Zusammenfassung
Die Entstehung und mehr noch die Etablierung von neuen Forschungsbereichen bzw. -paradigmen führen mitunter zu Irritationen im Wissenschaftsbetrieb, zumal wenn mit den jüngeren Forschungsbestrebungen festgefügte disziplinäre Domänen, Grenzen und Methoden zur Disposition gestellt werden. Eine derartige Irritation ist nun schon seit Jahren innerhalb der Geistes- und damit auch Literaturwissenschaften im Hinblick auf das Aufkommen der Digital Humanities (DH) zu beobachten. Die Selbstverständigung und zunehmende Institutionalisierung dieses Forschungszweiges werden von einigen Akteuren aus diesen Fächern mit Skepsis, teils auch Polemik und Ablehnung begleitet, während sich für andere mit der Digitalisierung wiederum ein Weg aus der vielmals diskutierten Krise der Geisteswissenschaften eröffnet.
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Notes
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Vgl. hierzu die praxeologische Untersuchung des literaturwissenschaflichen Arbeitsalltags im Zuge der Digitalisierung und nach dem Entstehen der Digital Humanities von Friederike Schruhl, die weder eruptive noch subsitutierende Veränderungen ausmacht und für eine ‚Entdramatisierung‘ der Diskussion plädiert (vgl. 2020, S. 272 ff.).
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Der Titel dieses Beitrags rekurriert auf den Text „Fernlesen mit Foucault? Überlegungen zur Praxis des ‚distant reading‘ und zur Operationalisierung von Foucaults Diskursanalyse“ von Peer Trilcke und Frank Fischer (2016).
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Einen luziden Blick auf die komplexen Probleme, die mit einem Ex-post-Zugriff auf die literarischen Verhältnisse einer bestimmten Zeit verbunden sind, bietet Nikolas Buck (2021) anhand von Epochenkonstruktionen. Die Prävalenz der Ex-post-Perspektive würde in der literarhistoriographischen Praxis häufig zu einer theoretischen Marginalisierung des zeitgenössischen Epochenbewusstseins und der mit ihm verbundenen, für das Verständnis des Gegenstands wichtigen Aushandlungsprozesse der Akteure führen (ebd., S. 23 ff.).
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Stiemer, H. (2023). Fernlesen mit Bourdieu – Prolegomena zu einer computationell getragenen Literaturfeldanalyse. In: Magerski, C., Steuerwald, C. (eds) Literatursoziologie. Literatur und Gesellschaft. Literatursoziologische Studien. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-39816-3_5
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