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Das politische System Südkoreas

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Die politischen Systeme Ostasiens
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Zusammenfassung

Das politische System Südkoreas hat im 20. Jahrhundert vielfältige Erschütterungen und Veränderungen erfahren. Erst seit dem Ende der 1980er Jahre scheint das Land mit dem Übergang zur demokratischen VI. Republik politische Stabilität gewonnen zu haben. Dieser Beitrag bietet einen einführenden Überblick zu den zentralen Bereichen des politischen Systems der VI. Republik. Dies soll in acht Schritten geschehen. Zu Beginn werden in einem historischen Abriss die wichtigsten Etappen der Entwicklung des politischen Systems bis zur Einführung der VI. Republik (1987) sowie die Kernelemente des sozialen und wirtschaftlichen Modernisierungsprozesses der letzten Jahrzehnte skizziert. Im zweiten Schritt wird die institutionelle Grundordnung des Regierungssystems der VI. Republik vorgestellt. Der Schwerpunkt der Betrachtungen liegt auf der Darstellung der verfassungsrechtlichen Strukturen und ihrem tatsächlichen Funktionieren in der Verfassungswirklichkeit. Im dritten Schritt wird der einführende Blick auf die Institutionen, Akteure und Prozesse der territorialen Interessenrepräsentation gerichtet. Es werden Wahlen und Wahlsystem sowie das Parteiensystem hinsichtlich ihrer institutionellen Strukturen und ihrer Bedeutung für die Interessenvermittlung im politischen System diskutiert. Im vierten Schritt folgt eine knappe Darstellung des Systems der funktionalen Interessenrepräsentation mit Fokus auf der Rolle der Gewerkschaften und Kapitalverbände. Im fünften Schritt werden die gegenwärtigen Grundzüge der politischen Kultur und der Zivilgesellschaft dargestellt. Anschließend wenden wir uns den Massenmedien zu. Wir stellen die Grundstrukturen der Medienlandschaft vor und diskutieren die Rolle der koreanischen Medien als Forum zur Artikulation gesellschaftlicher Meinungsvielfalt. Im siebten Kapitel wird das Rechtssystem in seinen Grundzügen skizziert und der Frage nachgegangen, ob der Übergang Südkoreas vom „formalen“ zum „materiellen“ Rechtsstaat“ gelungen ist. Achtens werden die Verwaltungsstruktur und das System der lokalen Selbstverwaltung dargestellt. Der Beitrag schließt mit einem Fazit und Ausblick auf die weitere Entwicklung des politischen Systems.

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Notes

  1. 1.

    Die „6-29-Declaration“ Rohs umfasste die folgenden Einzelpunkte: 1) Bereitschaft zur Änderung der Verfassung, um eine Direktwahl des Präsidenten zu ermöglichen; 2) Änderung der die Opposition benachteiligenden Wahlgesetze; 3) Rehabilitierung führender Oppositionspolitiker wie Kim Dae-jung; 4) Gewährleistung und Schutz der Grundrechte; 5) Pressefreiheit; 6) Einführung kommunaler Selbstverwaltung; 7) Freiheit der Gründung von politischen Parteien und der parteipolitischen Betätigung; 8) soziale Reformen (vgl. Croissant 1998, Kap. 3 und 4).

  2. 2.

    Die wohl wichtigsten Analysen sind Amsden (1989), Evans (1995) und Mo und Weingast (2013).

  3. 3.

    Der Begriff des „developmental state“ geht auf den amerikanischen Ökonomen und Japanwissenschaftler Chalmers Johnson (1982) zurück.

  4. 4.

    Die öffentlichen Sozialausgaben stiegen von 2,9 % des BIP (1990) auf 12,6% im Jahre 2017. Innerhalb der OECD lag der Durchschnitt in 2017 bei 20,6 %; nur in Mexiko lagen die Sozialausgaben des Staates mit 7,6 % des BIP noch unter denen in Südkorea. Zum Vergleich: in 2009 betrugen sie in Japan 23,8 %, in der Bundesrepublik Deutschland waren es 25,2 %. Sozialausgaben umfassen nach Definition der OECD Geldleistungen, direkte Sachleistungen in Form von Gütern und Dienstleistungen sowie sozial motivierte Steuervergünstigungen für Niedrigeinkommenshaushalte, ältere Menschen, Behinderte, Kranke, Arbeitslose oder junge Menschen. Leistungen werden als öffentlich eingestuft, wenn die entsprechenden Finanzströme vom Staat kontrolliert werden. Daten nach OECD, Social Expenditure Database (SOCX), https://www.oecd.org/social/expenditure.htm (Zugriff: 27/06/21).

  5. 5.

    Nachfolgend alle Verweise auf die Verfassung nach The Constitution of the Republic of Korea, World Intellectual Property Organization, http://www.wipo.int/wipolex/en/text.jsp?file_id=214459 (Zugriff: 09/08/21).

  6. 6.

    Im Wahlgesetz (Gongjikseon’geobeop) ist das Wahlalter mit 18 Jahren festgelegt (§15 und 16). Ausnahme ist das passive Wahlrecht bei Präsidentschaftswahlen, das bei 40 Jahren liegt. Darüber hinaus haben Ausländer seit 2005, die im Ausländerregister der zuständigen lokalen Regierung gemäß Artikel 34 desselben Gesetzes aufgeführt sind und die länger als drei Jahre im Besitz eines Daueraufenthaltsstatus gemäß Artikel 10 des Einwanderungskontrollgesetzes vergangen sind, das aktive Wahlrecht bei Provinz- und Kommunalwahlen. Vgl zu Letzterem Mosler und Pedroza (2016).

  7. 7.

    Das Verbotsverfahren fand seine erste Anwendung während der Regierungszeit der rechtskonservativen Präsidentin Park Geun-hye, als 2014 die links-progressive Vereinten Progressiven Partei (VPP) mit der Begründung aufgelöst wurde, sie gefährde die demokratische Grundordnung (vgl. Mosler 2016).

  8. 8.

    Der hier verwendete Ausdruck „Neo-Präsidentialismus“ bezeichnet diejenige Regierungsform, nach deren verfassungsrechtlicher Ordnung der Präsident als Inhaber der Exekutivgewalt allen anderen eingesetzten Gewalten überlegen ist. Sie ist ihrer Regierungsweise nach autokratisch, da die gesetzgeberische und ausführende Gewalt in der Hand der Exekutive vereinigt sind und das Wahlvolk nicht in der Lage ist, durch freie und faire Wahlen an der Bildung des Staatswillen maßgebend mitwirken (vgl. Loewenstein 2000).

  9. 9.

    Vgl. §29 des Gesetzes über die Nationalversammlung (gukhoebeop). Tatsächlich ist ein Trend über die Jahre zu erkennen, nach dem der Anteil der Minister, die gleichzeitig ein Mandat in der Nationalversammlung ausüben, stetig wächst. Waren es noch 10% des Kabinetts unter Präsident Roh Moo-hyun, waren es unter Moon Jae-in rund 38% (vgl. Lee 2021).

  10. 10.

    Darüber hinaus erlaubt das Parlamentsgesetz (kukhoebeop) Bürgerinnen und Bürgern Petitionen einzureichen, um Gesetze bzw. deren Änderung zu fordern (§123–126).

  11. 11.

    Eigene Berechnungen nach Angaben der Nationalen Wahlkommission (www.nec.go.kr/).

  12. 12.

    Zu einer Analyse des rapiden Ansehensverlusts der Nationalversammlung als Folge der Konfrontation um das Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Roh Moo-young im Jahre 2004, vgl. Park (2007, S. 110 f.).

  13. 13.

    Dieser Sprung lässt sich hauptsächlich mit der Herabsetzung der Mindestanzahl von 20 Abgeordneten für die Einbringung eines Gesetzesvorschlages auf nur noch 10 Abgeordnete sowie dem gestiegenen Interesse der Öffentlichkeit an der Gesetzgebungsproduktivität seit Anfang der 2000er Jahre erklären. Aus diesem Umstand heraus ergibt im Umkehrschluss zum Großteil auch die zunehmend sinkende Gesetzgebungseffizienz.

  14. 14.

    Vgl. zu den Hintergründen der Verfahren Roh und Park Khil (2007) und Mosler (2017b).

  15. 15.

    Vgl. ausführlich zu dieser und anderen „landmark decisions“ des Gerichts Park (2008).

  16. 16.

    Eine der jüngsten Umfragen wurde in der Tageszeitung Seoul Sinmun veröffentlicht (2018).

  17. 17.

    Auf den ersten drei Plätzen bei Einfluss rangierten die Großunternehmen Samsung und Hyundai Motors sowie die Staatsanwaltschaft, bei Vertrauenswürdigkeit schneiden nur die beiden Chaebol besser ab; die Staatsanwaltschaft liegt abgeschlagen auf Platz 14 (Joong Ang Ilbo 2013).

  18. 18.

    Wie Youngmi Kim zeigt, zahlen im Durschnitt weniger als 0,6% der Parteimitglieder ihre Beiträge. Das entspricht deutlich weniger als einem Zehntel der ausgewiesenen Einnahmen der Parteien. Üblicherweise erhält die amtierende Regierungspartei einen übergroßen Anteil der legalen Parteispenden. Es ist davon auszugehen, dass sich dies bei den illegalen Spenden, d. h. Zuwendungen von Individuen oder Körperschaften, die nicht gegenüber den Behörden angezeigt werden und die im Wahl- und Parteiengesetz festgelegten Obergrenzen überschreiten, ähnlich verhält (Kim 2008, S. 384–386).

  19. 19.

    Die ursprüngliche Idee hinter der Reform war, durch Förderung von Minderheitenparteien und Interessenvielfalt Repräsentativität im Parlament zu fördern. Legislative Schlupflöcher haben jedoch erlaubt, dass die beiden großen Parteien jeweils reine Listenplatzparteien gründeten, um der negativen Rückkoppelung bei der Verrechnung zu entgehen. Dadurch wurde der Ausgleichsmechanismus des neuen Gesetzes aufgehoben.

  20. 20.

    Disproportionalität meint das Maß der Verzerrung zwischen Stimmen- und Mandatsanteilen der politischen Parteien in einem Parteiensystem. Das gängige Maß zur Bestimmung der Disproportionalität von Wahlergebnissen ist der Least Square (LSq) oder Gallagher Index. Der Index misst die Differenz zwischen Stimmenanteil einer jeden politischen Partei bei einer Wahl und deren Mandatsanteil in der darauffolgenden Wahlperiode über alle Parteien eines Parteiensystems hinweg (Gallagher 1991).

  21. 21.

    Im innerasiatischen und internationalen Vergleich siehe Croissant und Völkel (2012) und Lijphart (2012).

  22. 22.

    Zur Funktion von Wahlen in Autokratien allgemein und zu Mehrparteienwahlen in kompetitiv-autoritären Regimen wie denen in Südkorea unter Park Chung-hee und Chun Doo-hwan, vgl. Gandhi (2008).

  23. 23.

    Zum Thema Wahlen in Südkorea vgl. auch Göbel (2006).

  24. 24.

    Zu den Charakteristika der Ortsvereine (jigudang) siehe Mosler (2012).

  25. 25.

    Gewerkschaftspluralismus bei nationalen Gewerkschaftsverbänden und Föderationen ist seit Januar 1997, auf Betriebsebene seit Januar 2002 legalisiert.

  26. 26.

    Zu nennen sind neben dem Korea Barometer (KOBAR, http://www.koreabarometer.org/) der Asian Barometer Survey (http://www.asianbarometer.org/newenglish/surveys/) sowie der World Values Survey (http://www.worldvaluessurvey.org/). Zum politischen Bewusstsein von jungen Menschen in Südkorea Jeong und Jeong (2018).

  27. 27.

    Aus Platzgründen kann hier nicht näher auf die Minjung-Ideologie eingegangen werden; vgl. stattdessen Wells (1995).

  28. 28.

    Lee Chung Hee (2005) definiert citizen groups als „the voluntary public interest group which participate in the political process in both direct and indirect ways, ultimately for the protection and benefit of the people as a whole“ (S.166).

  29. 29.

    Amnesty International zitiert Angaben der nationalen Polizeibehörde, nach denen die Zahl der Personen, die auf der Grundlage des NSL verhört oder der Verletzung von Bestimmungen des Gesetzes verdächtigt wurden, zwischen 2008 und 2011, d. h., während der Regierungszeit von Präsident Lee Myung-bak, um 96% gestiegen ist. Zudem wurden bis Oktober 2011 insgesamt 178 Webseiten wegen “pro-nordkoreanischer Inhalte” geschlossen. Vgl. Amnesty International (2012).

  30. 30.

    Umfassend zur Entwicklung der Medienlandschaft in Südkorea vgl. Kwak (2012) und im Besonderen Kwak (2017).

  31. 31.

    Die Methoden der Einflussnahme von Regierungsseite reichen von relativ subtilen Eingriffen über staatliche Einrichtungen wie den Medienrat (Bangsongtongsin Wiwonhoe) bis hin zu direkteren Interventionen wie etwa die Besetzung der Chefintendant:innen mit regierungsfreundlichem Personal bei quasi-staatlichen Medienanstalten oder persönlicher Kontaktaufnahme zu Eignerorganisationen (z. B. Stiftungen) bzw. zum Leitungspersonal der Medienhäuser.

  32. 32.

    So übereinstimmend Freedom House (2012a und 2012b) und Reporters Without Borders (2012).

  33. 33.

    Allgemein zur Entwicklung von Rechtsstaatlichkeit in Südkorea und ihren Problemen vgl. Mo und Brady (2013).

  34. 34.

    Daten aus Park (2008, S. 13–14) und Sabeob Yeon’gam (2019, S. 610).

  35. 35.

    Vgl. zu den verschiedenen Reformagenden und –prozessen im südkoreanischen Rechtssystem in vergangenen Jahrzehnten: Ginsburg (2012).

  36. 36.

    Ausführlich zur Einkommensschere in Südkorea und dem Anstieg der im internationalen Vergleich seit den 1950er Jahren relativ geringen ökonomischen Ungleichheit seit den 1990ern, vgl. Chi und Kwon (2012), sowie Shin (2018).

  37. 37.

    Für eine empirische Untersuchung des angenommenen Zusammenhangs zwischen Ungleichheit und Verlust an Demokratiequalität für den Fall Südkoreas siehe Chong-Min Park (2019).

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Croissant, A., Mosler, H. (2023). Das politische System Südkoreas. In: Derichs, C., Heberer, T., Schubert, G. (eds) Die politischen Systeme Ostasiens. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-39485-1_8

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