Zusammenfassung
Das von den Disability Studies entwickelte Konzept des Ableismus nutzt die Autorin als Lupe, um Prozesse, Politiken und Praktiken der Medikalisierung im Kontext von Behinderung kritisch zu analysieren. Im Fokus stehen zum einen deren möglichen (Aus)Wirkungen und unterschiedlichen Effekte für behinderte Menschen und (werdende) Eltern, zum anderen, was sie für das professionelle Handeln von Sozialarbeitenden bedeuten und implizieren.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Similar content being viewed by others
Notes
- 1.
Dias Gedicht zum Zappelphilipp stammt aus dem Buch „Der Struwelpeter“ von Heinrich Hoffmann (1845) einem Psychiater und Kinderbuchautor: nacherzählt auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=tZiupk6rtzM. Zugegriffen 09.04.2022.
- 2.
Mit der Schreibweise mit einem Unterstrich wird in diesem Aufsatz Dis_ability, also Nicht_Behinderung auch als ein Kontinuum konzeptualisert (Goodley, 2011, S. 1 zit. in ebd.). Das heißt in diesem Verständnis nimmt Behinderung die Eigenschaft einer fluiden Kategorie ein, von der auch Nichtbehinderte ‚irgendwann‘ betroffen werden können.
- 3.
Alte Fassung vor Einführung des Bundesteilhabegesetzes, das auch als SGB neue Fassung (n.F.) bezeichnet wird.
- 4.
Menschen als Subjekte anzurufen und zu adressieren, geht auf das Konzept der Anrufung des Philosophen Louis Althusser (1970, 84ff) zurück. Nach ihm werden Subjekte durch (machtvolle) Interaktionsprozesse, hervorgebracht. Diese Interaktionsprozesse werden dabei von ideologisch konnotierten Erwartungen begleitet, hier gerichtet an behinderte Menschen, sich proaktiv um gelingende Teilhabe zu bemühen.
Literatur
Althusser, L. (1970). Ideologie und ideologische Staatsapparate. VSA-Verlag.
Anhorn, R., Bettinger, F., & Stehr, J. (Hrsg.). (2007). Foucaults Machtanalytik und soziale Arbeit. Eine kritische Einführung und Bestandsaufnahme. Springer VS.
Arp, D. (01.05.2022). Bluttests auf Down-Syndrom als Kassenleistung. Ethik und Elternglück. Deutschlandfunk. https://www.deutschlandfunk.de/ethik-und-elternglueck-bluttests-auf-down-syndrom-100.html. Zugegriffen: 29. Mai. 2022.
Beck, I. (2019). Bewältigung und Behinderung. In G. Stecklina & J. Wienforth (Hrsg.), Handbuch Lebensbewältigung und Soziale Arbeit. Praxis, Theorie und Empirie (S. 408–416). Beltz-Juventa.
Buchner, T., Pfahl, L., & Traue, B. (2015). Zur Kritik der Fähigkeiten: Ableism als neue Forschungsperspektive der Disability Studies und ihrer Partner_innen. Zeitschrift für Inklusion, 2/2015. https://www.inklusion-online.net/index.php/inklusion-online/article/view/273. Zugegriffen: 09. Apr. 2022.
Bundesministerium für Arbeit und Soziales. (BMAS) (Hrsg.). (2013, 2016 & 2021). Teilhabeberichte der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen.
Campbell, F. K. (2019). Precision ableism: A studies in ableism approach to developing histories of disability and abledment. Rethinking History, 23(2), 138–156.
Degener, T. (2015). Die UN-Behindertenrechtskonvention – ein neues Verständnis von Behinderung. In T. Degener & E. Diehl (Hrsg.), Handbuch Behindertenrechtskonvention. Teilhabe als Menschenrecht – Inklusion als gesellschaftliche Aufgabe (S. 55–74). Bundeszentrale für politische Bildung.
Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI). (2005). ICF – Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit. DIMDI.
Foucault, M. (1973). Die Geburt der Klinik. Eine Archäologie des ärztlichen Blicks. Hanser (Erstveröffentlichung 1963).
Foucault, M. (1989). Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Suhrkamp.
Günther, C. (2022). Disability Studies in Architektur, Design und Informationstechnik. In A. Waldschmidt (Hrsg.), Handbuch Disability Studies (S. 337–356). Springer VS.
Hirschberg, M. (2009). Behinderung im internationalen Diskurs. Die flexible Klassifizierung der Weltgesundheitsorganisation. Campus.
Kaiser, M. & Pfahl, L (2020). Ableism und Verletzlichkeit. Überlegungen zur ‚Erfindung neuer Formen von Subjektivität‘. In D. Brehme, P. Fuchs, S. Köbsell, & C. Wesselmann (Hrsg.), Disability Studies im deutschsprachigen Raum. Zwischen Emanzipation und Vereinnahmung. (S. 96–102). Beltz Juventa.
Kardorff, E. v. (2016). Zur Transformation der Therapeutisierung und Psychiatrisierung des gesellschaftlichen Alltags: Auf dem Weg der (nicht ganz) freiwilligen Selbstoptimierung. In R. Anhorn & M. Balzereit (Hrsg.), Handbuch Therapeutisierung und Soziale Arbeit (S. 263–298). Springer VS.
Köbsell, S. (2015). Ableism. Neue oder „alter Wein“ in neuen Schläuchen. In I. Attia, S. Köbsell, & N. Prasad (Hrsg.), Dominanzkultur Reloaded. Neue Texte zu gesellschaftlichen und ihren Wechselwirkungen (S. 21–34). Transcript.
Köbsell, S. (2016). Doing Dis_ability: Wie Menschen mit Beeinträchtigungen zu „Behinderten“ werden. In K. Fereidooni & A. P. Zeoli (Hrsg.), Managing Diversity. Die Ausrichtung des Bildungs- und Kulturwesens, der Wirtschaft und Verwaltung (S. 89–103). Springer VS.
Kroll, A. (o. J.) Rechte von behinderten Menschen. http://www.rechtsanwalt-kroll.de/Rechtsprechung/. Zugegriffen: 3. Apr. 2022.
Lamp, F. (2007). Soziale Arbeit zwischen Umverteilung und Anerkennung. Der Umgang mit Differenz in der sozialpädagogischen Theorie und Praxis. Transcript.
Link, J. (2013). Versuch über den Normalismus. Wie Normalität produziert wird, (5., erg., überarb. u. neu gest. Aufl.). Vandenhoeck & Ruprecht.
Maskos, R. (2015). Ableism und das Ideal des autonomen Fähig-Seins in der kapitalistischen Gesellschaft. Zeitschrift Inklusion, 9(2), o. S. https://www.inklusion-online.net/index.php/inklusion-online/article/view/277/260/. Zugegriffen: 17. März 2022.
Maskos, R. (2018). Und dann habe ich gemerkt, wie viel Spaß das auch macht. Rekonstruktion von Behinderung und Nichtbehinderung am Beispiel der Rollstuhlnutzung. Vorläufige Ergebnisse einer qualitativen Interviewstudie mit gehbeeinträchtigten Menschen. Journal für Psychologie, 26(2), 50–74.
Miles-Paul, O. (2019). Urteil im CI-Zwang-Fall: Keine Kindeswohlgefährdung. kobinet-nachrichten. Tagesaktuelle Nachrichten zur Behindertenpolitik. https://kobinet-nachrichten.org/2019/02/03/urteil-im-ci-zwang-fall-keine-kindeswohlgefaehrdung/. Zugegriffen: 3. Apr. 2022.
Peter, C., & Neubert, C. (2016). Medikalisierung sozialer Prozesse. In M. Richter & K. Hurrelmann (Hrsg.), Soziologie von Gesundheit und Krankheit (S. 273–285). Springer VS.
Röh, D. (2018). Soziale Arbeit in der Behindertenhilfe, (2., völlig überarb. Aufl.). Reinhardt.
Rombach, F. (2015). Körperdifferenz: Taube zwischen Normierung und Normalisierung. DAS ZEICHEN, 101, 398–408.
Rommelspacher, B. (1995). Behindertenfeindlichkeit. Ausgrenzungen und Vereinnahmungen. Lamuv.
Sauter, A., & Kolleck, A. (2019). Aktueller Stand und Entwicklungen der Pränataldiagnostik. Auftraggeber: Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag.
Schneider, W., & Waldschmidt, A. (2012). (Nicht-)Behinderung anders denken. In S. Moebius (Hrsg.), Kultur. Von den Cultural Studies bis zu den Visual Studies. Eine Einführung. Transcript.
Schneider, W., & Strauß, B. (2013). Medikalisierung. Psychotherapeut, 58(3), 217–218.
Schnurr, S. (2011). Partizipation. In H.-U. Otto, & H. Thiersch (Hrsg.), Handbuch Soziale Arbeit. Grundlagen der Sozialarbeit und Sozialpädagogik, (4., vollst. neu bearb. Aufl., S. 1069–1078). Reinhardt.
Seelmeyer, U. (2018). Normalität und Normalisierung. In H.-U. Otto, H. Thiersch, R. Treptow, & H. Ziegler (Hrsg.), Handbuch Soziale Arbeit. Grundlagen der Sozialarbeit und Sozialpädagogik, (6., überarb. Aufl., S. 1191–1198). Reinhardt.
Unger, H. v. (2018). Ethische Reflexivität in der Fluchtforschung. Erfahrungen aus einem soziologischen Lehrforschungsprojekt. Forum Qualitative Sozialforschung (FQS), 19(3), Art. 6. https://doi.org/10.17169/fqs-19.3.3151. Zugegriffen: 7. Juli 2022.
United Nations, Department of Economic and Social Affairs, Disability. (o. J.). Convention on the Rights of Persons with Disabilities (CRPD). https://www.un.org/development/desa/disabilities/convention-on-the-rights-of-persons-with-disabilities.html. Zugegriffen: 19. Mai 2022.
Waldschmidt, A. (2005). Disability Studies: Individuelles, soziales und/oder kulturelles Modell von Behinderung? Psychologie & Gesellschaftskritik, 29(1), 9–31.
Waldschmidt, A. (2022). Disability Studies. In Gugutzer et al. (Hrsg.), Handbuch Körpersoziologie 2 (S. 91–104). Springer VS.
Wesselmann, C. (2022). Disability Studies in Sozialer Arbeit. In A. Waldschmidt (Hrsg.), Handbuch Disability Studies (S. 305–320). Springer VS.
Wesselmann, C. (2013). Disability Studies – Perspektiven und Impulse I. Soziale Arbeit, 61(1), 2–8.
Wolbring, G. (2009). Die Konvergenz der Governance von Wissenschaft und Technik mit der Governance des Ableism. Technikfolgenabschätzung – Theorie und Praxis, 18(2), 29–35.
Zola, I. K. (1979). Gesundheitsmanie und entmündigende Medikalisierung. In I. Illich (Hrsg.), Entmündigung durch Experten. Zur Kritik der Dienstleistungsberufe (S. 57–80). Rowohlt.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2023 Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature
About this chapter
Cite this chapter
Wesselmann, C. (2023). Medikalisierungsprozesse und Soziale Arbeit unter der Lupe der Disability Studies. In: Schübel, T., Friele, B. (eds) Medikalisierung und Soziale Arbeit. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-40507-6_4
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-40507-6_4
Published:
Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-40506-9
Online ISBN: 978-3-658-40507-6
eBook Packages: Education and Social Work (German Language)