Baumann, T. (eds) Aktuelle Rechtsfragen der Palliativversorgung. MedR Schriftenreihe Medizinrecht. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-48234-6_10
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